Lintec: Der Weg zur Profitabilität wird schwer. Zwei Worte reichen Lintec-Vorstand Goletz, um den Zustand des Konzerns zu beschreiben: »drei Baustellen«. In puncto Profitabilität sieht es besonders mies aus. Außerdem belasten RFI und die Chipdeal-Affäre der Batavia das Unternehmen.
Das Ergebnis des ersten Quartals 2004 bei der Lintec AG, vorgelegt am vergangenen Freitag, bestätigte Vorstand Thomas Goletz, kräftig in die Hände spucken zu müssen: »Es gibt noch drei verbleibende Baustellen: Wir müssen operativ profitabel werden, das Problem der Bürgschaft für die RFI klären und möglichst bald mit der Chipdeal-Geschichte der Batavia zu einem Ende kommen.« Wenn es denn nur Baustellen wären. Die wirkliche Gefahr lauert in jedem einzelnen dieser drei Problemfelder. Vor allem das operative Geschäft, verbunden mit einem tragfähigen Konzept, muss mit Nachdruck verfolgt werden. Sonst droht der Konzern von einer Lawine ungelöster Probleme erdrückt zu werden. Trotzdem ist Goletz guten Mutes. »Das Eigenkapital der Lintec IT AG ist nach wie vor positiv, sonst müsste ich Antrag auf Insolvenz stellen.« Auf der anderen Seite aber wies der Konzern mit einem Fehlbetrag von 5,8 Millionen Euro ein negatives Eigenkapital aus. Und das hat sich auch im vergangenen Quartal nicht geändert. Bei einem Umsatz von 5,5 Millionen Euro betrug der operative Verlust 0,9 Millionen Euro ? das Betriebsergebnis (EBIT) wies minus 1,2 Millionen gegenüber 2,1 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum aus.
Das Dilemma, so Goletz, habe darin bestanden, »dass das Management in den letzten beiden Jahren fast 50 Prozent der Zeit investierte, um die Risiken der Lintec zu minimieren oder zu lösen. Diese Zeit fehlt natürlich im operativen Geschäft.« Deshalb tue er sich mittlerweile schwer, das Wort Restrukturierung in den Mund zu nehmen: »Weil wir das seit zwei Jahren sagen.« Viel wohler fühle er sich bei der Darstellung des Unternehmenskonzeptes, also bei den Erläuterungen zum Programm der »Lintec 2004«: Rückzug aus dem PC-Massenmarkt, dem besonders preisaggressiven Einstiegssegment. Dafür Konzentration auf hochwertige Server und PCs sowie PC-basierte Lösungen. Ein weiterer Punkt sind die Fertigungsanlagen, deren hohe Kapazität als Dienstleistung auch für andere Produzenten angeboten werden. Als dritten Punkt nennt er den »zügigen Ausbau des Geschäftes mit den Eigenmarken »Savestore« und »Spiffy«.
Im Gegensatz zur Vergangenheit ? Lintec verfügt über die beiden Vertriebsbereiche Retail und Fachhandel ? will sich das Unternehmen künftig intensiver um den Fachhandel kümmern. Dafür wurden Anfang dieses Jahres mehrere Händlerprogramme aufgestellt. »Wir werden in Zukunft den Resellern adäquate Leistungen anbieten, absolut lieferfähig sein und wettbewerbsfähige Preise kalkulieren«, verspricht der Vorstand.
Immerhin baue das Unternehmen seit Jahresanfang im Bereich Hifi einen High-End-Harddisc- und DVD-Rekorder für 8.000 bis 10.000 Euro. Das zeige, dass Lintec durchaus in der Lage ist, hochwertige Produkte zu fertigen. »Dafür haben wir uns von dem Thema, alles zu verkaufen, was der Handel will, und PCs bauen, was das Zeug hält, verabschiedet«, fügt Goletz hinzu.
Dies bedeutet natürlich auch Abschied nehmen von den Funktionen eines »Broadband-Distributors«. Zugleich bedauert er, dass aufgrund der fehlenden Liquidität der Handel mit Retailern eingeschränkt werden musste. »PC und PC-Bundle hat gut funktioniert und wird es auch künftig geben«, sagt er. Denn die Nachfrage sei vorhanden.
Als besonderen Trumpf zieht er die Karte mit dem Standortvorteil und den Produktionskosten aus dem Ärmel. »Unsere Kosten brauchen die Konkurrenz aus Osteuropa nicht zu scheuen. Wir haben beim PC Produktionszeiten zwischen 25 und 50 Minuten. Früher lag Lintec bei einer Stunde.« Außerdem seien viele Produktionsschritte automatisiert, wobei das Unternehmen Methoden aus der Automobilindustrie übertragen hat, um mit weniger Leuten mehr PCs zu produzieren.
Wichtig ist für den Vorstand, dass die leidige Chipdeal-Affäre der Batavia abgeschlossen wird. Lintec ist durch die Übernahme der Batavia in Passau in diesen Strudel mit hineingezogen worden. »Vor 15 Monaten haben wir mit dem Finanzamt eine Regelung über eine Bürgschaft vereinbart. Die ist mittlerweile von ehemals 10,5 Millionen Euro auf 2,7 Millionen begrenzt worden«, erläutert Goletz. Zugleich lobt er die Finanzbehörden, »die sich sehr kooperativ verhalten, was natürlich Vertrauen auf beiden Seiten voraussetzt«.
Im November vergangenen Jahres hat Goletz den Abschlussbericht zu Chipdeal erhalten. »Die Protokolle der Behörden sind 500 Seiten stark, lesen sich wie ein Krimi«, erinnert er sich. Angesichts der Sachlage und nach eingehenden Beratungen mit den Anwälten ist das Lintec-Management mittlerweile so weit, die Batavia AG nicht weiter zu führen.
Von der Batavia AG ist in Passau ohnehin »nur noch ein Gerippe übrig«, um den Garantieverpflichtungen und ähnlichem nachkommen zu können. Trotzdem ist Goletz immer wieder verblüfft, wie hoch der Bekanntheitsgrad des ehemaligen Komponenten- und Zubehör-Distributors ist. »Viele Leute nehmen am Schicksal des Unternehmens teil.«
Schwer belastet auch die RFI das Eigenkapital der Lintec AG. Denn der Konzern hatte 2002 und 2003 für die Millionenverluste gebürgt. Derzeit verhandelt Lintec mit den Banken über eine Entlastung des RFI-Darlehens. Die Signale der Kreditinstitute würden zu Optimismus Anlass geben, fügt Goletz hinzu. Gleichwohl lehnt er eine Rückzahlung über die gesamten Summe über etwa 13 Millionen Euro ab.
Unter Enthaftung verstehe er einen Erlass des Darlehens. Als Ausgleich könne er sich vorstellen, dass die Banken über Beteiligungen der Lintec-Tochter MVC (Mitteldeutsche Venture-Capital AG) entschädigt werden. Auf jeden Fall ist RFI operativ nicht mehr tätig, Anycom wurde verkauft. »Damit konnten wir Schulden abbauen«, erläutert der Lintec-Vorstand. Damit sei bereits ein wesentlicher Schritt des neuen Konzernkonzeptes erfüllt: »Assets verkaufen, die nicht zum operativen Geschäft gehören, um Lintec zu entschulden.«
Vorantreiben will er die Eigenmarken. Dazu gehört die 100-prozentige Lintec-Tochter Spiffy. Den Schwerpunkt bildet PC-Zubehör, vor allem Spiele und Spiele-Zubehör. »Wir haben bereits eine ganz Reihe neuer Produkte vor der Serienreife«, verspricht Goletz. Zu den Zukunftsthemen gehört auch die Marke Safestore, die von RFI übernommen worden ist. Unter diesem Brand werden Speichermedien für Mobile Computing, beispielsweise Speichererweiterungen für Notebooks angeboten. »Das kein großer, aber ein sehr seriöser Umsatz von drei bis vier Millionen Euro in einem starken und stabilen Markt«, freut sich der Vorstand. Ebenfalls Hoffnung legt er in die Wiederbelebung der Marke Noris. Unter dem früher von Batavia geführten Brand sollen vor allem die so genannten Konvergenzprodukte zwischen IT und UE angeboten werden.
Alles in allem hofft Goletz im laufenden Jahr einen Umsatz von 35 bis 40 Millionen Euro mit der Lintec IT AG erwirtschaften zu können. »Selbst wenn wir nichts ändern würden, könnte die Lintec IT AG überleben«, fügt er hinzu.
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