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Update Application Delivery und VDI, Teil 1

Am Thin Client arbeiten wie am PC

Neben dem Server-based Computing (SBC) bieten heute Desktop-Virtualisierung (Virtual Desktop Infrastructure, VDI) und Application Streaming interessante Ansätze für die Zentralisierung von Client-Ressourcen. Selbst für die Nutzung anspruchsvoller Anwendungen tun sich Lösungswege auf. Der Markt ist spannend wie nie zuvor.

Autor:Dr. Wilhelm Greiner • 25.1.2009 • ca. 5:10 Min

Das Marktsegement für die Applikations- und Desktop-Virtualisierung dominierten bislang Citrix, Microsoft und Vmware. Neue gewichtige Player sind Symantec (durch die Akquisitionen von Altiris, Appstream und Nsuite) und Quest (per Aufkauf von Provision Networks). Hinzu kommen einige kleinere Lösungen wie H+H Netman oder das von Sysob jüngst nach Deutschland geholte Propalms TSE.

Client-seitig - und insbesondere bei VDI geht es hier um Thin Clients (TCs) - konzentriert sich der Wettkampf um Platz eins auf Hewlett-Packard (mit Verstärkung durch den Neoware-Zukauf) und Wyse. Renommierte Lokalmatadoren sind Igel und Fujitsu-Siemens, zu den zahlreichen weiteren Herstellern zählen unter anderem Chip PC, Lenovo, Linware, Liscon, Pano Logic, Rangee und Sun.

Clients flexibler zentralisieren

SBC à la Microsoft Terminalserver (TS) und Citrix Xenapp zielte lange nur auf die Zentralisierung von Applikationen für Standardanwender ("Task Workers"). Probleme bereiteten nicht-terminalserverfähige Anwendungen, anspruchsvollere Benutzer, die komplette Desktops brauchen ("Knowledge Workers"), sowie grafikhungrige oder Echtzeit-Softwarelösungen (CAD, Multimedia). Den ersten Problemfall löst Application Streaming, also die Echtzeitübertragung von Softwarebausteinen zur DLL-konfliktfreien Ausführung in einer Sandbox auf Client-Seite. Dies bieten zum Beispiel Citrix Xenapp/Provisioning Server, Microsoft App-V, Symantec Altiris/Appstream und Vmware Thinapp.

Dem zweiten Problem widmet sich VDI: Statt wie üblich Server werden hier Clients virtualisiert und im RZ gehostet. Der Zugriff vom (Thin) Client aus erfolgt über Citrix ICA oder Microsoft RDP, für die Vermittlung sorgt ein Connection Broker. SBC, VDI und App-Streaming sind kombinierbar, die Szenarien können beliebig komplex werden.

Auch das dritte genannte Problem gehen die SBC-, VDI- und TC-Anbieter an: Sie arbeiten eifrig wie nie zuvor daran, den Anwender in einer zentralisierten Umgebung vergessen zu lassen, dass er nicht am eigenen lokalen PC arbeitet - sogar bei Audio-/Videokonferenzen oder Multimedia-Nutzung. So optimiert Citrix den Bildaufbau für Xenapp mit der ICA-Beschleunigung Speedscreen. Auch die TCX-Softwaresuite von Wyse zielt darauf ab, die Arbeit am TC der am PC möglichst anzunähern. Sie umfasst Lösungen für die Beschleunigung von Multimediainhalten, die Umleitung von USB-Anschlüssen, die Nutzung mehrerer Displays am TC sowie - neu - die Verbesserung der Audioqualität.

Die TCX-Lösungen optimieren laut Wyse die RDP- und ICA-Anbindung und eignen sich damit für SBC wie für VDI. Dabei will Wyse vermeiden, Serverfarmen und Netzwerk unnötig zu belasten. So delegiert TCX manche Aufgaben wie das Multimedia-Rendering an den TC.

Wyse mausert sich damit immer deutlicher vom TC-Lieferanten zum Anbieter umfassender Desktop-Virtualisierungslösungen: Zur Vmware-Hausmesse Vmworld im Herbst gab Wyse die TCX-Multimedia- und Multimonitorsoftware an Vmware als Lizenznehmer weiter - was immerhin bedeutet, dass Wyse-Know-how, wenngleich zeitversetzt, auch bei der TC-Konkurrenz Einzug halten wird.

Im Gegensatz zu Spezialprotokollen wie in Teradicis grafikchipbasierter End-to-End-Lösung PC-over-IP oder HPs Highend-Kombination aus Blade-PCs und der Software RGS für das CAD-Rendering will Wyse ICA oder RDP nicht ersetzen, sondern lediglich erweitern. Dies ist sinnvoll, da die Anwenderunternehmen somit nicht von den Entwicklungen der dominierenden Player abgekoppelt werden, die allesamt ebenfalls an der Optimierung der Desktop-Virtualisierung arbeiten. So befindet sich Citrix‘ Projekt Apollo im Tech-Preview-2-Stadium, dürfte also bereits 2009 auf den Markt kommen. Per Bitmap-Beschleunigung soll Apollo Xendesktop-Nutzern Grafikanwendungen und Microsoft Aero sogar über DSL-Leitungen ermöglichen. Microsoft selbst hat mit dem Calista-Zukauf den Grundstein für einen RDP-Nachfolger gelegt, dessen Marktreife aber wohl erst 2010 zu erwarten ist. Vmware - der Herausforderer des via SBC-"Coopetition" eingespielten Citrix-Microsoft-Gespanns - wiederum hat auf der Vmworld Partnerschaften mit beinahe jedem Anbieter diesseits von Microsoft und Citrix angekündigt, der über eine schnellere Zugangstechnik als RDP verfügt: Wyses TCX soll in den VDI-Nachfolger View (siehe unten) einfließen; mit Teradici will Vmware eine softwarebasierte Variante von PC-over-IP entwickeln (das Spezialchips auf Client- wie auf Serverseite erfordert und sich deshalb nur schlecht für Multi-Client-Hosting à la VDI eignet); zudem kooperiert Vmware mit Sun, deren Sun Rays das Protokoll ALP nutzen, sowie mit HP bezüglich RGS. Insgesamt richtet sich Vmware also auf Multiprotokollfähigkeit ein.

Eine interessante Alternative zu Wyse TCX hat sich der Bremer TC-Spezialist Igel über eine Partnerschaft mit RES an Bord geholt: Igel erweitert seine XPe-TCs (Windows XP Embedded) um den RES Workspace Extender, der es zusammen mit RES Powerfuse auf Serverseite erlaubt, aus einem virtuellen Desktop heraus lokale Applikationen und Dienste zu starten ("Reverse Publishing?). Ähnlich wie bei Wyse TCX entlastet der TC damit Server und Netzwerk. Die Applikationen kommunizieren laut Igel über das jeweils native Protokoll und vermeiden somit Engpässe, die via RDP oder ICA entstehen könnten. Diese Umleitung (bei Igel Digital Services Virtualization, kurz DSV, genannt) erfolge für den Anwender transparent, er arbeite damit praktisch wie am PC.

News bei Citrix und Vmware

Mit Xenapp, Xendesktop und dem Provisioning Server deckt Citrix alle drei Hauptmethoden der zentralisierten Bereitstellung von Ressourcen ab. Xenapp, seit Herbst in einer laut Citrix nun schnelleren Version 5.0 am Markt, soll dieser Tage via Feature Pack den Citrix Profile Manager erhalten. Dabei handelt es sich um die Profilmanagementlösung, die Citrix diesen Sommer dem deutschen Anbieter Sepago abgekauft hat. Ebenfalls noch 2009 soll Version 3.0 der Access Essentials auf den Markt kommen. Die Einstiegslösung für bis zu 75 Anwender (bei unlimitierter Serverzahl) unterstützt Windows Server 2008 und klinkt sich in den Windows Essentials Business Server ein, ist also aus dessen Konsole heraus verwaltbar. Inbegriffen ist auch das aktuelle Speedscreen 3.0.

Vmware verfügt über keinerlei SBC-Lösung, sondern propagiert VDI als SBC-Nachfolger. Mit Thinapp ist zudem App-Streaming im Portfolio. Unter dem Namen "View 3" hat Vmware jüngst eine erneuerte VDI-Lösung vorgestellt. Der Nachfolger des Virtual Desktop Managers 2.1 heißt View Manager 3, aus SVI - einer Lösung, die, ähnlich Citrix‘ Provisioning Server, Virtual-Desktop-Images aus einem Master-Image plus Deltadateien erstellt und somit Speicherplatz spart - wird der View Composer. Laut Vmware benötige ein normales Unternehmen "maximal fünf Golden Images", ein Delta-File soll nur zirka 25 MByte groß sein ( es wird aber stetig wachsen, wenn der Anwender sein Profil anpassen darf). Software-Updates und Patches erfolgen aus dem Master heraus.

Neben dem View Composer enthält View 3 "Unified Access", also einen Broker für VDI und TS zugleich, sowie eine Thinapp-Lizenz. Die App-Streaming-Verwaltung will Vmware 2009 integrieren, Thinapp bleibe aber ein eigenständiges Produkt. Per Kooperation mit Thinprint bringt View 3 ohne Aufpreis einen universellen Druckertreiber mit. Enthalten ist auch verbesserte Multimedia-Redirection (aber noch nicht auf TCX-Basis), Smart-Card-Authentifizierung sowie Offline-Desktop-Funktionalität im "Experimental"-Stadium.

Perspektiven

Für 2009 plant Vmware, vollständige Offline-VDI-Funktionalität zu bieten: Die Übertragung des Desktops per Checkout-Knopf auf einen Laptop und das Rückspielen inklusive Delta-Abgleichs beim Wiederandocken ans LAN. Die Lösung ACE bietet dies bereits, doch der Offline-Desktop soll wie der ESX Server auf einem Bare-Metal-Hypervisor basieren (ACE setzt auf dem Client-OS auf).

Mittelfristig will Vmware den Desktop mit allen Applikationen und Daten dynamisch auf den Anwender mappen. Außerdem hat der Anbieter - und wohl nicht zufällig Citrix fast zeitgleich - eine Initiative angekündigt, um die Desktop-Virtualisierung für das Cloud-Computing zu rüsten: Beide Softwarehäuser wollen Service-Providern "Desktop-as-a-Service"-Angebote ermöglichen.

Auf der Serverseite und bei den TCs gibt es viele weitere Neuheiten. Diese wird LANline in der nächsten Ausgabe beleuchten.