Smarthouse Pro: Was wäre eine mögliche Lösung bei der Erstellung von Schichtmodellen?
Lang: Ein Ansatz wäre es, zu versuchen, die Leute nach ihren Chronotypen einzuteilen und dann die Frühtypen mehr in der Frühschicht einzuteilen und in der Spät- oder Nachtschicht mehr die Spättypen einzusetzen. Die sind aber in der Bevölkerung so ungleichmäßig verteilt, dass man nicht genügend Leute kriegen würde, um praktisch alle Schichten rund um die Uhr gleichmäßig gerecht auszufüllen. Dazu kommen weitere Fragen wie: Sind die Leute bereit, ihre individuellen biologischen Merkmale typisieren zu lassen? Will ich, dass mein Arbeitgeber weiß, ob ich ein Frühtyp oder Spättyp bin? Bin ich bereit, meine beste Zeit dem Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen oder will ich vielleicht gerade nach getaner Arbeit meine Freizeit bei bester Leistungsfähigkeit genießen? Diese Fragen müssen gesellschaftlich beantwortet werden, nicht nur biologisch.
Smarthouse Pro: Wurde das schon einmal ausprobiert und die Arbeiten nach Chronotyp zugeteilt?
Lang: Viele Wissenschaftler haben bereits in dem Bereich geforscht. Es wurden die Chronotypen untersucht und dann die Leute entsprechend ihres Typs in Schichtmodelle eingeteilt. Es konnte nachgewiesen werden, dass es tatsächlich funktioniert und die Nachtschichtarbeiter mehr Schlaf bekommen, aber trotzdem haben sich die Leute am Ende nicht wirklich wohlgefühlt, weil sie gesehen haben, dass ihnen die soziale Komponente fehlt. Jemand, der immer Nachtschicht macht, weil es zu seinem Chronotyp passt, der sieht seine Familie und seine Freunde überhaupt nicht mehr.
Smarthouse Pro: Was sollte hier aus Ihrer Sicht verändert werden?
Lang: Die Themen Schichtarbeit und Human Centric Lighting sind miteinander verbunden — aber HCL ist nicht die Lösung für Nachtarbeit. Schichtarbeit muss politisch, gesellschaftlich angegangen werden. Und dann kann man versuchen, auf individueller Ebene mit den Chronotypen und mit Kleingruppen, individuelle Lösungen zu erarbeiten. Solange Schichtarbeit ein Massenthema ist, wird man nicht mit Lösungen kommen können, die dann für die breite Masse passen. Auch wenn HCL nicht die Lösung des Gesamtproblems darstellt, kann eine am natürlichen Tageslichtverlauf orientierte HCL-Beleuchtung aber den Tag-Nacht-Rhythmus für die in Früh-, Normal- oder Spätschicht Arbeitenden verbessern. Eine, zwei Nachtschichten von Zeit zu Zeit sind bei einem stabileren Tag-Nacht-Rhythmus viel weniger kritisch, wenn zwischendurch auch Zeit zur Regeneration bleibt.
Smarthouse Pro: Wer genau sollte den für entsprechende Konzepte und das Lichtmanagement in Unternehmen verantwortlich sein?
Lang: Licht erfüllt nicht mehr nur eine statische Aufgabe, es interagiert direkt mit der Gesundheit der Mitarbeiter. Seitdem wir wissen, wie wichtig Licht für die Gesundheit ist, müssten sich eigentlich die Gesundheitsverantwortlichen in den Unternehmen darum kümmern, dieses Potenzial auszuschöpfen und dafür sorgen, dass es den Mitarbeitern gut geht und sie sich wohlfühlen. So weit sind aber die wenigsten Unternehmen. Da bedarf es noch einer gewissen Entwicklung, bis der Wert des Lichtes an der Gesundheit und nicht an den Stromkosten gemessen wird – wobei eine moderne HCL-Beleuchtung mit LED tatsächlich weniger Stromkosten verursacht als eine bestehende klassische Beleuchtung.