Nicht nur die führenden Halbleiterhersteller wie Intel und Motorola erwarten, dass 2008 der kommerzielle Erfolg von Wimax seinen Anfang nehmen wird. Auch zahlreiche Marktforscher stellen der Drahtlostechnologie sonnige Prognosen. So erwartet beispielsweise Juniper Research bis 2013 rund 80 Millionen Nutzer weltweit, wobei vor allem die mobile Wimax-Variante den Ausschlag geben soll.
Eine seltsame Szenerie: Wimax-Provider bauen in vielen Teilen der Welt eine Infrastruktur auf,
für die bislang kaum Endgeräte existieren. Eine deutlich wahrnehmbare Erhöhung der Taktzahl an
Statements einschlägiger Hersteller, die in Kürze mit ihren Wimax-Chipsets und kompletten -Clients "
Leben in die Bude" bringen wollen, lässt die Spannung wachsen. Hinter dem Vorhang erwartet die
Fachwelt nicht weniger als den Anbruch einer neuen Breitbandära, die auch mobile Nutzer ohne
Kompromisse mit hohen Datenraten unterstützt.
Ermöglichen soll dies Wimax in der Variante IEEE 802.16e-2005, dem nach wie vor jüngsten Spross
der Wimax-Standardfamilie. Gegenüber seinem Vorgänger IEEE 802.16d-2004 bringt 16e gewisse
Roaming-Fähigkeiten mit – Voraussetzung für die nahtlose Kommunikation mit sich bewegenden
Objekten. Eigentlich sollte längst ein Nachfolger definiert sein, der technisch auf mobile Clients
optimiert ist und auch bei Geschwindigkeiten bis zu etwa 300 km/h nicht die Flügel streckt – die
Handover-Verfahren bei 16e reichen bestenfalls für Geschwindigkeiten bis 50 km/h. Dies ist zu wenig
für mobile Clients beispielsweise in einem Auto und ein klares Manko gegenüber UMTS, der aus der
Sprachwelt stammenden Mobilfunktechnik, die inzwischen offen als direkte Konkurrenz zu Wimax 16e
gesehen wird.
Doch die für die nächste Wimax-Generation bereits im Jahr 2001 eingesetzte Arbeitsgruppe
802.20/21 brachte in all den Jahren wenige Ergebnisse, dafür aber viele Streitereien hervor. Im
Sommer 2006 wurde die Arbeitsgruppe sogar vorübergehend aufgelöst. Erst im Frühherbst 2006 trat sie
in neuer Besetzung und mit geänderten Vorgaben wieder ins Amt. Laut aktuellem Zeitplan soll der
Standard nun Mitte 2008 ratifiziert werden. Produkte dafür wird es frühestens ein Jahr danach geben
– bis diese durch das Wimax-Forum getestet sind, vergeht mindestens ein weiteres halbes Jahr.
Vor diesem Hintergrund setzen heute fast alle Hersteller und Provider bei ihren aktuellen
Produktentwicklungen und Ausbauprojekten auf 802.16e, zumal die Erfahrungen belegen, dass Zeitpläne
nicht unbedingt viel mit der Realität zu tun haben. Hier waren es vor allem die aufwändigen
Verfahren für die Zertifizierungstests, die immer wieder Verzögerungen bewirkt haben. Doch es
existieren auch noch Verfechter des 16d-Standards – praxiserprobte Produkte zu günstigen
Konditionen sind schlagkräftige Argumente. Natürlich muss der Businessplan dabei langfristig auf "
Fixed Wireless" abzielen.
Ein Beispiel dafür ist etwa Televersa. Der im niederbayerischen Töging ansässige Provider
versorgt schon heute zahlreiche DSL-freie Gemeinden und Ortschaften in Südostbayern mit drahtloser
Breitbandtechnologie – bis Mitte 2007 sogar ausschließlich auf der Basis einer proprietären
WLAN-Technik im freien 5-GHz-Band. Erst seit vergangenem Sommer rüsten die Niederbayern parallel
Wimax nach – eben im älteren 16d-Standard. Sie zielen damit auf stationäre Anwender, die ihre
Clients (primär PCs und IP-Telefone) über ein Access-Gateway mit dem Netz verbinden.
Während die Clients in diesem stationären Szenario physisch lediglich mit dem Access-Gateway
kommunizieren, stehen mobile Clients direkt mit dem Provider in Kontakt. Hier besteht die zwingende
Notwendigkeit, dass beide Seiten exakt die "gleiche Sprache" sprechen. Vor dieser Herausforderung
stehen über kurz oder lang Provider wie etwa Deutsche Breitbanddienste (DBD). Das Unternehmen
gehört – wie Televersa – zu den insgesamt fünf Gewinnern von Wimax-Lizenzen, die im Dezember 2006
unter der Leitung der Bundesnetzagentur (BNetzA) versteigert wurden. DBD besitzt allerdings eine
bundesweite Lizenz, während sich Televersa ausschließlich um Südostbayern (Regionen Oberpfalz und
Niederbayern) bewarb. Wie Televersa hat DBD in bestimmten Regionen schon seit Längerem
Wireless-Access-Lösungen in Nicht-Wimax-Funktechnik beziehungsweise mit Wimax 802.16d in Betrieb.
Der großflächige Ausbau ist allerdings in 16e-Technik geplant oder schon im Gang, denn anders als
Televersa will sich DBD auch ein Stück vom Mobilfunk-"Kuchen" abschneiden.
Große Rätsel geben indes die Gewinner von Wimax-Lizenzen auf, die als Unternehmen neu in den
deutschen Markt eingetreten sind. Insbesondere Clearwire Europe und MGM Productions Group etwa
besitzen bis heute weder eine deutsche Website noch eine deutsche Telefonnummer, geschweige denn
eine deutsche Niederlassung. Clearwire verfügt über eine Lizenz für das gesamte Bundesgebiet, MGM
für Oberbayern. Inquam Broadcom – Ableger des kalifornischen Halbleiterherstellers Nextwave und
ebenfalls ein Gewinner bundesweiter Lizenzen – hat immerhin Anfang 2007 eine GmbH gegründet und
eine deutsche Website an den Start gebracht. Besonders öffentlichkeitsfreudig ist man hier
ebenfalls nicht, dies allerdings mit Methode: Ziel des Unternehmens sei es nicht, Imquam in
Deutschland als Provider populär zu machen, vielmehr sei eine Art Holding-Modell angestrebt, bei
dem geeignete Provider als Partner in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden sollen. Die
Partnerschaft sei im einfachsten Fall ein reiner Lizenz-Deal, bevorzugt aber eine tiefer gehende
Geschäftsbeziehung, bei der sich Inquam als Beteiligungsgesellschaft für den Aufbau der
Infrastruktur sowie für die Entwicklung von Geschäftsmodellen und Services sieht.
Als jüngstes Resultat einer solchen Partnerschaft trat Ende November 2007 die saarländische VSE
Net an die Öffentlichkeit. Gemeinsam mit dem Technologielieferanten Alcatel-Lucent verkündete das
Unternehmen den Start des "ersten kommerziellen Wimax-Netzes in Deutschland", wie es in einer
Erklärung hieß. Über diesen Wortlaut lässt sich sicher streiten, denn VSE-Net-Partner Inquam war
zumindest als Lizenzgeber schon bei Neckarcom beteiligt, die im Ulmer Hinterland bereits seit
einiger Zeit Wimax-Dienste für Privat- und Geschäftskunden anbieten. Bis Ende Januar 2008 soll die
Infrastruktur bei VSE Net vor allem in den ländlichen Regionen im Norden des Saarlands aufgebaut
sein – nach insgesamt nur vier Monaten Bauzeit. Inquam ist zwar beteiligt, hält sich aber – wie
schon bei Neckarcom – dezent im Hintergrund. In der ersten Ausbauphase werden voraussichtlich ab
Januar 2008 Telefonie und schnelles Internet sowie andere Datenanwendungen für Privat- und
Unternehmenskunden im Norden des Saarlands zur Verfügung stehen. Wie DBD setzt VSE Net von
vornherein auf 802.16e, was künftig auch mobile Anwendungen nahelegt – sobald entsprechende
Endgeräte auf den Markt kommen.
Wann die ersten echten 16e-Endgeräte tatsächlich marktreif in die Läden kommen, darüber lässt
sich im Moment nur spekulieren. Was derzeit existiert, sind Chipsets, Studien, Prototypen und
Nicht-Standardprodukte in den USA und Asien sowie jede Menge Ankündigungen. Basis vieler Produkte
wird voraussichtlich Intels "Wimax-Connection-2250"-Chip, der sowohl zu den Spezifikationen
802.16d-2004 als auch 802.16e-2005 kompatibel sein soll. Ende 2006 präsentierte Motorola damit ein
erstes GSM-/Wimax-Dualmode-Handy.
Bereits auf der letztjährigen 3GSM-World zeigte beispielsweise Samsung einen zusammenfaltbaren
Wimax-Mini-PC, ein Wimax-Handy im PDA-Stil mit Windows Mobile sowie einen USB-Adapter, der
gleichzeitig Wimax und HSDPA unterstützt. Auf der letztjährigen Wimax-World in Wien folgten
Ankündigungen von Dmedia (Taiwan) und Comsys (Israel). Beide Hersteller wollen 2008 Smartphones mit
Wimax und GPS-Navigationssystem herausbringen, Dmedia zuvor noch ein GSM-/Wimax-Dualmode-Handy. Zum
Jahresende 2007 bestätigte Motorola ihr Ziel, in der ersten Jahreshälfte 2008 ein Wimax-Telefon für
den US-Markt bringen zu wollen. Nokia und Qisda (ehemals Benq) wollen zeitnah folgen. Nokia hat als
Plattform für ihr erstes Wimax-Produkt eine neue Variante ihres Linux-basierenden Internet-Tablets
ins Gespräch gebracht. Bei Qisda soll es ein EDGE-/Wimax-Dualmode-Handy werden. Zu den Unternehmen,
die ab Mitte 2008 mit Notebooks auf der Basis einer neuen, Wimax-fähigen Intel-Centrino-Plattform
auf den Markt kommen wollen, zählen unter anderem Asus, Acer, Lenovo, Toshiba und Panasonic.
Große TK-Unternehmen wie Alcatel-Lucent, Nortel und Siemens planen einen umfassenden
Wimax-Auftritt, der von den Basisstationen bis zu den Endgeräten reicht. So will etwa
Alcatel-Lucent noch in der ersten Hälfte dieses Jahres eine Wimax-Lösung bestehend aus eigenen
Basisstationen und Nutzergeräten von Kooperationspartner Kyocera herausbringen. Zu letzteren sollen
Multimode-Handys, PC-Karten und USB-Modems für PCs gehören – alles im 16e-Standard. Siemens
wiederum erläuterte auf der Wimax-Konferenz Ende November 2007 in München, was als Nächstes in
Sachen Wimax-Geräten für Endnutzer geplant ist: So sollen ein Basis-Modem, ein VoIP-Modem und zwei
Gateways demnächst das Portfolio der Siemens Home and Office Communication Devices (SHC) ergänzen –
ebenfalls alles im 16e-Standard. Die Geräte adressieren den Home- und SOHO-Markt, wobei das am
umfassendsten ausgestattete "Gigaset SX686 Wimax" neben Wimax auch WLAN unterstützt.