Mal ganz ehrlich: Wer hat eigentlich nicht schon mal eines seiner Lieblingsmusikstücke kostenlos in Windeseile aus dem Web gesaugt, anstatt brav und umständlich dafür zu bezahlen?
Bisher hat die Musikindustrie dem Endverbraucher ja mit schlimmsten Repressalien gedroht, wenn er im Web den edlen Pfad der Tugend verlässt und sich in die rechtlichen Grauzonen von Rapidshare und Co begibt. Stattdessen wird dem Musikfreund der Einkauf in legalen Online Shops ans Herz gelegt. Es stellt sich dabei nur die Frage, wie oft der Endverbraucher denselben Song eigentlich noch kaufen soll. Nehmen wir als Beispiel den alten Stones-Kracher »I can’t get no Satisfaction«. Zuerst kaufte man den Song im Rahmen des Albums »Out of our Heads«, es folgen die Vinyl-Versionen von »Flash Point«, »Shine a Light« und »Live Licks«. Dann erschien plötzlich das neue Medium CD und man erwarb als treuer Fan natürlich die entsprechenden CD-Versionen. Dann kam der supertolle Dolby Surround Sound und die DVD. Die CDs mussten also umgehend durch DVDs subsituiert werden. Doch die Ruhe währte nicht lange: Die Stones haben bereits erste Blu-ray-Titel auf den Markt gebracht, der Sound soll besser sein, als alles, was man bisher gehört hat.
Wenn es nach der Musikindustrie ginge, müsste man sich denselben Song damit nun zum x-ten Mal wieder neu kaufen, wobei sich der Preis für eine Blu-ray im Vergleich zu einer Schallplatte mittlerweile mehr als verzehnfacht hat. Ich kann Mick Jagger nur beipflichten. Es ist in dieser Situation wahrlich schwierig, als Musikfreund die heiß ersehnte »Satisfaction« zu bekommen. Außerdem haben viele mittlerweile einen sündhaft teuren Hausfrauenkredit aufgenommen, da sich das Hobby Musikhören allein mit einem Gehalt nicht mehr finanzieren lässt. Doch während man nun also geplagt von finanziellen und moralischen Problemen dasitzt und darüber grübelt, wie es in Zukunft mit dem Musikhören weitergehen soll, erreicht uns plötzlich eine Nachricht, die überrascht: Dieselbe Musikindustrie, die jahrelang erbarmungslos gegen illegale Downloads vorgegangen ist, schaltet nun Werbung bei Youtube: Die Unterhaltungsindustrie erweist sich außerhalb ihrer Kernkompetenz als ungewohnt kreativ, indem sie aus dem alltäglichen Copyright- Verstoß im Netz ein neues Geschäftsmodell generiert, das nicht auf irrwitzigen Abmahnungsgebühren basiert. Branchenriesen wie Universal Music oder Electronic Arts versuchen nicht länger, die Youtube-Betreiber zum Entfernen von illegalen Inhalten zu zwingen, sondern schalten lieber in deren Umfeld ihre Anzeigen.
Kein Zweifel: Es bewegt sich was im Netz. Ich glaube, ich werde in Zukunft nicht mehr so dämlich sein, mir denselben Song zum hundertsten Mal auf einem neuen Super-Ultra-High- Quality-Mega-High-Definition-Medium zu kaufen. »Viva la revolución«.