»Microsoft und Novell bewegen sich in einer Grauzone«
Die Branche scheint sich gegen Red Hat verschworen zu haben: Erst kündigt Oracle einen Support für die Distribution des Linux-Spezialisten an, dann verbündet sich der direkte Open-Source-Rivale Novell mit Microsoft. Indes befürchtet Werner Knoblich, Europachef von Red Hat, keinen negativen Einfluss auf das Geschäft, wie der Manager im Gespräch mit <i>CRN</i>-Redakteur Michael Hase darlegt.
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- »Wir sind auf Wachstumskurs«
CRN: Zwei Nachrichten bewegen den Open-Source-Markt: Oracle will künftig Support für die Red-Hat-Distribution anbieten, und Ihr direkter Wettbewerber Novell hat sich mit Microsoft auf eine Kooperation verständigt. Macht Sie das nervös?
Knoblich: Nein, die Nachrichten haben mich absolut nicht beunruhigt. Sie bestätigen vielmehr den Erfolg von Open Source und Linux. Wenn die beiden größten Software-Firmen der Welt innerhalb von acht Tagen ein klares Commitment zu Linux abgeben, erkennen sie damit das Betriebssystem als Zukunftsplattform an. Fangen wir bei Oracle an: Mit der Ankündigung wird mehr oder weniger das Ende der proprietären Unix-Plattformen eingeleitet. Genau genommen sagt Oracle damit, Linux ist tauglich für geschäftskritische Applikationen. Das wird den Trend zur Ablösung der klassischen Unix-Systeme beschleunigen. Obendrein bestätigt Oracle eindeutig die Technologieführerschaft von Red Hat.
CRN: Bedroht Larry Ellison aber nicht zugleich das Geschäft von Red Hat, wenn er Support für die Linux- Distribution Ihres Unternehmens ankündigt?
Knoblich: Was Larry Ellison behauptet, stimmt so einfach nicht. Kunden, die sich für das Oracle- Angebot entscheiden, sind von dem Moment an keine Red-Hat- Anwender mehr. Denn Oracle kreiert quasi eine neue Distribution, »Oracle Linux«, die zwar auf unserer Distribution basiert, die aber nicht mehr Red Hat Enterprise Linux ist. Weil Oracle eine Rekompilierung vornimmt und eigene Patches anwendet, entsteht ein so genannter Fork, eine eigenständige Distribution. Deswegen werden sämtliche Zertifizierungen der Hardware- und Software-Hersteller automatisch hinfällig. Für Kunden ist das ganz entscheidend. Ein Kunde wird SAP nicht auf einer Plattform laufen lassen, die nicht von SAP offiziell zertifiziert ist. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass die Walldorfer ihre Systeme für »Oracle Linux« zertifizieren werden.
CRN: Unterm Strich erwarten Sie also keine allzu große Nachfrage nach dem Oracle-Angebot?
Knoblich: Wenn ein Kunde ausschließlich Oracle-Software unter Linux einsetzen würde, könnte er »Oracle Linux« ernsthaft als Alternative in Betracht ziehen. Allerdings setzen die meisten Anwender genauso SAP, IBM Domino Server und zahlreiche Applikationen anderer Anbieter ein. Die meisten Kunden wollen durchgehend eine einzige Distribution einsetzen und haben kein Interesse, zwei Distributionen zu pflegen. Das müssten sie aber tun, wenn sie Datenbanken auf Oracle-Linux, und den Rest auf der Red-Hat-Plattform betreiben würden. Deshalb sehe ich dem sehr entspannt entgegen.
CRN: Was die zweite Ankündigung betrifft, die Kooperation zwischen Microsoft und Novell, so hat Ihr Unternehmen das Bündnis sofort scharf kritisiert. Warum?
Knoblich: Zunächst ist die Open- Source-Community absolut nicht glücklich über diese Ankündigung. Die Folgen sind im Einzelnen noch gar nicht abzusehen. Möglicherweise ist das Bündnis sogar für Novell gefährlich. Einige Schlüsselfiguren aus der Entwicklerszene, die bisher zu Suse Linux beigetragen haben, könnten nämlich umschwenken, weil sie die Machenschaften nicht unterstützen wollen. Der wechselseitige Patentschutz, mit dem Microsoft den Kunden, die Suse Linux einsetzen, einen Schutz vor Klagen garantiert, ist unter Lizenz-Experten umstritten. Selbst fachkundige Anwälte sind sich nicht sicher, ob sich das Agreement überhaupt mit der GNU General Public License (GPL) – dem gängigen Lizenzmodell für Open-Source-Software – vereinbaren lässt. Es sieht danach aus, als würden sich die beiden Unternehmen zumindest in einer Grauzone bewegen.
CRN: Woran stört sich Red Hat konkret?
Knoblich: Wir bezeichnen die Gelder, die zwischen Novell und Microsoft fließen, als »Innovation Tax« – also als eine Art Abgabe, die Innovationen verhindert. Denn Open Source muss offen für alle bleiben. Wir haben schon vor fünf Jahren unser Patent-Versprechen abgegeben. Danach stellen wir unsere Patente vorbehaltlos allen Open-Source-Nutzern zur Verfügung, nicht nur denjenigen, die die Red-Hat-Distribution einsetzen. Es darf jedoch nicht sein, das durch eine Vereinbarung nicht nur gewisse Open-Source- Produkte – in dem Fall Suse Linux – vor Patentklagen geschützt sind. Für Red Hat wäre ein solches Agreement deshalb »unthinkable« – absolut undenkbar!