Kommentar zu iPhone 5 - Warteschlangen

Von Mäusen und Menschen

21. September 2012, 15:26 Uhr | Folker Lück
Riesige Warteschlange: Wer sich für ein iPhone in die Schlange stellt, der ist nicht »cool«! (Foto: photobank.kiev.ua / Fotolia.com)

Und wieder haben sich rund um den Globus Menschenmassen vor den großen Handy-Stores versammelt, um am Erstverkaufstag ein neues iPhone zu ergattern. Aber ist man wirklich »cool«, wenn man für ein neues Mobiltelefon auf der Gehwegplatte übernachtet?

»Von Mäusen und Menschen« ist ein Roman des amerikanischen Schriftstellers John Steinbeck. Das im Jahr 1937 erschienene Buch beschreibt die Geschichte zweier Wanderarbeiter, die von einem besseren Leben träumen. Es geht um den »American Dream« und – soviel sei verraten – es hat kein Happy End. Doch was hat das mit den Warteschlangen von den Apple-Läden zu tun? Zugegeben: Erst einmal wenig! Zu den Fan-Schlangen vor den Apple-Shops kann man inzwischen ja sagen »Same procedure as every year«. Für manche Menschen ist es so eine Art Kult geworden, sich für das neue Handy des Herstellers mit dem Apfel-Logo in eine lange Schlange anzustellen, damit man zu den ersten, stolzen Besitzern der Produktneuheit gehört.

Ist man Betreiber eines Innenstadt-Handystores, kann man sich über so viel Andrang natürlich nur freuen. Der befreundete Shopleiter eines solchen Stores baut schon am Vorabend Absperrbänder auf, damit es nicht zu Streitigkeiten oder gar Schlägereien im Laden kommt. Und dann klingelt am Tag X selbstverständlich die Kasse – wenn auch nicht ganz so kräftig wie bei Apple selbst. Nebenbei bemerkt: Natürlich gelingt die »Operation neues iPhone« nur dann, wenn Hersteller bzw. Distribution genügend Geräte geliefert haben. Seit jeher ein Problem – nicht nur bei Apple.

Kurzum: Als Händler wäre man blöd, wenn man dieses lukrative Geschäft nicht mitnehmen würde. Es gibt schlechteres, als wenn die Kunden Schlange stehen! Auch Apple wäre verrückt, nicht solange wie möglich auf der Hype-Welle mitzuschwimmen. Und egal, ob man für Apple Sympathien hegt oder nicht: Irgendwann werden auch die Kalifornier wieder in etwas normaleres Fahrwasser kommen und ein anderer Stern wird am IT-Himmel schillern.

Bleibt zuletzt der Blick auf die Leute in der Schlange: Was treibt diese Menschen an, sich dort für ein Mobiltelefon stundenlang anzustellen oder gar auf der Gehwegplatte zu übernachten? Outet man sich nicht als eine arme Wurst, wenn man nichts Besseres zu tun hat? Früher haben Menschen angestanden, weil sie Lebensmittel ergattern wollten - um nicht zu verhungern. Das gibt es in manchen Gegenden dieser Welt übrigens auch heute noch. Deshalb: Wer sich heute für ein iPhone (oder ein Samsung Galaxy S3) in eine lange Schlange stellt, der ist nicht »cool«!

Vielmehr signalisiert man damit aus meiner Sicht, dass man sich nicht für die schwierigen Arbeitsbedingungen bei der Herstellung dieser Produkte interessiert. Ebenso ist es den Schlangestehern egal, dass Smartphones selbstverständlich viel länger als ein oder zwei Jahre halten und die Massenproduktion unnötig Umweltressourcen aufbraucht. Und nicht zuletzt signalisieren die Schlangesteher, dass sie bei ihren Freunden nach Anerkennung lechzen und sie womöglich beides - weder Freunde, noch Anerkennung - nicht bekommen. Sie sind viel reicher als die Wanderarbeiter in Steinbecks Roman. Aber auch sie träumen von einem besseren Leben, das ihnen jedoch das neue iPhone nicht bescheren wird.


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