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Jobwechsel

Was ist mir im Leben wichtig?

Autor:Peter Tischer • 29.5.2014 • ca. 2:00 Min

Den Fehler von Steger begehen gut qualifizierte Fach- und Führungskräfte immer wieder, betont Michael Schwartz vom ilea-Institut für integrale Lebens- und Arbeitspraxis, Esslingen. Sie reflektieren nicht ausreichend, was eine neue Stelle konkret bedeutet. Zum Beispiel mehr Arbeit. Mehr Stress. Mehr Reisen. Ein höheres Kündigungsrisiko. Eine extreme Spezialisierung, die sich langfristig als berufliche Sackgasse erweisen könnte.

Und was sie noch weniger reflektieren, ist: Passt der neue Job zu meiner Lebensvision beziehungsweise meiner Vorstellung von einem erfüllten Leben? Zum Beispiel: Macht mir die Arbeit voraussichtlich langfristig Spaß und erachte ich sie als sinnvoll? Kann ich abends zuhause bei meiner Familie sein? Kann ich weiterhin meinen Hobbies frönen? Kann ich mich spontan mit Freunden treffen? Dabei wäre dies wichtig. Denn wenn eine Führungskraft mit ihrem Leben unzufrieden ist, sind ihre Akkus schnell leer. Also erbringt sie auch keine Top-Leistungen mehr.

Ähnlich sieht dies Steger rückblickend. »Klar«, sagt er, »der Salesmanager-Job war stressig. Doch das ist jede exponierte Führungsposition. Deshalb wird sie ja auch gut bezahlt.« In Hamburg, dessen ist sich Steger sicher, hätte er den Job problemlos gemeistert. »Doch ich kam mit dem ewigen Hin und Her zwischen Hamburg und München nicht klar. Ich bin ein Familienmensch und brauche meinen Heimathafen.«

Den braucht nicht jeder. Kai Diemler würde zum Beispiel seinen Heimathafen im hessischen Städtchen Kronberg gern seltener sehen. Der Betriebswirt verlor vor sechs Jahren in Folge einer Umstrukturierung – »nach zwölf Jahren« – seinen Job als Geschäftsführer der deutschen Niederlassung eines internationalen Automobilindustriezulieferers.

Nach fast einem Jahr erzwungener Auszeit nahm er eine Stelle als Geschäftsführer bei einem mittelständischen Baumaschinen-Hersteller an, obwohl er wusste: Dessen Inhaber hat in den zurückliegenden vier Jahren drei Geschäftsführer verschlissen. Fortan pendelte Diemler zwischen dem Wohnort seiner Familie und dem 400 Kilometer entfernten Standort des Unternehmens hin und her. Was weder ihm, noch seiner Frau etwas ausmachte.

Doch circa 15 Monate später stand Diemler erneut auf der Straße – vermutlich weil dem 77-jährigen Firmeninhaber, wie er sarkastisch sagt, »meine gestreiften Krawatten nicht mehr gefielen«. Es folgte eine weitere erzwungene Auszeit von über einem Jahr, bevor Diemler Geschäftsführer bei einem Start-up in Bayern wurde. Also pendelte er erneut. Bis er circa 1,5 Jahre später wieder auf der Straße stand. Dieses Mal, weil er sich mit der Private-Equity-Gesellschaft, die das Start-up finanzierte, über dessen Strategie zerstritten hatte.

Und seitdem hat Diemler ein »echtes Problem« . Denn wenn er sich nun als Geschäftsführer irgendwo bewirbt, dann kann er in den Augen seiner Gegenüber regelrecht die Frage lesen: Warum wurde der in nur sechs Jahren drei Mal gefeuert? »Dass ich zuvor ein Dutzend Jahre erfolgreich Geschäftsführer bei dem Automobilindustriezulieferer war, nimmt niemand mehr wahr. Ich bin heute für die Unternehmen«, konstatiert Diemler bitter, »bestenfalls noch zweite oder gar dritte Wahl.«