Software sorgt für transparente Personal-Logistik. Künftig gelten die Bereitschaftsdienste von Ärzten als Arbeitszeit. Die Kliniken müssen für deren Bezahlung zusätzliche Gelder bereitstellen. Intelligentes Personalmanagement könnte den Krankenhäusern jedoch so manchen Euro sparen und die Mitarbeitermotivation verbessern helfen.
Der Europäische Gerichtshof hat gesprochen: Auch in Deutschland müssen die Träger von Krankenhäusern künftig die Bereitschaftsdienste ihrer Ärzte als Arbeitszeit anerkennen. Das Gesundheitswesen rechnet mit zusätzlichen Kosten in Milliardenhöhe. Der effiziente und kostenoptimierte Einsatz von Ärzten und Pflegepersonal gewinnt damit noch mehr an Bedeutung. Bereits unter der momentanen Gesetzessituation zählt die Arbeitszeitverwaltung in Krankenhäusern auf Grund von Schicht- und Bereitschaftsdiensten zu den ganz großen Herausforderungen im Personalmanagement.
Einer aktuellen Studie des Anbieters von Personalmanagementsoftware Atoss zufolge schwankt etwa die Anzahl betreuter Patienten je Nachtwache zwischen 15 und 36. Abweichungen bis zu 50 Prozent zeigen sich laut Erhebung auch beim Anteil der Pflegekosten des Pflegedienstes am Umsatz (22 bis 33 Prozent) sowie bei den Personalkosten für die Pflege des Patienten (400 bis 600 Euro). Atoss wertet die Ergebnisse als ein Indiz für den steigenden Bedarf von Kliniken im Personalcontrolling.
Diese Anforderung haben bereits die Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) erkannt. Über 2500 aktiv beschäftigte Mitarbeiter versorgen in den HSK im hessischen Wiesbaden fast 40 000 Patienten pro Jahr. Rund um die Uhr, sieben Tage pro Woche ist die nahtlose Betreuung und Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Dahinter verbirgt sich ein immenser Personalaufwand, bei dem gesetzliche und tarifvertragliche Bestimmungen beachtet werden müssen. In der Vergangenheit wurden zuschlagspflichtige Arbeitszeiten am Ende jeden Monats per Hand ausgewertet und an die Personalabteilung übergeben. Dort waren diese Daten einschließlich der Fehlzeiten manuell in das Lohnabrechnungssystem einzugeben, was nicht nur einen erheblichen administrativen Aufwand verursachte, sondern auch Informationsverluste zur Folge hatte. Mit Hilfe einer integrierten Software für das Arbeitszeitmanagement wollte man eine zentrale Datenhaltung schaffen, um auf diese Weise die Planung und das Controlling der geleisteten Arbeitszeiten zu verbessern und die Datenerhebung zur Lohnabrechnung zu vereinfachen. Gewünscht war außerdem mehr Transparenz, was den tatsächlichen Personalbedarf und die zur Verfügung stehenden Ressourcen angeht. Wichtigstes Kriterium bei der Auswahl der Software stellte die Verknüpfung von Echtzeiterfassung und Dienstplanung sowie die Installation einer Schnittstelle zum bestehenden Lohn-, Gehalts- und Personalmanagement-System SAP HR dar.
Das Ende der Zettelwirtschaft
Als die Entscheidung Anfang 2001 auf Atoss Medical Solution fiel, wurde die Software zunächst im Rahmen einer Pilotstudien/studie für rund 700 Mitarbeiter aus verschiedenen Bereichen der HSK eingesetzt. Ziel dieser Pilotanwendung war es, die neu geschlossenen Betriebsvereinbarungen hinsichtlich ihrer Umsetzbarkeit zu überprüfen und die Auswirkungen einer EDV-gestützten Arbeitszeitplanung, Dokumentation und Abrechnung festzustellen. Für die Implementierung der Software und der Zeiterfassungsterminals wurde ein Stufenplan erstellt, der festlegte, wann welcher Bereich angeschlossen werden sollte.
Die elektronische Dienstplanung kommt seither vor allem in den Bereichen zum Einsatz, in denen die Arbeitszeitformen Schicht-, Bereitschafts- und Rufbereitschaftsdienst an der Tagesordnung sind. Dazu gehören neben dem ärztlichen Dienst der gesamte Pflegedienst, die Mitarbeiter des medizinisch-technischen Dienstes und der Haustechnik. Auf den Stationen sind die Stationsleitungen und deren Vertretungen mit der Dienstplanung betraut. Das System ermöglicht es den Zeitverantwortlichen, Mindest- und Höchstbesetzungen festzulegen. Bei Abweichungen, zum Beispiel Verletzungen der Ruhezeiten, werden automatisch Warnungen erzeugt, die dann zu bearbeiten sind. Die über die Software geführten Zeitkonten unterstützen außerdem einen flexibleren Personaleinsatz. Stefan Löhr, stellvertretender Leiter des Personalmanagements in den HSK: "Durch die Zeitkonten vermeiden wir unnötige Überplanungen, nur um auf eine exakte 38,5-Stunden-Woche zu kommen. Der Bundes-Angestelltentarif (BAT) sieht eine recht flexible Regelung der Arbeitszeit vor. Diese ist innerhalb einer Zeitspanne von 26 Wochen zu erbringen, was erheblichen Spielraum für betriebsbedingte Anpassungen zulässt."
Stefan Löhr, stellvertretender Leiter des Personalmanagements in den Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken: "Von einem effizienten Steuerungsinstrument erwarten wir, die Arbeitszeiten so verteilen zu können, dass sowohl der betriebliche Bedarf als auch die persönlichen Wünsche der Mitarbeiter besser berücksichtigt werden."
Foto: Dr.-Horst-Schmidt-Kliniken
In den HSK wurde in einer Betriebsvereinbarung festgelegt, dass die Dienstpläne der Mitarbeiter auch kurzfristig in begrenztem Umfang und innerhalb eines definierten Zeitrahmens verändert werden dürfen, wenn es die Arbeits- und Personalsituation erfordert oder erlaubt. So können innerhalb eines Dienstplanungszeitraumes maximal zwei geplante Dienste bis 24 Stunden vor Arbeitsbeginn abgesagt werden. Das elektronische Zeiterfassungssystem liefert wertvolle Informationen darüber, wer vorrangig Zeit abbauen muss und welche personellen Rahmenbedingungen dafür zur Verfügung stehen. Gleichzeitig erhalten die Beschäftigten ein höheres Maß an Zeitsouveränität. Löhr kommentiert: "Zunächst muss der Vorgesetzte feststellen, ob es im Einklang mit der Arbeitssituation steht, wenn der Mitarbeiter geht. Im weiteren Entwicklungsprozess sollen die Beschäftigten jedoch mehr Eigenverantwortung zeigen und selbst erkennen, wann Zeitabbau notwendig und möglich ist. Dass dann bei Arbeitsspitzen wieder Personalressourcen frei sind, kommt der gesamten Belegschaft zu Gute und schützt vor Überlastung und Mehrkosten." Löhr blickt in die Zukunft: "Unser langfristiges Ziel ist es, eine größere Zeit- und Einsatzflexibilität zu haben, um auch einen kurzfristigen Bedarf mit dem aktuell anwesenden Personal abdecken zu können. Dann soll es nicht mehr vorkommen, dass wir Mitarbeiter aus der geplanten Freizeit holen müssen." Sein Resümee ist durchweg positiv: "Mehr Transparenz und Flexibilität in der Arbeitszeitsituation - das war unser Ziel." Viele Ärzte kehrten, so Löhr, den Krankenhäusern den Rücken, weil die Arbeitszeiten zu lang, starr und wenig attraktiv sind. Das muss seiner Ansicht nach nicht sein: "Ein effizientes Steuerungsinstrument kann uns dabei helfen, die Arbeitszeiten so zu verteilen, dass sowohl der betriebliche Bedarf als auch die persönlichen Wünsche der Mitarbeiter besser berücksichtigt werden. So schaffen wir für unsere gesamte Belegschaft bessere Arbeitsbedingungen und sichern gleichzeitig die Qualität der Patientenversorgung."