IT-Dienstleister unter Zugzwang
IT-Dienstleister unter Zugzwang Die Verzahnung der IT-Anwendungen zu Geschäftsprozess-Ketten stellt ganz neue Anforderungen an die IT-Dienstleister. Unflexible Standardangebote und Abrechnung nach Pauschale helfen nicht mehr viel.




Es ist schon ein bisschen grotesk. Da setzt sich der Service-Gedanke langsam aber sicher in der IT-Branche durch und die Service-Lieferanten per se, sprich die IT-Dienstleister, kommen dadurch in die Bredouille. Derweil die Unternehmen nämlich durchgehende Geschäftsprozessketten formieren, verharren die meisten IT-Dienstleister in einfachen Belieferungs- und Abrechnungsmodellen mit klassischem ERP- oder CRM-Hosting und dem guten alten Pauschalpreis. »Die IT-Dienstleister müssen sich auf das veränderte Anforderungsprofil ihrer Kunden einstellen«, sagt Peter Arbitter, Leiter Portfolio und Technology Management bei Siemens IT Solutions and Services. »Wenn die Provider das vielberufene Business Process Outsourcing mit Serviceleben erfüllen wollen, kommen sie nicht umhin, Integrationstechniken wie EAI, objektorientierte Middleware und ein durchgängiges Servicemanagement in ihr Angebot aufzunehmen«, ist sich Arbitter sicher. Selbstredend muss dieses Angebot dann auch in der Praxis der IT-Dienstleistung beherrscht werden. Zusätzlich bringt die in den Unternehmen fortschreitende Konvergenz auf der Basis des IP-Protokolls die IT-Dienstleister in Zugzwang, ihre Serviceangebote zu flexibilisieren und zu verbessern und parallel ihre Netze auf die höheren Übertragungs- und Durchsatzanforderungen einzustimmen. Das gilt speziell für die breiten Videoströme, die heute über das Netz transportiert werden müssen. Hier hülfe neben der richtigen Serviceorientierung gemäß den ITIL-Vorgaben nur ein hoher Automatisierungsgrad bei der Servicebereitstellung, um preislich wie qualitativ für die hohen Serviceanforderungen der Unternehmen bereit zu sein, erklärt Arbitter.
Serviceorientierung unabdingbar Ludger Wölfel, Senior Consultant Servicemanagement bei Materna, meint, dass sich auf der Seite der IT-Dienstleister eine ganze Menge zu ändern hätte. »Viele von ihnen müssen, um mit der Entwicklung bei ihren Kunden Schritt zu halten, bei den unterstützenden Services wie Management, Leistungsvereinbarungen, Messverfahren und Abrechnung deutlich mehr als bisher üblich bieten«, ist er sich sicher. Auch für die genannten Begleitservices gelte, dass sie sich der IT-Servicesicht der Kunden anpassen müssten. »Denn nur so können die Unternehmen ihre optimierten Geschäftsprozesse durchgängig fahren und auch bewerten«, meint Wölfel. Das gelte für sämtliche Konstellationen, sowohl für komplett ausgelagerte Prozessketten, für Teilauslagerungen, ja sogar für den Fall, dass der Anbieter mehr oder weniger nur seine Netzleistungen für den IT-Eigenbetrieb des Unternehmens zur Verfügung stelle. Der Service-Spezialist sieht darüber hinaus in der neuen ITIL Version 3 ein probates Mittel, mit dem Dienstleister und Kunden eine gemeinsame Sicht auf die vereinbarten Services bekommen. Wolfgang Hoeffer, verantwortlich für das ITSM-Geschäft von HP Services in Deutschland, sieht eine wichtige Tendenz in Richtung Serviceorientierung darin, dass sich die Leistungsvereinbarungen von den technischen Parametern emanzipieren. »Das kann so weit gehen, dass in eine bestimmte Leistungsvereinbarung geschäftsrelevante Parameter wie ein pünktlicher Quartalsabschluss einfließen«, so Hoeffer. In die gleiche Richtung gehe die neue ITIL-Version 3, die nur noch zum Teil IT-Services im engeren Sinne behandle, ansonsten aber Services hinsichtlich ihres geschäftlichen Nutzens für das Unternehmen interpretiere. Der HP-Manager sieht den Dienstleister, unabhängig davon, ob ausgelagert werden soll oder nicht, in die Rolle des Servicemanagement-Beraters hineinwachsen. »Er wird zunehmend gefordert sein, für seine Kunden das Optimierungsprojekt ganzheitlich zu betrachten und messbar umzusetzen und dabei alle drei Komponenten – Prozesse, Menschen und Technik – einzubeziehen.« Hoeffer plädiert deshalb dafür, Sourcing als Teil einer umfassenden Geschäfts- beziehungsweise Service-Management-Strategie zu sehen, die ständig an die Geschäftsprioritäten angepasst werden müsse. Für die IT-Dienstleister heiße das, nicht nur ganzheitlich zu agieren, sondern auch flexibler als bisher auf Kundenanforderungen einzugehen.
Leistungsvereinbarungen für den gesamtProzess »Die immer komplexer werden Outsourcing-Szenarien erfordern ein nahtloses Zusammenspiel sämtlicher IT-Bereiche«, unterstreicht Torsten Straß, Country Manager von LogicaCMG in Deutschland. Denn Prozesse, die sich aus verschiedenen Applikationen zusammensetzten, machten während langer Vertragslaufzeiten von fünf bis zehn Jahren nicht vor Auslagerungsgrenzen Halt, sieht er voraus und meint: »Geschäftsprozesse, die heute noch über eine IT-Insel abgewickelt werden, können schon morgen Teil komplizierter Prozessabfolgen innerhalb des Unternehmens sein. Eine solche Multi-Sourcing-Konstellation, so Straß, sei nur auf Serviceebene und mittels entsprechender Leistungsvereinbarungen, die den gesamten Prozess abdeckten, zu bewerkstelligen. Für Ulrich Kemp, bei der Telekom-Tochter T-Systems verantwortlich für das Geschäft mit Groß- und Mittelstandskunden, steht außer Frage: »Die Akzeptanz von IT-Services ist unmittelbar mit der Qualität ihrer kontinuierlichen Bereitstellung verbunden.« Deshalb habe man sich bereits in Großkundenprojekten auf die höheren Serviceanforderungen eingestellt. Er nennt als Beispiel die Deutsche Post, die im Rahmen ihrer serviceorientierten Architektur besonderen Wert auf die Bereitstellung eines Service lege, der die volle Prozesskette abdecke. Weil Leistungsvereinbarungen, die eine vollständige, meist sehr komplexe Prozesskette umfassten, beim IT-Dienstleister einen höherem Aufwand bedeuteten und die Erfüllung mit mehr Risiken verbunden sei, entstünden natürlich für die Kunden höhere Kosten, erklärt Kemp. Er sieht darüber hinaus die IT-Dienstleister durch die Prozessorientierung ihrer Kunden noch in einer weiteren Hinsicht gefordert. Die Servicebereitstellung müsse nämlich an jeder Stelle der Prozesskette durch effiziente Zugriffskontrollmechanismen abgesichert werden.
Service direkt an den Endkunden Die IT-Dienstleister müssen weiter aufrüsten, um die Prozess- und IT-Serviceanforderungen ihrer Unternehmenskunden aufzunehmen. »Sie müssen vor allem bei der Servicebereitstellung schneller werden, wenn sie eine durchgängige Prozessoptimierung überwachen und garantieren wollen«, gibt Mustafa Doekmetas, Sales Director bei Dimetis, zu bedenken. Wartezeiten bis zu einer Woche, bis der Dienstleister endlich die Bereitstellung von IT-Kapazitäten an den veränderten Bedarf angepasst habe, seien viel zu lang. Er hat, um dieses Problem zu lösen, eine flexiblere Verfahrensweise im Auge. »Wieso nicht dem Kunden selbst unter der Browser-Oberfläche das Einrichten und Anpassen der externen IT-Kapazitäten überlassen«, fragt er. Mit speziellen Lösungen sei das zumindest für Netzkapazitäten schon heute möglich. Durch diese Möglichkeiten ergibt sich eine ganz neue Stellung für den Endkunden, auf die sich die IT-Dienstleister einstellen müssten. Letztere hätten in erster Linie die Aufgabe, für hochvolumige Anwendungen wie (mobiles) IP-Fernsehen Bandbreite bereitzustellen und das Netz professionell zu verwalten. Dazu seien ganz neue Kaliber von Netzwerkmanagementlösungen notwendig, die es aber schon heute in Ansätzen gebe.
Hadi Stiel ist freier Journalist in Bad Camberg.