Management-Umbau bei Ingram Micro, Jochen Erlach auf 100-Prozent-Channelkurs, Begriffs-Dschungel MPS verwirrt. Diese und mehr Themen diese Woche in CRN.
Editorial
Vermutlich würden die meisten Menschen in der Münchner Fußgängerzone rat- und achtlos an einem Laden vorbeigehen, in dessen Schaufenster die Silhouette einer amerikanischen oder wahlweise chinesischen Millionenstadt zu sehen ist, zu der in gleißendes Licht getauchte Highways führen. Nicht viel aufschlussreicher wäre der Slogans »Ihr Unternehmen kann mehr«, und wahrscheinlich würden die Menschen das Filialgeschäft von SAP in bester Innenstadtlage für die Niederlassung einer ambitionierten Zeitarbeitsfirma halten, die – wie es in dieser Branche üblich ist – großes verspricht und letztlich wenig hält. Hasso Plattner, Gründer und Aufsichtsratschef des größten europäischen Softwareherstellers, hat dem Management gründlich die Leviten gelesen.
Globale Kampagnen, wie die letztes Jahr gestartete Werbeoffensive, haben das Image von SAP nicht positiv verändert: SAP verliert weiter an Attraktivität bei jungen Fachkräften, Kunden drohen wegen benutzerunfreundlichen Anwendungen mit Rückzug, der Vertrieb über einen eigenen Webshop wird nur halbherzig umgesetzt. Plattner will Taten statt nutzloser Imagekampagnen sehen.
Und er will SAP vor allem dort sehen, wo Apple oder Microsoft schon sind: In Großstädten mit eigenen Ladengeschäften oder gleich ganzen Gebäuden mit Showroom und Büros für die jugen Wilden der Branche, wie es Microsoft in Berlin plant. SAP Flagship Stores bald in New York, Rio, Tokyo? Eine kühne Idee für einen Softwarehersteller, der keine Produkte für Konsumenten anbietet und alles andere als Emotionen für seine Geschäftsanwendungen wecken kann. Vielleicht ist aber genau das der Grund, warum Plattner den drögen und trägen Konzern SAP in die urbanen Zentren verorten will. Dort, wo Startups unkonventionell experimentieren, kreative Köpfe leben und arbeiten, Netzwerke und Politik tätig sind.
Mit den besten Grüßen
Martin Fryba
CRN-Chefredakteur