»Microsoft ist kein ernsthafter Wettbewerber«. ERP-Anbieter Sage hat im vergangenen Jahr vier große Unternehmen übernommen und erstmals mit einem Wachstum von fast 30 Prozent die Milliarden-Euro-Grenze überschritten. Peter Dewald, Geschäftsführer von Sage Deutschland, sprach auf der Cebit mit Computer Reseller News über die Konkurrenzsituation zu Microsoft und SAP sowie neue Geschäftsfelder für Fachhandelspartner.
Autor: Eberhard Heins
CRN: Douglas Burgum, Chef der Microsoft Business Solutions, sieht die Sage Group, also auch die von Ihnen geführte Sage Deutschland, aufgrund der niedrigen Investitionen in Forschung und Entwicklung nicht als starken Wettbewerber. Wie sehen Sie das?
Dewald: Jeder, der sich dazu äußert, sollte vorher in unseren Geschäftsbericht schauen. Im vergangenen Jahr haben wir 74 Millionen Pfund Sterling für R&D ausgegeben. Das entspricht elf Prozent von unserem Gesamtumsatz und 29 Prozent von unserem Software-Umsatz. In Bezug auf Herrn Burgum möchte ich darauf hinweisen, dass Microsoft erhebliche Ressourcen anders verteilt hat, um genau das zu machen, was Kunden vornehmlich wollen: ihr eingesetztes Produkt auf ein angemessenes Funktionalitäts- und Integrationsniveau zu heben.
CRN: SAP-Chef Henning Kagermann sieht Sage nicht von der Produktseite als Wettbewerber, aber seitens des Vertriebskanals. Stimmen Sie dem zu?
Dewald: Was den Vertriebskanal anbelangt, ja. Genau das ist es, was wir besser verstanden haben, als die meisten unserer Wettbewerber. Wir haben einen starken, fachhandelsorientierten Vertrieb, der genau das kann, was der mittelständische Kunde will: ihn vor Ort beraten.
CRN: Wen sehen Sie als Ihren stärksten Konkurrenten im ERP-Umfeld an?
Dewald: Da hat sich über die letzten zwei Jahre nicht viel geändert. Im Einstiegssegment ist Lexware der primäre Wettbewerber. Sie sind die Nummer eins, wir die Nummer zwei. Im unteren Mittelstand ist es eine Vielzahl von kleinen und wenig bekannten Herstellern.
CRN: Also nicht Business One (SBO) von SAP?
Dewald: Business One hat zwar jede Menge Presseaktivitäten, aber kein Geschäft. SAP hat 650 bis 700 Installationen in drei Jahren geschafft (in Deutschland, Anmerkung der Redaktion). Bei allem Respekt, das machen wir in vier bis fünf Monaten. Da kann ich nicht sagen, Business One ist wirklich relevant.
CRN: Und wie sieht es mit der Qualität des Produkts aus?
Dewald: Wir konnten in einigen Fällen SBO-Kunden zurückgewinnen, weil das Produkt nicht ihren Erwartungen entsprochen hat. Business One bekommt trotzdem sehr viel Publicity. Das liegt daran, dass es ein SAP-Produkt ist, sonst wäre es schon längst nicht mehr so relevant, ökonomisch ist es das bis heute nicht. Deswegen denken wir aber nicht geringschätzig über SBO, das ist ein ernst zu nehmender Wettbewerber.
CRN: Wie sieht Ihre Wettbewerbssituation im oberen Mittelstand aus?
Dewald: Navision zählt dazu. Das ist aber nichts Neues, sondern war schon früher so. Es gibt Tendenzen bei Microsoft, sich mit Navision in untere Marktsegmente zu begeben. Wir haben unser Portfolio dagegen massiv erweitert und uns zum vollwertigen ERP-Hersteller entwickelt. Wir können jetzt eine Komplettlösung inklusive CRM-Funktionalität und Produktionsplanung anbieten. Insofern sind wir heute für Navision ein stärkerer Wettbewerber als wir das vor drei Jahren waren.
CRN: Die Produktionsplanung hat Sage Deutschland von einem Partner eingekauft.
Dewald: Ja, es gab etliche Partner, die das angeboten haben, aber es gab kein komplettes Produkt von uns. Heute steht unsere gesamte Marketing- und Vertriebspower dahinter, und wir stoßen damit jetzt eben öfter auch auf Navision.
CRN: Wer sind Ihre Wettbewerber im reinen CRM-Geschäft?
Dewald: Super-Office ist sicherlich einer davon ? Microsoft nicht.
CRN: MS-CRM ist in Deutschland erst seit einem Jahr verfügbar und weist immerhin 200 Installationen vor.
Dewald: Dennoch ist Microsoft bislang kein ernsthafter Wettbewerber. Ähnlich wie SAP mit Business One im ERP-Umfeld, hat Microsoft im CRM-Geschäft nicht das erreicht, was sie ursprünglich erwartet haben.
CRN: Sage hat durch die neuen CRM-Angebote ACT! 7 Professional und Saleslogix Professional Lücken im Portfolio für den Mittelstand geschlossen. Welchen Marktanteil streben Sie im CRM-Geschäft an?
Dewald: Ich habe da keine konkrete Zahl im Kopf. Das Umsatzwachstum ist in diesem Bereich sicher zweistellig.
CRN: Sage bietet sowohl ERP-Anwendungen wie eine Fibu oder Warenwirtschaft an, als auch CRM-Pakete wie das genannte ACT! für kleine Unternehmen und Saleslogix für den Mittelstand. Wie verbindet Sage beide Software-Welten?
Dewald: Das verbindende Element ist unser Application Integration Server (AIS), den wir auch schon in deutschen Projekten einsetzen, beispielsweise bei der Integration von Saleslogix in unsere Office-Line. Dafür haben wir auch erste Referenzkunden.
CRN: Lässt sich auch die Classic-Line über den AIS-Server an Saleslogix anbinden?
Dewald: Derzeit noch nicht. Das wird aber kommen. Aus deutscher Sicht hat das für uns die zweite Priorität. Das spricht nicht gegen die Classic-Line, sondern ist eine Konsequenz der Kundenstruktur der Produktlinien. Die Office-Line hat mehr größere Installationen als die Classic-Line.
CRN: Werden Sie Saleslogix auch weiterhin als Stand-alone-Lösung anbieten mit einer Integrationsmöglichkeit in ERP-Pakete anderer Hersteller?
Dewald: Absolut. Wir haben etwa zwölf reine Saleslogix-Händler und 50 bis 60 ACT!-Certified-Reseller, die jetzt von der Sage-Organisation insgesamt betreut werden, aber weiterhin nur im CRM-Geschäft tätig sind. CRM ist ein weltweit einheitlicher Prozess, es macht keinen Sinn, in jedem Land ein anderes Produkt zu haben. Bevor Saleslogix zu uns kam, war ich kurz davor, einen lokalen Anbieter zu kaufen. Was wir jetzt haben, ist mit Abstand die bessere Alternative.
CRN: Der ERP-Markt konsolidiert sich weiter. Oracle und SAP rangeln um den Hersteller von Handels-Software Retek. Wie will Sage wachsen: durch Zukäufe oder Eigenentwicklungen?
Dewald: An unserer Strategie hat sich nichts geändert. Letztes Jahr haben wir vier große Unternehmen übernommen und damit erstmals mit einem Wachstum von fast 30 Prozent die Milliarden-Euro-Grenze überschritten.
CRN: Wie sieht die Umsatzentwicklung hier zu Lande aus?
Dewald: In Deutschland erwirtschaften wir etwas über 50 Millionen Euro Umsatz. In dieser Region haben hier wir eher integriert und konsolidiert. Wir beobachten aber den Markt und sind auch offen für Angebote.
CRN: Wie groß ist der Anteil des Wartungsgeschäfts am Gesamtumsatz?
Dewald: Knapp die Hälfte. Wir denken in Deutschland derzeit über ein paar interessante Möglichkeiten nach, dieses auszubauen. Remote-Dienstleistungen wären ein Ansatz. Das ist aber noch nicht spruchreif. In Spanien haben wir beispielsweise Security-Dienstleistungen in unser Angebot übernommen. Der andere Ansatz ist, dass wir in Deutschland gezielt Kunden ansprechen, die bislang keinen Wartungsvertrag haben, das gilt vor allem für das Einstiegssegment.