In den Marketing-Materialien vieler IT-Anbieter ist mittlerweile so häufig von Cloud Computing die Rede, dass man fast glauben könnte, die Cloud habe schon längst ihren Weg in den IT-Alltag gefunden. In Wirklichkeit ist die Cloud aber hierzulande nur sehr zögerlich auf dem Vormarsch. Denn IT-Aufgaben oder ganze Prozesse in die Internet-Wolke zu verlagern, setzt großes Vertrauen in den Service-Provider voraus; der hausinterne Aufbau einer Private Cloud wiederum erfordert Kompetenzen, die oft noch Mangelware sind.
Man kann sich kaum mehr über den professionellen IT-Einsatz unterhalten, ohne dass früher oder später das Schlagwort „“Cloud““ aufkommt. Die Allgegenwart des Begriffs ist dem Umstand geschuldet, dass Anbieter und Anwender mal Managed Services, mal Google und Amazon, mal Virtualisierung und mal schlicht den automatisierten RZ-Betrieb mit dem Modebegriff belegen. Wenn es aber darum geht, unternehmenseigene Applikationen und vor allem Daten in die öffentliche (Public) Cloud zu verlagern, dann herrscht bei deutschen IT-Leitern (mehr als in vielen Fachabteilungen) vor allem eines vor: höchste Skepsis. Dies ist nicht nur der Sorge um den eigenen Arbeitsplatz geschuldet, sondern auch verbreiteten und berechtigten Bedenken bezüglich Kontrolle, Informationssicherheit und Compliance.
Entsprechend groß ist das Interesse an der Private Cloud, also dem Ansatz, die Vorteile von Public-Cloud-Infrastrukturen im Unternehmen nachzubilden, die IT aber weiter selbst zu betreiben (oder als Hosted Private Cloud extern betreiben zu lassen). Diese Replikation der Public-Cloud-Mechanismen erfordert aber neben der Virtualisierung der Infrastruktur die vollständige Automation des IT-Betriebs, die Provisionierung per Self-Service mit anschließender sofortiger (also On-Demand-)Bereitstellung bestellter Services, die Abrechnung nach Verbrauch und damit hocheffizientes IT-Service-Management inklusive Identity- und Access-Management, Informationssicherheit, Storage, Backup und Archivierung sowie – einer der lästigsten Punkte – Lizenz-Management für Cloud-Umgebungen. Davon, so viele Bälle gleichzeitig in der Luft behalten zu können, sind die meisten IT-Organisationen heute noch mehrere Jahre entfernt, mahnte Forrester-Analyst James Staten in einem Report vom Juli letzten Jahres, der entsprechend knallhart betitelt ist: „“You're Not Ready for Internal Cloud““.
Also doch der Rückgriff auf externe Cloud-Anbieter? Für den europäischen Wirtschaftsraum kommt Statens Kollegin Onica King in ihrem Bericht „“European Cloud Infrastructure-as-a-Service (IaaS) Outlook““ (28. Januar 2011) zu einem ernüchternden Ergebnis: Während IaaS in den USA seinen Markt findet, stößt der Bezug von IT-Infrastruktur als Cloud-Service in Europa bislang kaum auf Resonanz. Und das, obwohl IaaS – neben PaaS und SaaS (Platform as a Service, Software as a Service) eine der drei Hauptspielarten des Cloud Computings – die hardwarenächste Variante der Cloud-Nutzung ist und somit dem Kundenunternehmen wesentlich mehr Kontrolle über die Software und Services gestattet als PaaS oder SaaS.
In Europa kommt IaaS also nur im Schneckentempo voran: gut behütet, aber langsam. Die europäischen IT-Entscheider, so Analystin King, „“geben sich offenbar damit zufrieden, erst abzuwarten, bis die Technik ausgereift ist und die europäischen Regulatoren oder die Cloud-Anbieter herausgefunden haben, wie man landesspezifische Anforderungen an den Umgang mit bestimmten Datentypen mit den Rationalisierungseffekten, die IaaS verspricht, in Einklang bringt.““ Dies gelte insbesondere deshalb, weil europäische Entscheider nicht die Kostensenkung, sondern die flexiblere Provisionierung als wichtigsten IaaS-Vorteil betrachteten. Als Bremsklötze wirken laut der Forrester-Marktforscherin aber auch die regulatorische Kleinstaaterei in Europa, tiefer verankerte Vorstellungen von Privatsphäre sowie stark ausgeprägte Sicherheitsbedenken: „“Für Europäer sind Antworten auf Sicherheitsfragen wie Datendiebstahl, -missbrauch und versehentlicher Datenabfluss die absolut größten Sorgen, wenn es um IaaS geht““, so King.
„“Ein deutscher CIO““, bestätigt auch Tobias Geber-Jauch, Manager Service Solutions bei Computacenter, „“ist heute nicht bereit, die Daten seines Unternehmens außerhalb von Deutschland zu lagern. Durch Ereignisse wie Wikileaks ist das Bewusstsein für die Datensicherheit hierzulande enorm gestiegen.““ Hinzu gesellen sich Sorgen, wie man die eigenen Daten in die Wolke und vor allem bei Bedarf auch wieder ihr heraus bewegen kann: „“Heute fehlen saubere APIs zwischen internen und externen Clouds, um den Unternehmen den Weg in die und aus der Cloud zu ebnen““, so Geber-Jauch. Sein Kollege Dirk Schiller, Practice Leader bei Computacenter, ergänzt: „“Für IaaS liegen schon relativ gut bedienbare APIs vor, aber je höher man im Software-Stack kommt, desto komplexer werden die Schnittstellen.““
Nützlich sind hier die bidirektionalen Brücken, die viele Anbieter ihren Cloud-Kunden heute bauen. So verknüpft zum Beispiel Citrix dieser Tage seine Xenserver-Plattform mit dem Public-Cloud-Angebot Amazon Web Services (AWS), um den Aufbau hybrider Clouds (also die Kombination von Private und Public Cloud) zu erleichtern. Ein weiteres Beispiel liefert der Open-Source-Helpdesk-Anbieter OTRS, der für sein SaaS-Angebot eine „“Pack and Go““-Funktion bietet, damit Unternehmen ihre SaaS-Applikation sanft ins Haus migrieren können.
Wie im richtigen Leben, so verbreiten auch die virtuellen Wolken ihre Vorzüge von oben nach unten: Bei Konzernen ist die Offenheit für die Cloud derzeit am größten, haben diese Unternehmen doch in aller Regel bereits umfangreiche Erfahrung mit Outsourcing, Managed Services und den damit einhergehenden technischen und rechtlichen Problemen. So nutzen laut einer CA-Umfrage unter 434 IT-Fachkräften aus Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitern bereits 80 Prozent der befragten Unternehmen und sogar 92 Prozent der größten Konzerne Cloud-Services. Über die Hälfte der Befragten beziehe sogar mehr als sechs Cloud-Dienste. Auf solche multinationale Konzerne zielt zum Beispiel BT mit seinem neuen Private-Cloud-Angebot „“Virtual Data Centre Private““, das der Service-Provider in Kürze in mehreren europäischen Ländern etablieren will.
Auch bei kleineren Unternehmen ist die SaaS-Nutzung schon verbreitet: Man nutzt die teils deutlichen Kostenvorteile der Cloud-Angebote und stellt Sicherheitsbedenken hintan – oft zurecht, wenn man bedenkt, dass viele Kleinunternehmer ihre hauseigene IT lange nicht so gut sichern können wie ein hauptberuflicher Cloud-Service-Provider sein RZ. Als besonders skeptisch der Cloud gegenüber ist allerdings der breite deutsche Mittelstand bekannt. In der IT-Branche wird aber erwartet, dass das Cloud Computing mittelfristig schon aus Gründen des Kostendrucks sowie mit stärker standardisierten, ausgereiften Angeboten den gesamten Unternehmensmarkt einschließlich des Mittelstands erreichen wird. „“Der Preismaßstab für die IT wird dadurch völlig neu justiert““, so Patrick Schmidt, Architekturverantwortlicher Data Center und Virtualisierung bei Cisco in DACH, „“auf lange Sicht wird sich dem kaum eine IT-Abteilung entziehen können. Schon gar nicht, wenn es um Massenanwendungen geht, die keine unternehmensspezifischen Prozesse abbilden wie E?Mail oder Speicherdienste.““
Eine „“Cloudifizierung““ bestehender IT sei auf Einzelfallbasis zu evaluieren, so Schmidt. „“Bei neuen Prozessen hingegen und bei der Migration auf entsprechende Neuanwendungen sollten die typischen Cloud-Vorteile auf keinen Fall verschenkt werden – vor allem nicht verbrauchsabhängige Kostenverrechnung, optimierte IT-Auslastung, höhere Verfügbarkeit sowie flexiblere Service-Bereitstellung.““
Als sehr nützliche Variante dürfte sich somit gerade für größere Unternehmen und Konzerne die Kombination konkurrierender Ansätze in Form einer Hybrid Cloud erweisen. Diesen Ansatz rückt nicht umsonst auch Virtualisierungsmarktführer VMware ins Schlaglicht: „“Neu ist, dass durch hybride Cloud-Architekturen der Kunde auch bei der Auslagerung seiner IT an Cloud-Anbieter die Herrschaft über seine Applikationen und Daten behalten kann und die Flexibilität wahrt, IT Leistungen wieder zurückzuholen und zwischen Service-Providern zu wechseln““, so Thomas Kühlewein, Vice President Central Region bei VMware. „“Wir sind bestrebt, mit unseren Technologien stets hybride Cloud-Architekturen zu ermöglichen.““ VMwares Angebot für diesen Zweck ist der Vcloud Connector, während Citrix mit Cloudbridge dagegenhält.
„“Hybride Clouds gewinnen an Bedeutung, da hier je nach Geschäftsanforderungen die Vorteile von Private Clouds mit denen der Public Clouds kombiniert werden können““, pflichtet ihm Frank Strecker, Direktor Cloud Computing bei IBM Deutschland, bei: „“Die Hybrid Cloud eignet sich für Unternehmen, die eine eigene IT betreiben und gewisse Leistungen zu ihren Kernkompetenz zählen.““ So könnten sie diese Kernkompetenzen intern weiter zur Verfügung stellen und gleichzeitig von den Skalierungseffekten der Public Clouds profitieren. Jürgen Gallmann, CEO beim Cloud-Spezialisten Visionapp, brachte dies kürzlich sogar auf die Formel, der CIO werde künftig zum „“Cloud Integration Officer““: „“Cloud Computing verändert die Rolle des CIOs““, so Gallmann. „“Der ,Cloud Integration Officer' fügt interne und externe Dienste zu einer Cloud-Architektur zusammen und liefert dadurch einen wichtigen Wertbeitrag zum Unternehmenserfolg.““
Wird der Cloud-induzierte Kostendruck also zu einer Polarisierung führen – die einen bauen eine Private oder Hybrid Cloud auf, der Rest schafft dies nicht und wird auf externe IaaS?, PaaS- oder SaaS-Anbieter angewiesen sein? „“Eine Polarisierung zwischen konventioneller und Cloud-Architektur ist keineswegs zwangsläufig““, beruhigt Matthias Schorer, Strategic Management Consultant bei CSC. Vielmehr könnten öffentliche Clouds Ressourcen freisetzen, die den Umbau der hauseigenen IT beschleunigen: „“Für Teststellungen etwa sind virtuelle Server aus einer öffentlichen Cloud billiger und schneller verfügbar als eine eigene Testumgebung““, so Schorer. Wichtig sei es zu ermitteln, welchen individuellen Nutzen ein Unternehmen aus der Cloud ziehen kann: „“Die Reise in die Cloud sollte immer mit einer professionellen Prozessanalyse und IT-Bestandsaufnahme beginnen.““ CSC hat dafür mit dem Cloud Adoption Assessment eine herstellerunabhängige Methodik entwickelt.
Insgesamt bringt sich die IT-Branche für Nachfrage nach Cloud-Equipment immer besser in Stellung. Nach Cisco/EMC/VMware, IBM und Oracle hat kürzlich auch HP ein spezielles Enterprise-Cloud-Angebot vorgestellt: Cloudsystem ist laut HP-Angaben eine komplett integrierte IT-Umgebung, mit der Unternehmen IT-Services in hybriden Cloud-Umgebungen bereitstellen und verwalten können. Nun stehen die IT-Leiter der Unternehmen vor der Herausforderung, das aktuelle Equipment und die offerierten Managed Services ihren Bedürfnissen entsprechend möglichst optimal zu kombinieren.
„“Rechenzentren stehen vor dem größten Wandel seit der Einführung der x86-Server““, brachte es Diethelm Siebuhr, Geschäftsführer Central Europe bei Easynet Global Services, kürzlich auf den Punkt. „“Cloud Computing stellt für Rechenzentren eine enorme Herausforderung dar, und wer künftig in diesem Markt eine Rolle spielen will, der muss schon heute seine Infrastruktur auf die neuen Anforderungen ausrichten.““ Die Wolke kommt langsam, aber gewaltig.
Ob nun Unternehmen auf ihre Public-Cloud-Services zugreifen wollen oder Mitarbeiter von verteilten Standorten und von unterwegs aus die Private Cloud im RZ ihres Unternehmens: Die Antwortzeit der Applikation kann beim Fernzugriff gar nicht kurz genug sein. So verspricht das Cloud Computing goldene Zeiten für die Hersteller von ADCs (Application Delivery Controllers, Anwendungsbeschleuniger). Zu den ADC-Marktführern zählt Gartner im neuesten „“Magic Quadrant““ zum Thema vom November 2010 neben F5 Networks auch Citrix und Radware, zu den Verfolgern neben Zeus und Cisco auch eine Handvoll Spezialisten sowie Brocade. Marktführer F5 konzentriert sich in letzter Zeit unter der Überschrift „“Service Delivery Networking““ verstärkt auf die Beschleunigung von Mobilfunk-Traffic, da Analysten hier bis 2014 eine 40-fache Zunahme des Datenverkehrs erwarten. F5s Highend-Gerät Viprion bietet dazu Traffic-Kontrolle, Richtlinien-Management, TCP-Optimierung, IPv6-Gateway und -Tunneling sowie DNS-Anpassungen. Im Segment der symmetrischen Traffic-Optimierung bietet Blue Coat mit dem Packetshaper 12.000 ein neues Flaggschiff, zudem werden Web-Anwendungen automatisch erkannt und je nach zugeteilter Applikationsklasse unterschiedlich priorisiert. Ebenfalls neu und sehr spannend ist Riverbeds Cloud-Storage-Beschleunigungslösung Whitewater. Sie dient dem schnellen Zugriff auf Cloud-basierte Speicherressourcen für Backup und Restore. Die Whitewater-Appliance, im Unternehmensnetz installiert, dient der verwendeten Backup-Lösung als Ziellaufwerk und koordiniert die Verteilung der Daten auf die Cloud-Ressourcen. Dabei nutzt sie CIFS- und NFS-Beschleunigung, Deduplikation sowie SSLv3-verschlüsselte Übertragung und AES-256-verschlüsselte Datenspeicherung in der Cloud.