Microsofts internationale Partnerkonferenz in Toronto

22. Juli 2004, 0:00 Uhr |

Microsofts internationale Partnerkonferenz in Toronto. Weltweit hat Microsoft weniger als fünf Prozent Marktanteil im ERP-Segment. Die Sparte, die in Deutschland mit den Produkten Navision und Axapta vertreten ist, macht bislang Verluste. Microsoft investiert daher im laufenden Geschäftsjahr 850 Millionen Dollar. Das gaben die Redmonder auf ihrer internationalen Partnerkonferenz in Toronto bekannt.

Microsofts internationale Partnerkonferenz in Toronto

Nur »magere« 471 Millionen Dollar hat das ERP-Geschäft »Microsoft Business Solutions (MBS)« in den ersten neun Monaten des vergangenen Geschäftsjahres (1. Juli 2003 bis 30. Juni 2004) zum Microsoft-Gesamtumsatz von 27,5 Milliarden Dollar beigetragen. Für 2008 sehen die Redmonder immerhin ein Umsatzpotenzial von 535 Milliarden Dollar. Wann das ERP-Geschäft Gewinne abwerfen wird, wagt Microsoft noch nicht vorauszusagen. Zurzeit ist das Ergebnis jedenfalls weit von der Profitabilität entfernt - und das wird sich zumindest in den nächsten zwei Jahren auch nicht ändern. »Auch im nächsten Jahr rechnen wir damit, mit unseren ERP-Produkten Geld zu verlieren«, gibt Doug Burgum, Senior Vice President MBS, auf der Microsoft-Partnerkonferenz in Toronto zu.

Bei Microsoft herrscht demnach dringender Handlungsbedarf. Vor allem seine Bekanntheit als ERP-Hersteller muss Microsoft dringend verbessern: Noch verbinden die wenigsten Kunden den Namen Microsoft mit ERP-Lösungen. Um dies zu ändern, sollen 850 Millionen Dollar in Marketing und Vertrieb sowie Forschung und Entwicklung fließen.

Orlando Ayala, Senior Vice President SMS&P und damit verantwortlich für Microsofts Mittelstandsgeschäft, steckt die Ziele hoch. »Wenn wir etwas erreichen wollen, dürfen wir uns nicht mit einigen hunderttausend Kunden zufrieden geben. Ich will zehn Millionen«, fordert der Manager, der 80 Prozent seiner Zeit in das MBS-Geschäft investieren will, von den in Toronto anwesenden Partnern. Diese Angabe fällt allerdings ? wenn überhaupt ? eher unter den Begriff Langzeitplanung.

Im ersten Schritt plant Microsoft mit etwa 14.000 Neukunden weltweit, ungefähr zehn pro Partner. »Im Navision-Umfeld war bislang eine Zahl von etwa sieben Usus. Allerdings war die Zahl nicht entscheidend, solange der Umsatz gestimmt hat«, erklärt ein Navisionpartner. Auch jetzt wird die Anzahl der Neukunden nach Angaben von Microsoft kein Fixum und auch nicht Bestandteil der Partnerverträge sein. »Die Zahl der Neukunden hängt davon ab, welches Produkt ein Systemhaus vertreibt. Im Axapta-Umfeld kann bereits ein Projekt ausreichend sein, die Lösung Navision für kleine Unternehmen hingegen lässt sich sicherlich in höherer Stückzahl verkaufen«, erläutert Microsoft-Pressesprecher Heiko Elmsheuser.

Microsoft will Axapta vorantreiben

Mit seinen Lösungen adressiert Microsoft kleine und mittelständische Unternehmen sowie Anwender aus größeren Firmen. Das Konzernumfeld, in dem eine SAP traditionell beheimatet ist, interessiert derzeit allerdings noch nicht.

Für diese drei Zielgruppen hat sich Microsoft mit den drei Produkten »Navision für kleine Unternehmen«, Navision und Axapta aufgestellt. Das ursprünglich als zeitlich begrenztes Angebot geplante »Navision für kleine Unternehmen« ist seit Toronto fester Bestandteil des Produktangebots. Das Paket adressiert Anwender mit bis zu fünf gleichzeitigen Usern und wird zum Fixpreis von 1.995 Euro pro PC-Arbeitsplatz angeboten. »Wir haben festgestellt, dass ein Großteil der 290 Installationen, die wir seit der Ankündigung von Navision für kleine Unternehmen im Februar verkauft haben, von Firmen mit nur zwei Concurrent-Nutzern eingesetzt wird«, erklärt Hans Zagler, der nach mehreren Jahren in der traditionellen Microsoft-Welt jetzt die Position Vertriebsleiter Mittelstands-Lösungspartner einnimmt.

Nicht alle Partner, die hohe Erwartungen in das Festpreispaket gesetzt haben, sind mit dem Abverkauf so zufrieden wie Microsoft. »Es kommt auf die Struktur an. Systemhäuser, die Mitarbeiter für das Paket ?Navision für kleine Unternehmen? abgestellt haben, sind in dem Bereich erfolgreich. Die Partner, die das Produkt einfach nur mitverkaufen, haben Schwierigkeiten«, weiß Zagler.

In Deutschland setzt er darauf, neue Partner zu gewinnen, die Betreuung der Systemhäuser zu verbessern und ihnen den Einstieg in das neue Partnerprogramm zu erleichtern, das erst Anfang Juli auf MBS-Partner ausgeweitet wurde. Systemhäuser sucht Microsoft für die Produkte Navision, Axapta und CRM. Ein Schwerpunkt wird auf dem Axapta-Geschäft liegen. Bislang kann MBS in Deutschland 500 Axapta-Kunden (im Gegensatz zu 12.500 Navision-Kunden) vorweisen. »Im Axapta-Umfeld sehen wir in Deutschland das größte Wachstumspotenzial«, erklärt Zagler. Dieser Meinung sind auch einige Partner. »Zurzeit generieren wir 70 Prozent unserer Umsätze mit Navision und 30 mit Axapta. Das wird sich in nächster Zeit aber ändern«, ist Kay Laukat, einer der Geschäftsführer beim Hamburger Partner Cabus, überzeugt.

Axapta adressiert Zielgruppen mit etwa 70 bis 400 gleichzeitigen Nutzern. Navision wird im Bereich bis zu 100 Concurrent Usern eingesetzt. »Die Positionierung von Axapta und Navision ist jetzt klarer als vorher. Deshalb kommt es nur selten zu interner Konkurrenz«, erklärt Frank Koydl, CEO beim Axapta Partner KCS.Net.

Was die Betreuung der Systemhäuser angeht, plant Zagler 15 neue Vertriebsmitarbeiter einzustellen. So verbessert sich die Situation von 15 Systemhäusern je Partnerbetreuer auf zehn pro Microsoft-Ansprechpartner. Ein neues Servicekonzept soll außerdem erhöhte Reaktionsgeschwindigkeiten auf Herstellerseite garantieren.

Green erst in sechs Jahren zu erwarten

Das lang angekündigte Projekt »Green« hat Microsoft zunächst vertagt. »Am liebsten würden wir gar nicht mehr darüber sprechen«, meint Burgum. Das verlangen auch die Partner, die bestehende Produkte verkaufen wollen. »Wir müssen jetzt Lösungen verkaufen. Es hilft nicht, wenn Kunden ihre Entscheidungen hinauszögern, weil sie auf eine Zukunftslösung hoffen«, erläutert Laukat.

Diese Gefahr besteht jetzt allerdings nicht mehr, denn die Microsoft-Plattform und das Microsoft Framework werden frühestens 2008 auf den Markt kommen. Green wird voraussichtlich noch ein, zwei Jahre später erscheinen und so lange kann kein Anwender warten. Aus diesem Grund hat Microsoft auch 130 Entwickler, die ursprünglich an Green gearbeitet haben, aus dem Team abgezogen. Stattdessen werden die Programmierer ihre Entwicklungen in die bestehenden Lösungen einfließen lassen.

Version vier von Navision und Axapta werden im vierten Quartal 2004 beziehungsweise im zweiten Quartal 2005 auf dem Markt erscheinen. Wie weit bereits ursprünglich für Green geplante Änderungen enthalten sein werden, ist noch unklar. Auf jeden Fall treibt Microsoft die Integration mit Windows voran. Das wird auch Zeit, da ISV-Partner bereits eine wesentlich tiefere Office-Integration anbieten als Microsoft selbst.

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Gemischte Gefühle bei Partnern

Die Partnerkonferenz in Toronto war die erste, die Systemhäuser aus dem MBS-Umfeld und traditionelle Microsoft-Fachhändler auf internationalem Niveau zusammengeführt hat. Die Meinungen der ERP-Partner gehen auseinander. Im Vergleich zu früheren Navision-Partnerveranstaltungen lässt das Niveau der Microsoft-Konferenz zu wünschen übrig, die Informationen sind mangelhaft. Darüber hinaus werden immer mehr Navision-Mitarbeiter in andere Positionen versetzt, mehr und mehr übernehmen Microsoft-Manager die Partnerbetreuung.

»Wir haben nicht das Gefühl erwünscht zu sein, vom Informationsgehalt bringt uns diese Veranstaltung nichts«, erklärt ein MBS-Partner, der lieber nicht genannt werden möchte, gegenüber CRN. Andererseits sind die Systemhäuser beeindruckt von der Aufmerksamkeit, die sie im Rahmen der einwöchigen Konferenz genießen. »Nur ungefähr 20 Prozent der anwesenden 5.000 Partner kommen aus dem MBS-Lager und unser Bereich wird in beinahe jedem Vortrag erwähnt«, freut sich Laukat. Außerdem wäre Microsoft sehr bemüht, was die Belange der ERP-Partner angeht.

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Kommentar

Microsoft hat das ERP-Geschäft zu einem zentralen Bestandteil seiner Strategie erklärt. Steve Ballmer will sich des Themas persönlich annehmen, Doug Burgum, Verantwortlicher für die MBS-Sparte, wird in Zukunft direkt an ihn berichten.

Davon abgesehen haben unterschiedlichste Microsoft-Topmanager auf der diesjährigen internationalen Partnerkonferenz hauptsächlich über MBS gesprochen. Und das, obwohl nur ein Fünftel der anwesenden Partner mit den ERP-Lösungen arbeitet.

Noch macht Microsoft allerdings nur Verluste mit den MBS-Produkten und steht deshalb unter enormem Erfolgsdruck, der an die Partner weitergegeben wird.

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INFO

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