Die Alcatel-Lucent-Fusion hat bislang alle Betroffenen herb enttäuscht. Auch die Aussichten sind nicht besonders gut. Inzwischen wird der Deal mit der ebenfalls glücklosen Daimler-Chrysler-Fusion verglichen, und Alcatel-Chefin Patricia Russo könnte schon bald das Schicksal von Carly Fiorina ereilen.
Als Alcatel vor zwei Jahren Lucent für elf Milliarden Dollar aufkaufte hieß es, dass der Deal zusätzliche Werte für die Aktionäre, die Mitarbeiter und die Kunden bringen würde. Doch nach Ablauf des ersten gemeinsamen Geschäftsjahres sehen sich alle zutiefst enttäuscht.
So ist der Marktwert seit der Fusion um 20 Milliarden Dollar gefallen und liegt inzwischen unter dem Buchwert der Aktien. Nach Verlusten von 3.5 Milliarden Euro und einer Wertberichtigung von 4,3 Milliarden Dollar auf das von Lucent bei der Fusion eingebrachte CDMA-Business, halten viele den damaligen Kaufpreis für weit überhöht. "Uns war von Anfang an klar, dass Alcatel viel zu viel für Lucent bezahlt hat", sagt Richard Windsor von Nomura Securities.
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Auch beim Personal wurden bereits 6700 Stellen abgebaut und weitere 9000 bis 10.000 Mitarbeiter sollen bis 2009 entlassen werden. Und was die Kunden betrifft, so sind viele über die neuen Organisationsstrukturen so verwirrt, dass sie lieber zur Konkurrenz wechseln.
Pat Russo hat inzwischen bestätigt, dass es länger dauert die Synergien aus der Fusion erfolgreich zu nutzen. "Wir sehen das in einem Dreijahres-Zeitraum", sagt sie jetzt über den geplanten Rahmen. Und dann schiebt sie den schwarzen Peter an die amerikanische Hypothekenkriese. "Die Kreditprobleme reichen viel tiefer als ursprünglich angenommen und wir wissen noch nicht, welche Auswirkungen es insgesamt haben wird", lautet ihre dumpfe Vorahnung auf noch schlechtere Zeiten.
Russo steht bei ihrem Versuch der Unternehmensrettung immer mehr auf einsamen Posten. Die meisten ihrer Top-Management-Kollegen aus der Übernahmezeit haben das Unternehmen verlassen, hierzu gehört auch John Meyer, der bei Alcatel das besonders profitable Service-Geschäft aufgebaut hat. Auch der ehemalige Alcatel-Chef Serge Tchuruk soll Gerüchten zufolge seinen Ausstieg planen.
Manche Analysten vergleichen den Misserfolg des Mergers mit dem Fall Daimler-Chrysler: Beides war ein so genannter "Merger of Equals" (Fusion von Gleichen) und bei beiden ging es um eine transatlantische Megafusion. "Es zeigt sich, dass die kulturellen und Business-Differenzen zu groß sind um daraus ein erfolgreichen globales Unternehmen zu schmieden", sagt Ovum-Analyst John Delaney.
Andere vergleichen die Situation bei Alcatel-Lucent mit dem Mega-Merger von HP und Compaq unter der Regie von Carly Fiorina. "Auf dem Papier sieht so etwas immer gut aus, aber alles steht und fällt mit der Umsetzung und Ausführung, hier kommt es vor allem darauf an, die Topleute aus beiden Unternehmen an Bord zu behalten", meint John Slack, Analyst bei Morningstar Securities in Chicago.
Unterdessen hat Carly Fiorina ihrer ehemaligen Top-Kollegin Russo ebenfalls ein schlechtes Zeugnis ausgestellt: "Pat hat es leider noch nicht geschafft, die beiden extrem unterschiedlichen Unternehmen zu integrieren und die Kosten in den Griff zu bekommen".
Harald Weiss/CZ/pk