Facility-Management (FM) trägt mit einer Wertschöpfung von 112 Milliarden Euro zu 5,03 Prozent am deutschen Bruttoinlandsprodukt (BIP) bei - und kaum einer weiß es. Das phänomenologische Schattendasein dieser Schlüsselbranche nähert sich aber möglicherweise seinem Ende. Mit Energieeffizienz als prominentem Aushängeschild gewinnt die verkannte Disziplin neuen Schwung - und mit Vertretern der ITK-Branche neue Player - vor allem bei weiter steigenden Energiepreisen.
Facility-Management ist eine Branche, in der sich vieles um Messen, Steuern und Regeln dreht –
die aber offenbar selbst lange Zeit ungemessen blieb. Nicht nur die einschlägigen Marktteilnehmer
waren höchst überrascht, als das Institut für angewandte Innovationsforschung (IAI) e.V. an der
Ruhr-Universität Bochum im Auftrag der GEFMA (German Facility Management Association – Deutscher
Verband für Facility Management e.V.) im Januar 2010 die Ergebnisse einer groß angelegten Studie
zur volkswirtschaftlichen Bedeutung des FMs vorstellte: Demnach ist FM mit seinem
Fünf-Prozent-Anteil am BIP der viertgrößte deutsche Wirtschaftszweig hinter dem Autohandel (rund
zehn Prozent), dem "Gesundheits- und Sozialwesen" (7,1 Prozent) sowie (Luft-, Wasser- und
Land-)Verkehr und Nachrichtenübermittlung (5,7 Prozent). Selbst "populäre" Wirtschaftszweige wie
die Baubranche (4,5 Prozent), der Maschinenbau (3,3 Prozent) und die Automobilindustrie (3,1
Prozent) liegen deutlich dahinter.
Über vier Millionen Erwerbstätige sollen auf der Lohnliste von Dienstleistern oder
Immobilieneigentümern und -nutzern stehen. Selbst wenn die in der Studie kolportierten Kennzahlen
mit einer gewissen Skepsis zu betrachten sind – immerhin traten mit HSG Zander, Piepenbrock, Wisag,
Bayern FM, Hochtief FM und CWS-Boco namhafte Vertreter der Branche als Sponsoren auf – an der
volkswirtschaftlichen Dimension von FM besteht kaum ein Zweifel. Der Mitautor des
FM-Branchenreports und Professor der Fachhochschule Gelsenkirchen, Dr. Markus Thomzik, betont die
Werthaltigkeit der FM-Branche: "Mit mehr als 176 Milliarden Euro Bewirtschaftungsvolumen ist die
Branche auch sehr krisensicher. Gebäude müssen stets bewirtschaftet werden, unabhängig davon, ob
das Kerngeschäft des Immobilieneigentümers beziehungsweise -nutzers floriert oder ob es
daniederliegt."
Die klassischen FM-Disziplinen werden seit den 80er-Jahren durch Software unterstützt. Große
CAFM-Hersteller sind dabei oft auf eine oder mehrere Zielbranchen spezialisiert, die kleineren
grenzen sich eher durch bestimmte technische Spezialisierungen ab. Funktional lassen sich
CAFM-Softwarepakete in drei Kategorien unterteilen – technisches, infrastrukturelles und
kaufmännisches FM. Bereits jeder dieser Bereiche für sich allein ist derart umfangreich,
vielschichtig und komplex, dass kein Hersteller alles abdecken kann. Auf der Ebene der Funktionen
versuchen sich die großen Hersteller mit einem möglichst breit gefächerten Mix aufzustellen, die
kleinen suchen gezielt nach Lücken oder kommen mit einer Art Minimal-CAFM zum günstigen Preis.
Eine der im CAFM klaffenden Lücken ist das ausgefeilte Energie-Management im Allgemeinen
beziehungsweise die Effizienzoptimierung der IT im Besonderen. Hier springen nun mehr und mehr die
Schöpfer der "Energieschleudern" aus IT und Telekommunikation selbst in die Bresche. IT-gesteuertes
Facility-Management (ITFM) verfolgt dabei einen grundsätzlich anderen Ansatz als CAFM: Letzteres
hat seine Wurzeln im klassischen FM – ist also primär eine Unterstützung für die Verwaltung, und
bis heute stehen hier Flächen beziehungsweise Räume im Zentrum, an denen alle Informationen,
Kalkulationen und Aktionen festgemacht sind. ITFM hingegen versteht sich eher als intelligente
Steuerung und nutzt ein "Meer an Sensoren", wie es beispielsweise HP bezeichnet, um gemessene Werte
zu protokollieren und gegebenenfalls bestimmte Aktionen automatisch abzuleiten. Höchstes Ziel ist
dabei die Optimierung des Betriebs von Anlagen und Geräten, die mit elektrischem Strom
beziehungsweise Motoren betrieben werden. Welche Art Sensoren zum Einsatz kommt, hängt von den
Erfordernissen der jeweiligen Aufgabenstellung ab.
ITFM sieht sich folgerichtig weniger als Konkurrenz zum CAFM denn als Ergänzung. Idealerweise
dockt sich das ITFM über geeignete Schnittstellen an das CAFM an und integriert sich in ein
umfassendes Gesamt-Management. Die Annäherung läuft allerdings noch eher gemächlich, was eventuell
daran liegt, dass die Schlüsselfiguren auf beiden Seiten aus sehr unterschiedlichen, bislang
getrennt agierenden Welten kommen. ITFM treiben in erster Linie die einschlägigen
Rechenzentrumsausstatter und Softwarehäuser voran – wie etwa Cisco, Dell, Fujitsu Computers, HP,
IBM, Microsoft oder Oracle. Im Bereich CAFM hat sich ein eigenes kleines Software-Universum
etabliert. Wichtige Namen sind dort unter anderem Aperture Software, BFM Building Facility
Management, Graphisoft Deutschland, Keßler Real Estate Solutions, Loy & Hutz, N P
Informationssysteme, Planon Deutschland und viele weitere.
Eine wirklich das komplette Gebäude beziehungsweise Gelände umspannende Strategie verfolgen beim
ITFM bisher nur sehr wenige IT-Unternehmen. Einer der wenigen ausgewiesenen Generalisten ist IBM –
deren "Smarter Planet"-Initiative umfasst allerdings gleich den ganzen Globus. HP, Dell und
Konsorten fokussieren sich auf ihr angestammtes Spielfeld – eben die Rechenzentren. In Anbetracht
der Tatsache, dass ein durchschnittliches RZ heute den Energiebedarf einer Kleinstadt mit gut
20.000 Einwohnern hat, bietet schon allein dieser Ansatz genügend Potenzial für erhebliche
Effizienzsteigerungen. Nach den Beobachtungen von Gartner hat sich der Energiebedarf in den
Rechenzentren vom Jahr 2000 bis 2005 ungefähr verdoppelt. "Bis 2025 erwarten wir einen weiteren
Anstieg des Energiebedarfs um etwa 1.600 Prozent", so Rakesh Kumar, Vice President Data Center
Research bei Gartner anlässlich einer Dell-Veranstaltung vor einiger Zeit.
Kumar sieht für die Zukunft noch Optimierungspotenzial, das weit über das hinausgeht, was
Unternehmen wie Dell aktuell schon umgesetzt oder auch nur geplant haben. Wichtig wäre es, das
Rechenzentrum nicht mehr wie in Mainframe-Zeiten statisch zu sehen, sondern quasi als "lebenden
Organismus" zu begreifen. In einem solchen Organismus brauche es völlig neue Ansätze, das Thema
Energieeffizienz zu adressieren. So werde im RZ der Zukunft ein engmaschiges Netz von Sensoren
verschiedenster Art die "Vitalfunktionen" überwachen. Die Sensoren sollen über Standardprotokolle
Informationen untereinander austauschen und einem hierarchisch gegliederten, zentral gesteuerten
Regelsystem gehorchen. Auch der Einsatz von CFD-Analysetechniken (Computational Fluid Dynamics –
rechnergestützte Analyse der Dynamik von Objekten, die ständig im Fluss sind) verspreche einen
hohen Optimierungsgewinn.
HP sieht sich im RZ als Vorreiter in Sachen Energieeffizienz, wenngleich auch hier CFD-Analysen
noch in den Sternen stehen. Erst im Sommer dieses Jahres hat das Unternehmen sein Portfolio an
Bausteinen für "Smart Grids" zu einer durchgängigen Kette von den Servern bis zum
Rechenzentrumsgebäude erweitert. Dazu gehören Standardeinschübe für hocheffiziente Netzteile (der
Wirkungsgrad soll bei 94 Prozent liegen – allerdings nur bei Volllast), das bereits angesprochene "
Meer" an Sensoren (Messung von Temperatur, Luftstrom, Bewegung, Rauch/Feuer, Helligkeit, Kontakt
und vielem mehr), "Energy Star"-zertifizierte Server, dynamische Stromschalter, eine Appliance für
intelligente Energiesteuerung sowie ein Monitoring-Tool für die grafische Darstellung des
Strombedarfs und der Kühlung über das gesamte RZ hinweg. Kooperationen mit dem
RZ-Infrastruktur-Management-Softwareanbieter Nlyte Software und dem Hersteller Eaton sollen dafür
sorgen, dass HP-Proliant-Server nun direkt mit Stromverteilungssystemen und
Facility-Management-Software von Fremdherstellern kommunizieren können, um so Energie- und
Kühlungsressourcen umfassend zu kontrollieren.
Die zur Überwachung eingesetzten Sensoren sind – wo immer möglich – passiv, um nicht selbst zur
Steigerung des Energiebedarfs beizutragen. Die Kommunikationsinfrastruktur für den Report der
Messdaten und die Weiterleitung der Steuerbefehle lässt sich allerdings nicht völlig ohne Strom
umsetzen. "Eine Kannibalisierung der Energieeinsparungen ist aber nicht zu befürchten", so Wolfgang
Wittmer, Senior Vice President und General Manager der "Enterprise Server and Storage Networks"
-Abteilung bei HP auf Nachfrage von LANline. "Lediglich ein Prozent der durch das Smart Grid
eingesparten Energie müssen wir für die Versorgung der Sensoren und des Sensorennetzwerks wieder
opfern".
Auch wenn IBM perspektivisch den gesamten Globus im Visier hat, faktisch geht es derzeit eher um
Gebäude und in sich geschlossene Anlagen. Laut dem World Business Council for Sustainable
Development (WBCSD) stellen allerdings Gebäude die weltweit größten Energieverbraucher dar: In den
OECD-Ländern sind sie allein für 25 bis 40 Prozent der gesamten Energienachfrage verantwortlich. In
den USA machen Gebäude mehr als 70 Prozent des gesamten Energieverbrauchs und 38 Prozent des
gesamten CO2-Ausstoßes aus. Gebäude entlassen damit mehr CO2 in die Umwelt als Autos.
Das wachsende Bewusstsein für Kosten, Ressourcenknappheit und Klimawandel treibt die Nachfrage
nach energieeffizienten Gebäudetechniken in die Höhe. Lux Research schätzt den Markt für "grüne"
Gebäudetechniken auf 144 Milliarden Dollar und erwartet jährliche Wachstumsraten von 6,1 Prozent.
Je nach Entwicklung der Energiepreise könne das Marktvolumen 2020 auf 277 bis 387 Milliarden Dollar
anwachsen.
Durch den Einsatz intelligenter Techniken, wie sie IBM propagiert, lassen sich die einzelnen
Systeme in Gebäuden integrieren und damit besser verwalten und kontrollieren. Dabei sammeln auch
hier Tausende von Sensoren eine große Menge an Informationen, angefangen bei Bewegungen und
Temperatur über Luftfeuchtigkeit und Ablagerungen bis hin zu Raumbelegung oder Licht. Dadurch
lassen sich Kosten sparen und Systeme besser verwalten. "Ein Gebäude ist dann ?smart?, wenn es auf
jeder möglichen Systemebene Veränderungen schnell registriert und darauf reagiert", so eine
Definition von IBM. Das Unternehmen liefert Techniken für das intelligente Management von
Bürogebäuden, Warenhäusern, Fabriken, Kraftwerken, Labors, Universitäten, Apartments, Ferienanlagen
und weiteren Gebäudearten.
Zu den aktuellen Projekten, in denen die Komponenten "Tivoli Service Request Manager" und "
Tivoli Asset Management for IT" im Rahmen einer ITIL-basierenden (IT Infrastructure Library) Lösung
zentrale Prozesse im gesamten Unternehmen steuern, gehört etwa das "St. Regis"-Hotel in Shanghai.
Zusammen mit IBM hat das St. Regis zwölf Subsysteme integriert, um das Gebäude "intelligent" zu
machen. Das Verhältnis der Energiekosten zum Umsatz wurde damit auf unter fünf Prozent gedrückt.
Bei anderen Fünf-Sterne-Hotels der Region liegt das Verhältnis bei acht Prozent – dies entspricht
einer Verbesserung der Energieeffizienz um 40 Prozent.
Auch das "Venetian Resort"-Hotel-Casino in Las Vegas nutzt die IBM-Software, um seine über 7.000
Zimmer intelligent zu verwalten. Dort geht es um das smarte Management von 174 Millionen Liter
Wasser und 36 Megawatt Strom – Kapazitäten, die ausreichen würden, eine 25.000-Einwohnerstadt zu
versorgen. Die amerikanische Stadt Chesapeake wiederum investiert ebenfalls in den Ausbau
intelligenter Systeme und nutzt die Maximo-Software von IBM, um den Bürger-Service zu verbessern –
angefangen beim Betrieb der Verkehrssysteme, über die Wasserversorgung, bis hin zu Feuerwehr und
Polizei.
Einer der ersten Maximo-Anwender auf europäischem Boden ist Migros in der Ostschweiz. Migros ist
das größte Detailhandelsunternehmen der Schweiz mit über 1.200 Standorten, darunter Fach- und
Supermärkte, Gastronomiebetriebe, Freizeitanlagen, Einkaufszentren und Klubschulen. Migros betreibt
in der Ostschweiz 100 Filialen mit etwa 220.000 Quadratmetern Ladenfläche. Die IBM-Software
optimiert hier den Informationsfluss, erkennt Kostenüberschreitungen auf der Basis von genehmigten
Budgetwerten (mit Datenschnittstelle zu SAP) und ermöglichst den Aufbau einer Anlagenhistorie sowie
eines Kennzahlenmodells, damit sich auf Knopfdruck ineffiziente Anlagen identifizieren lassen.
Auch in Deutschland laufen inzwischen erste "Smart Building"-Projekte an. Das
Berufsgenossenschaftliche Unfallkrankenhaus Hamburg (BUKH) betreibt auf diese Weise intelligentes
Management von Anlagen und Medizingeräten. Die Zusammenführung, die Analyse und der Austausch von
Daten zum Beispiel aller medizinischen Gerätschaften, technischen Anlagen und Liegenschaften
innerhalb einer Klinik unterstützt die Organisation dabei, die Kosten für Wartung und Reparaturen
zu senken und ein effektives Steuerungs- und Kontrollinstrument zu gewinnen.
Wie HP hat sich auch IBM einen Partner aus der FM-Branche geschnappt, um in einer gemeinsamen
Initiative Themen wie Systemintegration, Energie-Management, Berichtswesen, Flächenoptimierung und
Weiteres abdecken zu können. IBM musste für die "Smart Building"-Initiative allerdings lediglich
die bereits seit 2007 für die RZ-Optimierung bestehende Kooperation mit Johnson Controls
entsprechend erweitern.
Der "Faktor Mensch" kommt in den bisherigen FM-Ansätzen kaum zum Tragen. Aber auch hier will die
IT nun eingreifen und Arbeitsplätze und –abläufe so optimieren, dass Menschen Bedingungen für ein
möglichst effizientes Arbeiten finden. Einen solchen Ansatz verfolgt etwa Cisco mit seinem "4th
Converged Network" (4CN) und "Cisco Connected Workplace" (CCW). Hier stehen der Mensch und seine
Effizienz bezogen auf die eingesetzten Arbeits- und Kommunikationsmittel im Zentrum.