IT-Dienstleistungen in vertikalen Märkten: Branchenkunden ? anspruchsvoll, aber der Mühe wert. Der Weg in die Branche ist für IT-Dienstleister ein steiniger, aber auch lohnender Weg. Er erfordert, sich intensiv mit den Problemen eines vertikalen Marktsegments auseinander zu setzen ? und dafür müssen zeitliche Ressourcen bereit gestellt werden. Dafür aber gleichen sich die Problemstellungen der einzelnen Kunden, was wiederum Zeit bei der Vorbereitung spart. Der Kunde honoriert Spezialistentum und wird Sie weiterempfehlen.
Co-Autorin: Astrid Poelchen
Branche ist nicht gleich Branchensoftware. Auch IT-Fachhändler, die Infrastruktur-Dienstleistungen anbieten, Komplettsysteme installieren oder auf Security spezialisiert sind, tun gut daran, gezielt eine bestimmte Branche zu bedienen. Denn eine klar umrissene Branche bedeutet eine homogene Zielgruppe. Frei nach dem Motto »Kenn? ich einen, kenn? ich alle«, muss die Verkaufsvorbereitung, also die Recherche um branchentypische Voraussetzungen, Defizite und Problematiken, die Einarbeitung in branchenspezifische Terminologie nur einmal geleistet werden. Das ist damit effizienter als sich in verschiedenste Branchen zu verzetteln.
Doch es ist nicht ganz einfach, sich als Spezialist in einer bestimmten Branche zu beweisen. Dahinter steckt eine Menge Arbeit: Erfolgreich eine Branche zu bedienen heißt nicht nur, eine passende Branchensoftware anzubieten oder ein Mailing an die Steuerberatungskanzleien der Region über ein günstiges Rechner-Bundle zu versenden. Es reicht auch nicht, nur technologisch fit zu sein, die aktuellen IT-Produkte und ihre Funktionsweise zu kennen, alle nötigen Zertifizierungen zu besitzen, um Firewall-, Storage- oder ERP-Lösung implementieren zu können. Ein IT-Spezialist für eine Branche muss die Prozesse und Abläufe der Unternehmen der Branche kennen, sowie deren Anforderungen und deren Probleme, die sich mit einer IT-Lösung beheben oder zumindest teilweise abschaffen lassen. »Die Ausrichtung auf eine Branche verlangt von einem Fachhändler sehr viel«, weiß Dirk Winter, Geschäftsführer vom ERP-Hersteller Softengine. »Dem Partner entstehen hohe Kosten und ein hoher Aufwand, denn er braucht dafür zusätzliche Mitarbeiter. Allerdings rechnen sich die Anfangsinvestitionen wieder, da der Fachhändler sich von den konkurrierenden Resellern abhebt.«
Dazu kommt: Branchenkunden sind fast durchgängig mittelständische Unternehmen. Und die sind anspruchsvoll: Sie fordern von ihren Dienstleistern, sich ganz persönlich auf sie einzulassen, sich überzeugend mit ihren ganz speziellen Problemen zu befassen, ihre Sprache zu sprechen und vor allem Know-how in der ihnen eigenen Branche vorweisen zu können. »Wenn wir die falsche Terminologie gebrauchen, haben wir uns schon disqualifiziert«, berichtet beispielsweise Jürgen Salzmann, Geschäftsführer Vertrieb bei der Fürther Mikronik GmbH. Und es kostet beträchtlichen Zeitaufwand und Nerven, beispielsweise einen IT-technisch unbeleckten Geschäftsführer eines schwäbischen 40-Mann-Unternehmens davon zu überzeugen, dass Security oder die neue Unternehmenslösung seiner Firma auch wirklich messbaren Mehrwert bringt und ihn damit wettbewerbsfähiger macht. Viel Wasser fließt die Donau hinunter, bis ein Vertrag unterzeichnet ist, wenn es überhaupt dazu kommt. Nicht selten passiert es, dass ein Kunde monatelang »beackert« wird und es nie zu einem konkreten Auftrag kommt.
Wie wird ein Systemhaus Spezialdienstleister für eine bestimmte Branche? Bei vielen spielt das Prinzip Zufall eine Rolle. »Letztlich ist die Entscheidung für eine Branche eine Bauchsache. Natürlich sollte man sich bereits ein wenig auskennen und einige Kundenprojekte realisiert haben, sonst kann man keinen Kunden überzeugen«, weiß Torsten Kauka, Geschäftsführer IT-Consulting Kauka, der vor allem produzierende Unternehmen zu seinen Kunden zählt. Doch dann heißt es einfach »arbeiten, arbeiten, arbeiten und jeden erreichbaren Branchenkontakt aktivieren«.
Gerade am Anfang stellt es eine Herausforderung dar, die nötigen Kontakte sowohl zu der potenziellen Kundengruppe als auch zu Multiplikatoren wie Verbänden herzustellen. Besonders geeignet für die Kontaktaufnahme innerhalb bestimmter Branchen erweisen sich die jeweiligen Branchenmessen. Hier eröffnet sich kompakt und auf einen Blick sowohl ein breites Akquisefeld als auch eine gute Gelegenheit, sich in Gesprächen mit den Besonderheiten des speziellen Geschäftsfeldes vertraut zu machen. Kauka erfuhr auch strategische Partnerschaften als sinnvoll ? er arbeitet beispielsweise eng mit dem TÜV zusammen.
Gerd Schäffer, Geschäftsführer von Opencom, verlässt sich gerne auf Mund-zu-Mund-Propaganda zufriedener Kunden und Geschäftspartner. Er hat sich außerdem im Softguide, einem Software-Katalog im Internet listen lassen, der nach Branchen und Themen sortiert ist. Kosten entstehen erst, wenn tatsächlich Anfragen kommen.
Wer in den Mittelstand will, muss also in die Branchen. Auch die großen Hersteller haben als neue Lieblingszielgruppe die Branchen entdeckt. Doch diese Entdeckung wird sie kaum weiter bringen ohne Hilfestellung ihrer Partner. Denn das Gros der Branchen in Deutschland setzt sich genau aus jenen mittelständischen Firmen zusammen, die zu erreichen. sie sich so schwer tun. Das beweisen die vielen gescheiterten Mittelstandsinitiativen. Deshalb werden jetzt die Partner bewusst vor den Karren gespannt, denn diese haben vielerorts bereits Zugang in vertikale Märkte.
Zu dieser Erkenntnis gelangte beispielsweise auch kürzlich der Software-Riese SAP: Seine Lösung für den großen Mittelstand »All in One« ist neuerdings nicht nur nach Branchen, sondern sogar nach Mikrobranchen ausgerichtet ? es gibt also nicht einfach eine Kategorie »Lebensmittelindustrie«, sondern »Bierbrauer«, »Süßwaren-« oder »Partygebäck-Hersteller«. Inzwischen definiert SAP Business-Pläne mit Partnern ganz explizit für einzelne Branchen, es wird festgelegt, wie viele Marktanteile und Umsatz ein Partner in einer Branche bringen soll. Diesen Weg schlägt auch Microsoft ein und sortiert seine Partner noch stärker in Unterbranchen ein. Mittelstands-ERP-Spezialist Sage präsentiert seinen Kunden einen Branchenlösungsführer, und Telefonaktionen der Hersteller adressieren ebenfalls verstärkt bestimmte Branchen.
Die Hersteller, deren Produkte der Fachhändler in die Branchen verargumentieren und verkaufen sollen, sind also auf ihn angewiesen. Deshalb sollten sich die Partner nicht scheuen, ihre Lieferanten auch für ihre Zwecke einzuspannen. Sinn machen beispielsweise gemeinsame Telefonakquise-Aktionen ? dabei profitiert der Händler von der Marketing-Power des Herstellers. Unterstützung bei Verbandsarbeit ist ebenfalls eine willkommen Hilfe: Denn der Kontakt und die Zusammenarbeit mit Verbänden ist zwar sehr effektiv, aber auch aufwändig und meist mit hohen Kosten verbunden. Auf jeden Fall eröffnen sich mit ein wenig Überlegung eine Vielzahl von Varianten, wie der Hersteller den Fachhandelspartner in seiner Branchenarbeit nach vorne bringen kann.