BT setzt auf Nortels PBT - MPLS-Anbieter skeptisch

Diskussion um optimale Metronetzarchitektur

11. Februar 2007, 23:55 Uhr |

Uneinigkeit herrscht unter den Carrier-Ausrüstern in der Frage, wie weit MPLS (Multi-Protocol Label Switching) in die Stadt- oder Metronetze (Metropolitan Area Networks, MANs) vordringen sollte. In diese Debatte hat Nortel die Idee eingeworfen, dem etablierten MPLS einen abgespeckten Ethernet-Transport entgegenzusetzen: das Verfahren Provider Backbone Transport (PBT). Mit dem frühen PBT-Förderer British Telekom (BT) hat Nortel jüngst, wie erwartet, einen ersten namhaften europäischen Carrier als Kunden für das Verfahren gewonnen. Nortels Konkurrenz zeigt sich zurückhaltend bis skeptisch - obschon nicht gänzlich ablehnend.

In Carrier-Netzen dreht sich heute alles um IP. Das Problem: Es gilt, die von Netzwerkbetreibern erwartete Dienstgüte (Carrier-grade Quality of Service, QoS) und das Tunneling der IP-Pakete zu gewährleisten. MPLS hat sich hier weltweit als maßgebliches Verfahren herauskristallisiert, um IP-Verkehr in Carrier-gemäß geregelte Bahnen zu lenken. Der Vorteil von IP/MPLS: Dedizierte Netze für Daten- und für Sprachverkehr entfallen, eine einheitliche Netzwerksprache herrscht vor. Vom Unterfangen, den Flohzirkus der weltreisenden IP-Pakete zu bändigen, haben vor allem die großen Router-Hersteller profitiert, allen voran Cisco und Juniper.

Die zunehmende Verbreitung unternehmenskritischer (Echtzeit-)Anwendungen und das in Carrier-Kreisen als Umsatzbringer so heftig propagierte Triple Play (Daten, Sprache und Video über die gleich Access-Infrastruktur) haben die Ansprüche an die Servicekriterien in Metronetzen verschärft. Vor diesem Hintergrund wäre es technisch wünschenswert, die MPLS-Kontrollmechanismen vom Core auf die Metronetze ausdehnen zu können – zumal viele Carrier noch zweifeln, ob ein zum Carrier Ethernet aufgebohrtes LAN-Protokoll den Netzbetreiberansprüchen genügt, selbst wenn Carrier-Ethernet-Verfechter wie Extreme Networks dies eisern beteuern. Im Vergleich zum nativen Ethernet-MAN gilt ein MPLS-Netz als die ausgereiftere, aber eben auch teurere Variante.

In diese Debatte um die beste MAN-Architektur mischte sich Nortel im letzten Sommer mit einem originellen Vorschlag ein: Das von Nortel entwickelte und von der British Telecom heftig geförderte Verfahren namens Provider Backbone Transport sieht vor, die Schwächen von Ethernet nicht durch Zusatzprotokolle auszugleichen, sondern die problematischen Aspekte schlicht abzuschalten: Von SDH gewohntes verbindungsorientiertes Forwarding soll Ethernet zu einer preiswerten MPLS-Alternative im MAN machen. Dies soll auf handelsüblichem Ethernet-Equipment basieren.

Nortel argumentiert wie folgt: LAN-Switches leiten Ethernet-Frames mit unbekanntem Ziel an alle Ausgangs-Ports weiter (Flooding), aus der Antwort ermittelt der Switch den korrekten Versand-Port (Learning). Dieser LAN-Ansatz ist für Metronetze ungeeignet, da er erheblichen Traffic und Sicherheitsprobleme verursacht. Das hier eingesetzte STP (Spanning Tree Protocol) erlaubt zwar die Etablierung eines alternativen Pfads im Fehlerfall, für Protection Switching – also die von Carriern geforderten 50 Millisekunden Failover-Zeit – ist es aber zu ineffektiv. Dies gilt laut Nortel auch für STP-Erweiterungen wie RSTP (Rapid STP), da das Grundproblem – das zugleich der Hauptvorteil des klassischen Ethernets ist – bestehen bleibt: der verbindungslose Transport.

Aufgrund des verbindungslosen Charakters ist mit Ethernet eine garantierte QoS und ein deterministisches Netzwerkverhalten wie bei SDH nur sehr aufwändig zu realisieren. Deutliche Fortschritte in Richtung Carrier-Tauglichkeit hat Ethernet in letzter Zeit vor allem durch die IEEE-Standards 802.1ag (Fault-Management) und 802.3ah (Ethernet in the First Mile) sowie ITU Y.1731 (Ethernet-OAM) gemacht.

Nortels Ansatz greift direkt in die Grundcharakteristik von Ethernet ein: PBT umgeht den Flooding-/Learing-Prozess und die STP-Probleme, indem es das Weiterleitungsverhalten von der Forwarding Plane des Metro-Switches auf die Control Plane (die Managementebene) des Geräts verlagert: Statt die Forwarding-Entscheidungen den Automatismen von Ethernet zu überlassen, sieht PBT die explizite Konfiguration von Punkt-zu-Punkt-Verbindungen vor.

Währenddessen hat Alcatel-Lucent mit T-MPLS (Transport-MPLS) eine schlanke MPLS-Variante vorgeschlagen, die MPLS den Weg in die Metronetze ebnen soll. "T-MPLS zielt darauf ab, das IP-/MPLS-Networking zu vereinfachen und kostengünstiger zu gestalten sowie bessere Punkt-zu-Punkt-Dienstbereitstellung zu ermöglichen", so Simon Sherrington, Analyst bei Light Reading Insider. "Es hat den Standardisierungsprozess schon weiter durchlaufen als PBT."

Nortel hat PBT bereits bei der IEEE eingereicht. Das Verfahren wird voraussichtlich ab März ein offizielles IEEE-Projekt sein. In den Standardisierungsgremien läuft es unter dem Namen PBB-TE (Provider Backbone Bridge with Traffic Engineering). PBB-TE soll dabei als Ergänzung zu PBB (IEEE 802.1ah) dienen. PBT-Förderer BT – Spötter sagen, "PBT" stünde für "Proposal for British Telecom" – hat sich im Januar offiziell für Nortels Konzept als Basis für das Carrier-Ethernet-Deployment im Rahmen seiner grundlegenden Netzwerkerneuerung unter dem Namen 21CN (Twenty-first Century Network) entschieden. An dem Deal beteiligt ist auch Siemens, deren Surpass-Geräte PBT ebenfalls unterstützen. Mit Shanghai Telecom hatte Nortel bereits im Herbst einen namhaften Kunden für seine PBT-Geräte gemeldet.

Die Kommentare der von LANline befragten Vertreter etablierter MPLS-Player rangieren zwischen abwartend und skeptisch: "Ich glaube nicht, dass PBT langfristig aus einem Nischendasein herauskommt", meint zum Beispiel Thomas Ruban, Technology Director EMEA Edge und Broadband bei Juniper. "Es gibt meines Erachtens nur ein Szenario, bei dem PBT besser dasteht als MPLS: die Migration von SDH- zu Ethernet-Zugangsnetzen. In diesem Fall ist PBT einfacher, da das OSS-Management fast unverändert den SDH Paradigmen folgt. Allerdings werden viele Service-Provider aber keine SDH-Migration durchführen, sondern einfach ein neues Carrier Ethernet installieren. Und in ein paar Jahren wird es keine großen SDH-Netze mehr geben." Seine Folgerung: PBTs Zeitfenster für eine erfolgreiche Markteinführung sei "übersichtlich". Die reklamierte leichtere Verwaltung von PBT lässt Ruban nicht gelten: PBT adressiere nur ein kleines Subset der Probleme, die MPLS bereits gelöst habe.

Auch Steffen Probst, Business Development Manager bei Cisco, äußerte sich zurückhaltend: "Momentan ist es sicher noch zu früh, um zu bewerten, ob sich neue Technologieansätze wie PBT oder T-MPLS durchsetzen werden." Probst betont, Cisco evaluiere, wie die anderen Hersteller auch, neue Technologien und werde abhängig vom Technik- und Marktpotenzial entscheiden, ob, wann und auf welcher Plattform PBT implementiert wird: "Die wichtige Fragen für Service-Provider ist sicher, ob er Ethernet oder MPLS für seine Aggregierungsnetze verwenden will. Sollte die Entscheidung zu Gunsten von Ethernet fallen, dann könnte PBT eine Option neben PBB sein."

Die Diskussion ist also noch in vollem Gange. Weitere Informationen zu PBT bringt LANline im CeBIT-Sonderheft "Technology Guide".

LANline/Dr. Wilhelm Greiner


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