LANline-Interview mit Burton-Group-VP Chris Howard

Analyst fordert: IT auf Modellbasis stellen

18. August 2008, 22:56 Uhr |

Über Trendthemen wie Software as a Service (SaaS), Cloud Computing, serviceorientierte Architektur (SOA), Business-Process-Management (BPM) und Virtual Desktop Infrastructure (VDI) sprach LANline-Redakteur Dr. Wilhelm Greiner mit Chris Howard, Vizepräsident des Analystenhauses Burton Group und dort Servicedirektor des Executive-Advisory-Programms.

LANline: Hr. Howard, wozu braucht man eigentlich angesichts zahlreicher Beratungsangebote ein
spezielles Executive-Advisory-Programm?

Howard: Unsere Kunden haben Zugang zu Informationen über alle Domänen hinweg erhalten. Denn die
Projekte werden immer umfassender: Die IT-Bereiche konvergieren, die Grenzen zwischen den
Einzelbereichen lösen sich auf.

LANline: Ist dies ein Schritt in Richtung Standardisierung der IT, in Richtung IT als
Gebrauchsgut (Commodity)?

Howard: Zahlreiche IT-Services sind im Grunde deckungsgleich. Daher gibt es den Trend,
IT-Kapazitäten oder die Nutzung von IT-Ressourcen zuzukaufen, wie etwa bei SaaS oder dem Cloud
Computing. Das Problem dabei: Viele Unternehmen betreiben dies aus rein taktischen Überlegungen
heraus. Sie erhalten dann mehr Durcheinander zu geringeren Kosten, wir nennen es "mess for less",
wenn die zugrunde liegende Architektur nicht stimmt.

LANline: Wie ließe sich solch ein "preiswertes Durcheinander" vermeiden?

Howard: Unternehmen müssen sich vom taktischen Ansatz verabschieden, um mehr Kontrolle zu
erlangen. Der Weg hierhin führt über das Portfolio-Management. Dieses wird von den
Geschäftseinheiten getrieben und klärt Fragen wie: Welche Anwendungen und Prozesse sind die
wichtigsten? Wie stark werden sie genutzt? Die Normalisierung solcher Parameter führt zu einer
besseren Auslastung der Ressourcen und senkt damit die Kosten.

LANline: Wieso haben IT-Abteilungen solche wichtigen Fragen nicht schon längst geklärt?

Howard: In den 1990er-Jahren, als die Begeisterung für IT-gestützte Innovation groß war, haben
Unternehmen Redundanzen in der IT finanziert. Heute hingegen muss sich die IT als gute Verwalterin
bestehender Ressourcen darstellen. Dies führt zu Initiativen wie Business Intelligence oder BPM.
Ein Portfolio-Management hilft, diesen Initiativen eine klare Richtung zu geben, zum Beispiel bei
Mergern und Akquisitionen oder der Einführung einer SOA.

LANline: Man hört immer wieder, dass die IT zunehmend gefordert ist, das Geschäft zu fördern,
aber als gleichwertiger Gesprächspartner auf Vorstandsebene nicht anerkannt wird. Wie soll ein CIO
da vorgehen?

Howard: Die Forderung nach stärkerer Fokussierung auf das Geschäft ist wirklich schwer
umzusetzen. Natürlich muss der CIO die Effizienz der IT-Organisation feintunen. Er muss sich aber
auch aktiv daran machen, die Geschäftsnotwendigkeiten zu verstehen und diese in IT zu übersetzen.
Das Vertrauen in den IT-Dienstleister ist hier tatsächlich ein Problem.

LANline: Wie lässt sich dieses Problem überwinden?

Howard: Wichtig ist die Nutzung des "sozialen Kapitals", um hier eine Brücke zu bauen, zum
Beispiel durch abteilungsübergreifende Teams. Dieser Brückenschlag ist im Wesentlichen eine
Angelegenheit, das auf der menschlichen Ebene angesiedelt ist. Ist eine IT-Abteilung von
Outsourcing bedroht, hat der CIO oft ein Problem mit der Motivation der IT-Mitarbeiter. Dann
verschanzt sich die IT hinter der Erbringung alltäglicher Commodity-Services – während es in
Wirklichkeit darum geht, innovativ und geschäftsrelevant zu arbeiten.

LANline: Wie kann die IT-Organisation Commodity-Services von den geschäftsrelevanten Diensten
entkoppeln?

Howard: Im Augenblick bestehen hier noch zahlreiche wechselseitige Abhängigkeiten. Es gibt noch
zu wenige praxistaugliche Blaupausen für die unterschiedlichen Unternehmensarchitekturen, dafür
sind diese zu heterogen. Deshalb kommt es zu diesem großen Interesse an Komponentenbildung wie bei
SOA. Manche Anbieter, zum Beispiel Cisco, arbeiten wiederum dieser Komponentenbildung entgegen:
Cisco möchte, dass das Netzwerk eng mit den Applikationen verzahnt ist. Taktisch gesehen
erleichtert dies die Umsetzung von XML-Policies. Unternehmen müssen solche Dinge aber zunächst
gründlich modellieren.

LANline: Dem Wunsch nach Vereinheitlichung, Standardisierung und Komponentenbildung scheint auch
die Proliferation unterschiedlicher Endgeräte auf der Client-Seite entgegenzuwirken. Wie entgeht
man dem Endgerätewildwuchs?

Howard: Darauf gibt es keine gute Anwort. Die Anwender sind am produktivsten mit den Werkzeugen,
mit denen sie vertraut sind. Die IT muss deshalb mehrere Kanäle anbieten, damit die Anwender mit
dem Gerät ihrer Wahl arbeiten können. Dies führt zwangsläufig zu einer komplexen Lage und damit
potenziell zu Architektur- und Sicherheitsproblemen.

LANline: Manche Unternehmen setzen auf die Zentralisierung oder Rezentralisierung von
IT-Ressourcen – bis hin zum extremen Ansatz, das Management der Endgeräte ganz dem Anwender zu
überlassen, weil die Unternehmensdaten und -applikationen sowieso serverseitig gesichert sind. Was
ist hier Ihre Empfehlung?

Howard: Dieser Ansatz wäre einfacher umzusetzen, wenn die Anwender ein stets aktuelles
Software-Image erhalten könnten, wie Vmware dies mit VDI vorsieht, insbesondere in der
netzunabhängigen Variante Offline VDI. Das heißt, auf die Server- und die Storage-Virtualisierung
folgt nun eine "postmoderne Client-Virtualisierung". Erforderlich ist hier allerdings die
Client-Anbindung mit Wahrung der Statusinformationen (State Awareness) für Failover-Szenarien. Für
Hochverfügbarkeit auf Niederlassungsebene raten wir zu einem Zweigstellen-Grid (Branch-Based
Grid).

LANline: Und Ihr abschließendes Plädoyer an die IT-Leiter?

Howard: Wir müssen das modellgetriebene IT-Design verbessern, selbst wenn Legacy-Systeme dem
entgegenstehen. Man muss künftig den Code ändern können, ohne das Modell zu ändern.

LANline: Vielen Dank für das Gespräch.


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