Mehr Leistung durch intelligentes Lückenspringen

Energieverbrauch von Kommunikationsnetzen übersteigt Investions- und Personalkosten

17. Mai 2009, 22:58 Uhr |

Schnellere, intelligente Netze und weniger Energieverbrauch - dies sind die zentralen Themen, über die Experten aus Industrie und Forschung auf der International Conference on Communications (IEEE ICC) 2009 vom 14. bis 18. Juni 2009 in Dresden diskutieren werden.

Der Mobilfunk soll schneller werden. LTE (Long Term Evolution) als Nachfolger des
Mobilfunkstandard UMTS ist bisher noch nicht einmal in Betrieb, dennoch ist die Forschung an der
nächsten Generation LTE-Advanced im vollem Gange. Die Mobilfunkforscher um Prof. Dr. Gerhard P.
Fettweis, Inhaber des Vodafone-Stiftungslehrstuhls Mobile Nachrichtensysteme an der TU Dresden,
stellen auf der ICC erstmals ihren EASY-C-Demonstrator vor. Ziel des EASY-C-Forschungsprojekts ist
die Entwicklung von Schlüsseltechnologien für die nächste Generation von zellularen
Mobilfunknetzen. Damit die künftigen Netze fit sind für enorme Datenfluten, die neue Dienste – zum
Beispiel Videostreaming – mit sich bringen. Stichworte sind hier: kürzere Latenzzeiten,
flächendeckende garantierte Dienstgüte oder verbesserte spektrale Effizienz. Letztere bezeichnet
das Verhältnis zwischen Datenübertragungsrate in Bit pro Sekunde und Bandbreite des Signals in
Hertz.

Größere Effizienz muss her: Um den abstrakten Begriff der Spektraleffizienz etwas anschaulicher
zu vermitteln, hat Prof. Fettweis ein Rechenbeispiel parat. Die Netzbetreiber ersteigerten vor
Jahren die GSM-Mobilfunklizenzen in Deutschland für rund 1.000 Euro pro Hertz. Die
Spektraleffizienz des guten alten GSM liegt bei lediglich 0,1. Soll unter diesen Bedingungen eine
Datenübertragungsrate von100 MBit in der Sekunde erreicht werden, wäre eine Bandbreite von einem
GHz erforderlich mit (theoretischen) Lizenzkosten von rund einer Billion Euro.

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Die spektrale Effizienz muss daher besser, sprich der Faktor größer werden. Bei EDGE (Enhanced
Data Rates for GSM Evolution), einer Weiterentwicklung von GSM, sieht der Koeffizient mit 0,3 etwas
besser aus, HSPA (High Speed Packet Access) schafft schon 0,5. LTE ist mit 1,2 reichlich besser.
Bei EASY-C gibt es mit dem Faktor 3 einen starken Sprung. "Theoretisch ist in etwa 20 Jahren ein
Wert von 10 drin", sagt Fettweis.

Intelligente Lückenspringer: Frequenzen sind ein knappes Gut und nicht nur in Deutschland
restlos verteilt. Wird aus technischen Gründen ein Frequenzbereich frei – wie bei der
Digitalisierung des Rundfunks –, streiten sich gleich mehrere Interessengruppen erbittert darum. In
der Realität sieht es allerdings so aus, dass zwischen vergebenen und lokal tatsächlich genutzten
Frequenzen erhebliche Diskrepanzen liegen. Beispielsweise nutzen Militär und Polizei viele
Frequenzen nur bei Bedarf. Mit "Cognitive Radio" sollen nun leistungsfähige, intelligente Endgeräte
und Infrastrukturen entstehen, die das vorhandene Frequenzband besser ausnutzen helfen. "Wie baut
man ein frequenzagiles Kommunikationssystem, das sozusagen als Zweitnutzer bei Bedarf auf die
Lücken zurückgreift, und falls der legale Frequenzinhaber sie in Anspruch nimmt, diese sofort
wieder freigibt", umreißt Proessor. Fettweis die zentrale Aufgabenstellung der
Forschungsbemühungen. Das tatsächlich nutzbare Spektrum könnte mit Einsatz dieser Technologie um
den Faktor 10 steigen, ist der Wissenschaftler zuversichtlich.

Die Komplexität der Netze nimmt immer weiter zu. Allein die Mobilfunkbetreiber T-Mobile und
Vodafone verfügen jeder über rund 50.000 Basisstationen in Deutschland, die wiederum via Festnetz
miteinander kommunizieren. Gigantische Netze entstehen so, die alle administriert und gewartet
werden müssen. Folglich beschäftigt sich ein Großteil der zur ICC in Dresden erwarteten 1.500
Experten mit "Self-X". Dieses Kürzel steht für Selbstkonfigurieren, Selbstoptimieren, Selbstheilen
und noch mehr Selbst. Fettweis: "Künftig geht eine Basisstation per Plug and play selbst ans Netz."

Die Forschungen für energiesparende Systeme stehen noch am Anfang :Die Energieeffizienz ist ein
weiteres, außerordentlich wichtiges Forschungsfeld, denn den Betreibern von Kommunikationsnetzen
galoppieren die Energiekosten davon. Forschung und Industrie reagieren nun. Zum ersten Mal gibt es
deshalb auf dem Kongress einen "Workshop on Green Communications".

Das Jahr 2007 markierte einen Wendepunkt. Bei den Internet-Servern zogen die Stromkosten mit den
Investitionskosten gleich. Über den Abschreibungszeitraum von drei Jahren verursachen die Maschinen
durchschnittliche Energiekosten in der Höhe ihrer Anschaffungskosten. Und bei den Mobilfunkern sind
die Aufwendungen für Energie mit den Personalkosten mittlerweile auf der gleichen Höhe.
Beispielsweise zahlte Vodafone Deutschland 2007 je 80 Millionen Euro fürs Personal und für
Energie.

Die Hersteller achten zunehmend auf den Energiebedarf von neuen Technologien. Das beginnt bei
intelligenten technischen Lösungen für den Ruhezustand von Geräten. Sie sollen künftig in diesem
Modus möglichst gar keinen Strom mehr verbrauchen. Auf dem Workshop diskutieren die Ingenieure auch
Ideen für energiesparende Datenübertragung und cleveres Energiemanagement in
Kommunikationsnetzwerken. So wäre es beispielsweise denkbar, die Datenübertragung zukünftig statt
auf eine maximale Datenrate auf eine optimale Leistungsaufnahme auszurichten. Auch durch
intelligentes, stärker an der jeweiligen Auslastung orientiertes Netzmanagement könnte der
Stromverbrauch spürbar sinken. In diesem Themenfeld befinden sich Forschung und Entwicklung nach
Ansicht von Branchenexperten noch in einem sehr frühen Stadium.

Ingo Paszkowsky/CZ


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