IT & UE made in Taiwan: Der steinige Weg ins digitale Wohnzimmer. Produkte im Schmelzbereich zwischen IT und UE aus Taiwan gibt es bereits reichlich. Auf dem langem Weg zum deutschen Endkunden aber fehlt derzeit vor allem eins: Passende Vertriebskanäle und Vermarktungsstrategien. CRN sprach auf der Computex in Teipei mit den Ausstellern über neue Allianzen.
Autoron: Andrea van Baal
»PC-Firmen müssen jetzt leicht zu bedienende Produkte entwickeln, ihren Service zum Endkunden hin aufbauen und enger mit dem Handel arbeiten«, verkündete Acer-Gründer Stan Shih bei der Eröffnung der diesjährigen Computex in Teipei. Der Vordenker der taiwanischen IT- Industrie sagt einen fundamentalen Wandel voraus: »So wie der PC vor 20 Jahren die Arbeitswelt veränderte, wird der Trend zum Digital Home meines Erachtens jede Facette unseres Lebens verändern.«
Shihs Mahnung kommt zum rechten Zeitpunkt. Den Zug zum Umsatz mit privaten Endkunden will natürlich niemand verpassen, aber was sich der Durchschnittskunde im Westen tatsächlich wünscht, scheinen viele der taiwanischen Hersteller derzeit eher zu erahnen als zu wissen. Gibt es wirklich einen großen Markt für Fernsehgeräte mit eingebautem Rechner? Für Multimedia-Computer, die als Borg-Kubus mit Milchschäumhahn daher kommen, für Tri-Band-PDAs, mit denen man Musik hören, fotografieren, Filme gucken und ja, auch telefonieren kann? Braucht die Welt drahtlose Festplatten, die selbstständig sämtliche Filme von Jackie Chan aus dem Internet herunterladen? Und wie viele Anwender verfügen eigentlich über einen Broadband-Zugang? Solche Fragen beschäftigen die taiwanischen Hersteller, allerdings erst jetzt, wo die Produkte bereits entwickelt sind und Serienproduktionsreife erlangt haben.
»Die Impulse kommen nach wie vor von den Herstellern, nicht vom Markt,« warnt Mario Gunsch, der als Geschäftsführer der Neodis GmbH Monitore der taiwanischen Marke Princeton vertreibt. Wie viele der diesjährigen Computex-Besucher sieht er bei den Herstellern derzeit ein Risiko, sich mit zu vielen Produktsegmenten zu verzetteln. »Klares Profil und Ausrichtung vermisse ich zur Zeit bei vielen Anbietern«, bestätigt auch Thomas Grashoff von Longshine.
Weil traditionelle UE-Anbieter meist so wenig von ITK-Lösungen verstehen wie ITK-Anbieter von den Bedürfnissen technisch unbeleckter Endverbraucher, kommt es nun zu Allianzen. Netzwerklösungsanbieter Accton etwa hat sich mit der holländischen Royal Philips Electronics zusammengetan und ein Joint Venture namens Arcadyan gegründet. Arcadyan bietet diverse Produkte für die Speicherung und Verteilung von digitalem Content, aber auch verschiedene Empfangsgeräte an, die Video- und Audio-Inhalte aus dem Internet laden und für die Wiedergabe auf Fernseher, PC oder Stereoanlage aufbereiten.
Ob dies der optimale Ansatz ist, wird sich zeigen. Bei Toshiba, die man als UE-Experten zur diesjährigen Computex eingeladen hatte, ist man davon nicht überzeugt: »Individuell verbundene Komponenten sind im Grunde jetzt schon obsolet«, meint Tsutomu Sanada, der für die Toshiba Personal Computer & Network Company auf der Computex war. Laut Sanada will der Privatanwender Geräte, die TV, PC, Wi-Fi, DVD-Spieler, Stereoanlage und Videorekorder in sich vereinen und einfach auf Knopfdruck funktionieren.
Und so geht der Trend in Taiwan zum hochintegrierten Unterhaltungszentrum mit eingebettetem Computer und riesigen Flachbildschirmen. Die Ansätze für solche Embedded-PCs sind jedoch recht unterschiedlich: Mal stecken die Mainboards direkt im Fernseher wie bei Albatron und Insight Solutions, mal sind sie wie bei Asus und FIC in dezenten, an Videorekorder erinnernden flachen Gehäusen untergebracht.
Eine noch größere Herausforderung als Design und Funktionalität aber scheint die Vermarktung der Produkte zu sein. Nach Ansicht von Acer-Gründer Stan Shih und anderen führenden Köpfen der taiwanischen IT-Branche müssen sich die Anbieter von Produkten für Digital Home/Lifeststyle in nächster Zeit nämlich vor allem um das Image und den Aufbau ihrer Marken kümmern: »Wir brauchen ein differenzierteres, besseres Image im Channel, aber vor allem auch zum Endkunden hin«, so Shih. Weitere, dringend zu erledigende Hausaufgaben der Hersteller seien die Einführung von effizienten Supply Chain Management Systemen und Service- Netzwerken.
Tatsächlich stellt sich für die meisten der taiwanischen Anbieter, die nun in den Konsumentenkanal vordringen wollen, dieselbe Herausforderung wie vor ca. 15 Jahren, als sie ihre IT-Komponenten und Systeme im Westen absetzen wollten: Zum einen fehlen die passenden Vertriebskontakte, sowohl auf Distributions- wie auf Händlerebene. Es mangelt an Service- und Supportstrukturen. In den Zielsegmenten sind die Hersteller weitgehend unbekannt. Marketing findet, wenn überhaupt, nur unzureichend statt, der Wettbewerb läuft allein über Preis. Gezielte Marktentwicklung steht also ganz oben auf der Aufgabenliste.
»Im Bereich Digital Home, Digital Lifestyle mangelt es den Herstellern vor allem an Absatzkanälen und Bekanntheitsgrad. Auch müssen wir die Bedürfnisse der Konsumenten besser begreifen«, fordert Shih. Ansonsten seien alle Voraussetzungen für den Erfolg gegeben, da Taiwans IT- Branche mittlerweile von den Chips bis zum Gehäuse alle Komponenten und Produkte selbst entwickelt und herstellt, bzw. kostengünstig in der VR China herstellen lässt.
An der Schwelle zum Zeitalter durchdigitalisierter Haushalte reicht es eben einfach nicht, einen guten Namen als Auftragsfertiger zu haben und zu den Top 10 der weltweit wichtigsten Main-board-, Notebook- oder Display-Hersteller zu gehören. Denn so egal wie den meisten Privatkunden heutzutage beim Kauf eines Fernsehapparats ist, welcher Hersteller die Kabel zugeliefert hat, so wenig wird es sie interessieren, von welchem »Markenanbieter« der WLAN-Router im vernetzten Wohnzimmer stammt.
Das ist den meisten taiwanischen Anbietern klar und so waren »Branding«, Markenbildung und Sichtbarkeitssteigerung häufig genannte Begriffe der diesjährigen Computex. Auch von neuen Channel-Strategien war viel die Rede, beispielsweise bei Gigabyte, wo man gerade mit Nachdruck an einem dreistufigen Händler-Programm arbeitet. »Der Zeitpunkt zum Durchstarten ist gut«, berichtet Darren Cox, Regional Sales Manger bei Gigabyte Deutschland.
Zwar hoffen Hersteller von Aver Media bis Zero One, von ihrem Ruf als solide IT-Anbieter demnächst auch im Bereich der neuen digitalen Konvergenz- und Unterhaltungsprodukte profitieren zu können. Doch letztlich ist selbst so etablierten Firmen wie Asus, Benq, Gigabyte, MSI oder FIC klar, dass sie massiv in neue Vertriebskanäle, Händlerprogramme und Marketing investieren müssen. Dies gilt vor allem für den europäischen und hier vor allem für den deutschen Markt. »Die Firmenzentralen in Taiwan wissen, dass sie demnächst Geld für die Marktentwicklung in die Hand nehmen müssen«, bestätigt auch Candice Yu, Marketing Manager bei Albatron.
Einstweilen wollen die Hersteller ihre angestammten Distributoren nutzen, bemühen sich aber gleichzeitig intensiv um Vertriebskontakte im UE-Bereich. Zwar gibt es vereinzelt bereits Verträge, aber über die wird noch nicht viel geredet. So war bei Asus lediglich zu erfahren, dass der Entertainment-Rechner »Digi Matrix II« ab August auch in Deutschland erhältlich sein soll. Firmen wie die mit VIA affilierte Insight Solutions geben an, für den Vertrieb ihrer hochintegrierten Produkte »in Verhandlungen« zu stehen. Das Gros der Anbieter bezweifelt, berechtigterweise, dass ihre bestehenden Kontakte zu IT-Distributoren und -Resellern der richtige Weg zum privaten Endverbraucher sind. Wer jetzt einsteigt und sein Geschäft solide angeht, hat Chancen, sich mit den neuen Produkten mittelfristig zu profilieren und zu wachsen: In Erwartung der Digitalisierungswelle haben die Anbieter von der asiatischen IT-Insel derzeit ein besonders offenes Ohr auch für kleinere, potenzielle Partner zur Erschließung des UE-Handels. Denn wie wenig Spaß und Marge das Geschäft mit Media Markt und Co. macht, hat sich mittlerweile auch auf Chinesisch herumgesprochen.
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