Alcatel-Lucent (kurz "ALU" genannt) steigt mit dem 7950 Extensive Routing System (XRS) in den Markt der Internet-Core-Router ein. Diesen Markt dominieren Cisco und Juniper klar. Schon mehrmals sind Neulinge beim Versuch, sich einen nennenswerten dritten Platz zu erobern, wieder in der Versenkung verschwunden (oder erinnert sich noch jemand an Charlotte’s Web?). Nun wagt mit Alcatel-Lucent ein gestandener Telko-Ausrüster einen Anlauf. Die hauseigene Technik des neuen Monster-Routers soll, verspricht ALU, die Core-Netze der Carrier "revolutionieren".
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Im Rahmen eines Technologiesymposiums in Santa Clara, Kalifornien, hat Alcatel-Lucent die neue 7950-XRS-Familie vorgestellt. Mit diesen in dreijähriger Entwicklungszeit erarbeiteten Highend-Geräten will ALU eine Scheibe des Vier-Milliarden-Dollar-Kuchens, den der Internet-Core-Router darstellt, für sich erobern. ALU verspricht neben beeindruckenden Durchsatzzahlen auch niedrigeren Energieverbrauch und natürlich sinkende Kosten im Vergleich zu den etablierten Playern Cisco und Juniper.
Die 7950 XRS-Produktreihe umfasst drei Router: die Geräte mit dem Namenszusatz 40, 20 und 16c. Der 7950 XRS-40 bringt es laut Alcatel-Lucent auf eine Routing-Kapazität von stolzen 32 TBit/s. Er packe 160 100GbE-Schnittstellen in einen einzigen Core-Router. Das Gerät sei ausgelegt für bis zu 2 TBit/s pro Slot und auf Multi-Chassis-Konfigurationen erweiterbar. Auf den Markt kommen soll es allerdings erst ab der ersten Jahreshälfte 2013 – was ja auch heißen kann: in über einem Jahr.
Der 7950 XRS-40 soll zwei kleinere Geschwister haben: Der 7950 XRS-20 ist laut Herstellerangaben ein 16-TBit/s-Core-Router für bis zu 80 100GbE-Schnittstellen in einem einzigen Rack. Er lasse sich nach Bedarf zu einem 7950 XRS-40-Router und/oder für Multi-Chassis-Konfigurationen aufrüsten und sei ebenfalls für bis zu 2 TBit/s pro Slot ausgelegt. Ihn soll man schon ab dem 3. Quartal 2012 erwerben können, derzeit sei er in mehreren Testinstallationen im Einsatz, so ALU.
Den 7950 XRS-16c schließlich hat Alcatel-Lucent als 6,4-TBit/s-Core-Router für Anforderungen kleinerer Points of Presence (POPs) konzipiert. Er unterstütze bis zu 32 100GbE-Schnittstellen und sei für 1 TBit/s pro Slot ausgelegt. Er soll ebenfalls erst ab der ersten Jahreshälfte 2013 erhältlich sein.
ALU sieht die Stärken seiner neuen Router bei der Performance und Port-Dichte: Herkömmliche Core-Router, so der Carrier-Ausrüster, wiesen Defizite in Bezug auf Leistungsfähigkeit und 100GbE-Verkehrsdichte auf, während neuere Produkte beim Versuch, Leistungsfähigkeit und Verkehrsdichte zu steigern, Kompromisse bei der Funktionalität und Flexibilität eingegangen seien. Der 7950 XRS hingegen nutze die von Alcatel-Lucent entwickelten FP3-NPUs (Network Processor Unit), die die branchenweit erste und einzige 400-Gigabit-NPU darstelle. Damit sollen Kompromisse zwischen Kapazität und Funktionalität der Vergangenheit angehören.
Die neue Core-Router-Generation, verspricht Alcatel-Lucent, werde eine umfassende Zahl von IPv4- und IPv6-Routing-, MPLS-Switching- und Infrastrukturdiensten unterstützen. Die Basis dafür liefere SROS, das als gemeinsames Betriebssystem die Basis des gesamten Router-Portfolios von Alcatel-Lucent und damit eine hochverfügbare, multifunktionale und praxisbewährte Softwareplattform biete, die schon bei mehr als 450 Netzbetreibern weltweit im Einsatz sei.
Das Netzwerk-Management-System 5620 SAM biete nahtlose Unterstützung für die 7950-XRS-Produktreihe, das Service-Router-Portfolio und die Produktreihe 1830 PSS im Bereich Optical Networking.
ALUs Markteintritt findet vor dem Hintergrund nach wie vor steigender Nachfrage nach Bandbreite statt, verursacht durch Online-Video- und -Daten-Traffic, der neuerdings nicht nur von PCs, sondern auch immer stärker von Smartphones, Tablet-PCs, an das Internet angeschlossenen Fernsehern und anderen über IP kommunizierenden Geräten ausgeht. Diese Dynamik, so hofft man bei ALU, werde Netzbetreiber weiterhin dazu nötigen, ihre Kapazitäten in ihren Core-Netzen auszubauen.
Gleichzeitig führe die Entstehung Cloud-basierter Dienste und personalisierter Inhalte dazu, dass die Netze flexibler werden müssen. Im Markt der Provider-Edge-Router hat Alcatel-Lucent laut eigenen Angaben bereits einen Marktanteil von über 25 Prozent erobert.
Mit dem 7950-XRS tritt Alcatel-Lucent in Konkurrenz mit Ciscos Monster-Router CRS (Core Routing System), aktuell in der dritten Produktgeneration CRS-3, sowie mit Junipers ebenso leistungsstarken Core-Routern der T-Serie. Praktisch zeitgleich mit der ALU-Meldung hat Juniper verkündet, dank eines Upgrades die Leistungskraft des T4000 und T1600 verdoppelt zu haben: Das Multi-Chassis-System TXP unterstütze nun die Systemkapazität von bis zu vier T4000 und acht T1600. Damit biete es bis zu 22 TBit/s, künftig soll dies auf bis zu 64 TBit/s erweiterbar sein – und dies im “Pay as You Grow”-Verfahren und mit Standardverkabelung. Ciscos CRS-3 lässt sich laut Cisco-Berechnungen im Multi-Chassis-Betrieb auf bis zu 322 TBit/s skalieren.
Im Vergleich zu diesen IP-Core-Routern sollen die neuen Router laut Alcatel-Lucent zwei Drittel des Stromverbrauchs einsparen. Und dieser ist im Core-Routing beträchtlich: Den weltweiten Energieverbrauch von Core-Routern schätzen die ALU-eigenen Bell Labs für das Jahr 2016 auf über 1,8 Terawatt.
Weitere Informationen finden sich unter www.alcatel-lucent.com, www.cisco.com und www.juniper.net.