Mobility und BYOD fordern Unternehmensnetze heraus

Enterprise-WLANs im Stresstest

16. Juli 2012, 6:00 Uhr | Stefan Mutschler/pf

Mitten im breiten Rollout von 802.11n-Funknetzen in Unternehmen klopft mit 802.11ac bereits eine noch leistungsfähigere Drahtlosgeneration an die Tür. "Gigabit-WLAN" hat allerdings hauptsächlich den bandbreitenhungrigen Consumer-Bereich im Visier und dürfte im Unternehmensumfeld aktuell auf geringen Bedarf stoßen. Dort ist ein ganz anderer Aspekt zunehmend relevant: Wie lassen sich die privaten Mobilgeräte und Smartphones der Mitarbeiter sicher ins Unternehmensnetz integrieren?Unternehmen investieren wieder mehr in ihre Kommunikationsinfrastruktur. Nach wie vor fließt zwar der größte Teil der Ausgaben in verkabelte Switches, aber im Jahresvergleich 2010 zu 2011 auf stagnierendem Niveau. Bei Drahtlosnetzwerken hingegen war ein Wachstum von stolzen 24 Prozent zu verzeichnen. Dies sind zumindest die Ergebnisse der relevanten vierteljährlichen Analyseberichte von Infonetics Research über "Wireless LAN Equipment", "Wifi Phones" und "Ethernet Switches".

Demzufolge hat sich auch der Wettbewerb für den WLAN-Marktführer Cisco verschärft, das Unternehmen konnte jedoch immer noch knapp die Hälfte des gesamten Enterprise-WLAN-Umsatzes für sich verbuchen. Die anderen Player kämpften wie schon in den vergangenen Jahren im Bereich einstelliger Umsatzanteile, allein Aruba als 2011 gefestigte Nummer zwei schaffte es erstmals, die Zehn-Prozent-Marke zu knacken (laut IDC hielt Aruba im vierten Quartal 2011 einen Marktanteil von 11,6 Prozent) - und dies sogar ohne Einbeziehung seines OEM-Geschäfts. So steht Aruba beispielsweise auch hinter der WLAN-Technik des Herstellers Alcatel-Lucent - wobei es zwischen beiden Unternehmen auch eine Kooperation auf Entwicklungsebene gibt.

HP und MSI (Motorola Solutions) wiederum wechseln sich abgeschlagen auf Platz drei und vier ab. Alle weiteren WLAN-Anbieter, die Infonetics für seine Untersuchungen auf dem Schirm hat, liegen mit ihren Marktanteilen mitunter deutlich unter fünf Prozent - auch bekannte Namen wie Aerohive, Alcatel-Lucent, Belair, Brocade, D-Link, Enterasys, Extreme, Juniper, Meru, Netgear, Polycom, Ruckus, SMC und Xirrus.

Den globalen WLAN-Markt insgesamt beziffert eine kürzlich veröffentlichte IDC-Studie für 2011 auf 6,4 Milliarden Dollar. Gut drei Milliarden Dollar gehen demnach auf das Konto des Enterprise-Segments, das damit inzwischen für knapp die Hälfte des gesamten WLAN-Umsatzes verantwortlich ist.

Deutsche Anbieter wie etwa AVM, Lancom und Teldat (ehemals Funkwerk Enterprise Communications) gehören im globalen Spiel nicht zu den Top-Favoriten, obwohl ihre Lösungen zum Teil durchaus nicht nur für den deutschsprachigen und europäischen Raum interessant sind. Jüngstes Beispiel bei Teldat ist ein neuer Bintec-WLAN-Controller, der eine lückenlose Überwachung im WLAN-Netz und ein Management aus der privaten Cloud heraus bietet. So werden nicht nur lokale Geräte verwaltet - es lassen sich auch entfernt angebundene Access Points (APs) zentral und ausfallsicher über VPN betreiben. Damit engagiert sich Teldat bei einem wichtigen Trend im Bereich WLANs, den international beispielsweise die Hersteller Aerohive und Meraki in Schwung bringen.

Lancom wiederum sieht seine Spezialität mehr in der Integration von Indoor- mit Outdoor-WLANs (Standortvernetzung) sowie von WLAN und Mobilfunk (GMS/UMTS und LTE). Dabei ist das jüngste Beispiel mit dem OAP-382 ein Dual-Radio Access Point nach 802.11n-Standard mit Glasfaser- und 48-Volt-Anschluss. Mittels eingebauter Heizung und Kühlung lässt sich das nach IP66 strahlwasserdichte Gerät bei Temperaturen von ?30 bis +65 Grad Celsius betreiben. Sein Einsatzszenario: Hochleistungsfunkstrecken im Freien auch unter Extrembedingungen - etwa für den industriellen Einsatz oder für Hotspot-Betreiber.

WLAN als BYOD-Auffahrt

Der Trend zu immer größerer Mobilität ruft drahtlose Zugangsplattformen stärker denn je auf den Plan. Spätestens mit Smartphones und Tablet-PCs, die heute zur Standardausrüstung fast jedes erwachsenen Bürgers gehören, hat sich BYOD (Bring Your Own Device) zur echten Herausforderung für IT-Administratoren in Unternehmen entwickelt. Dabei zählen vor allem drei Faktoren:

die kaum noch überschaubare Zahl und Vielfalt mobiler Geräte,

ihre hohe Leistung und Speicherkapazität, die einem Desktop-Rechner kaum noch nachstehen, sowie

die einfache Möglichkeit, sich über Drahtlosnetze mit dem Firmennetz zu verbinden.

Es gibt ernst zu nehmende Consulting-Häuser, die darin eine der größten Gefahren für die Unternehmens-IT seit der Erfindung des PCs sehen. Einschlägige Hersteller hingegen betonen den durch BYOD erzielbaren Unternehmensgewinn, der sich aus der gesteigerten Produktivität der Mitarbeiter speisen soll. Und während die "Gelehrten" noch streiten, setzen die Anwender Fakten. Wie nahezu alle Erhebungen aus der Praxis bestätigen, nutzt eine rasch steigende Zahl von Mitarbeitern in Unternehmen mindestens ein privat angeschafftes und verwaltetes Gerät gleichzeitig für private und geschäftliche Zwecke.

WLAN-Anbieter, die dem BYOD-Thema mit ihren drahtlosen Zugangsplattformen gleichsam Vorschub leisten, ermutigen Unternehmen, den Mobility-Trend proaktiv zu unterstützen - am besten natürlich mit den herstellereigenen Security- und Management-Plattformen. Cisco, Aruba und Aerohive zählen zu den Herstellern, die sich in dieser Hinsicht schon sehr früh mit einem Lösungsportfolio in Szene zu setzen suchten. Inzwischen haben viele andere nachgezogen.

So hat beispielsweise der in letzter Zeit etwas ins Straucheln gekommene Netzwerkausrüster Extreme Networks auf der CeBIT 2012 eine Neupositionierung als BYOD-Integrator vorgenommen. Dabei sollte die Vorstellung zahlreicher neuer Ethernet Switches und 802.11n-Access-Points mit erhöhter Reichweite sowie eines netzwerkübergreifenden, intelligenten Identity-Managements die künftige Unternehmensausrichtung untermauern.

Ein anderes Beispiel bietet Meru Networks - über die Jahre immer wieder als Übernahmekandidat für einen etablierten Netzwerkanbieter gehandelt. Dass es doch nicht dazu kam, mag am "All Wireless"-Ansatz gelegen haben, den Meru einst recht prominent für Unternehmen verkündete. Herstellern, die mit verkabelten Routern und Switches ihr Geld verdienen, stieß diese Strategie verständlicherweise bitter auf. Da Unternehmen aber nach wie vor weit davon entfernt sind, auf eine verkabelte Netzwerkinfrastruktur zu verzichten, musste sich der WLAN-Pionier dringend ein anderes "Steckenpferd" suchen. Dieses fand er im September letzten Jahres mit der Übernahme des WLAN-Nischenanbieters Identity Networks. Identity hatte mit dem Identity Manager eine erfolgreiche Plattform für das Gast-Access-Management am Start - und diese hat Meru inzwischen mit einem erweiterten Funktionspaket ("Smart Connect") zu einer umfangreichen BYOD-Management-Lösung ausgebaut.

Juniper Networks, um auch ein Beispiel aus der Netzwerkszene zu nennen, gilt bei WLANs als vergleichsweise neuer Player - was erklärt, warum er (noch) nicht in den einschlägigen Studien der Marktforscher erscheint. In der Anfangszeit primär auf Carrier-Router fokussiert, engagiert sich das Unternehmen seit einigen Jahren auch sehr stark im Enterprise-Geschäft. Um dieses zu stärken, hat sich Juniper Ende 2010 Trapeze Networks einverleibt, einen traditionsreichen WLAN-Hersteller, der zuvor von Belden aufgekauft worden und dort komplett in der Versenkung verschwunden war. Mit Trapeze, dessen Name inzwischen nirgends mehr auftaucht (allenfalls einzelne Produktnamen wie etwa "Ringmaster" erinnern noch an diese Herkunft), sicherte sich Juniper vor allem eine Reihe wichtiger Patente im WLAN-Umfeld.

Erst wenige Monate vor der Trapeze-Übernahme überraschte Juniper die Fachwelt mit einer umfangreichen Lösung für die Sicherung und das Management mobiler Geräte. Als Teil der Junos-Pulse-Plattform bot diese Mobile Security Suite (MSS) sowohl Sicherheit und geschützten Zugriff, als auch Einbindung in ein zentrales IT-Management für gängige Mobilgeräte. Die unterstützten Smartphone-Plattformen hat der Hersteller laufend ergänzt. Aus heutiger Sicht war MSS eine der ersten ernst zu nehmenden BYOD-Lösungen überhaupt am Markt und mithilfe der Trapeze-Techniken integriert sie inzwischen auch WLAN als bevorzugtes Access-Medium für mobile Geräte in Unternehmen. MSS bildet auch den Kern der auf dem letzten Mobile World Congress in Barcelona proklamierten Trusted-Mobility-Initiative von Juniper, die es Nutzern, Unternehmen und Betreibern von Mobilfunknetzen gleichermaßen erlauben soll, Daten von ihren Endgeräten beziehungsweise den Endgeräten ihrer Kunden im Netzwerk zu verwalten und zu schützen. Speziell für Unternehmen hat Juniper mit "Simply Connected" zusätzlich eine Strategie entwickelt, die einen ganzheitlichen Ansatz für die Themen Sicherheit, einheitliche Policies und mobiler Zugang bietet.

802.11ac - neue WLAN-Generation kommt im Trab

Funknetzexperten blicken derzeit auf ein erstaunliches Phänomen: Ein neuer WLAN-Standard gedeiht nach Plan! In der Vergangenheit war es bei allen Hauptstandards in den zuständigen IEEE-Gremien zu Verzögerungen gekommen, die Verabschiedung des aktuellen Hauptstandards 802.11n hatte sich letztlich um volle zwei Jahre verschoben. Mit dessen Nachfolger 802.11ac für Gigabit-Übertragungen im 5-GHz-Band scheint jedoch zumindest nach derzeitiger Lage alles im Zeitplan zu laufen. Schon seit Mitte Februar dieses Jahres existiert der "Draft 2" (89 Prozent der Spezifikationen sind finalisiert), bis Dezember 2013 soll der endgültige Standard verabschiedet sein.

Der erreichte Status "Draft 2" bedeutet aber auch, dass sich noch bevorstehende Änderungen der Standardspezifikationen per Firmware-Update in den Komponenten umsetzen lassen sollen. So können die Hersteller bereits jetzt mit der Vermarktung ihrer Produkte loslegen - und Anwender diese relativ gefahrlos kaufen. Zu gegebener Zeit wird dann die Softwareaktualisierung auf den finalen Standard erfolgen. Bei 802.11n jedenfalls hat dies unter dem Strich gut funktioniert.

Der Antrieb für "ac"-Produkte kommt derzeit in erster Linie aus dem Consumer-Markt. Dort dürfte die Verteilung von HD-Videosignalen im Haushalt - etwa von einem Media-Server auf ein TV-Gerät - ein bevorzugtes Anwendungsszenario darstellen. Die hohen Übertragungsraten von zunächst nominell 1,3 GBit/s bieten dafür eine ideale Basis.

In Unternehmen hingegen besteht für die erhöhten Bandbreiten von "ac" bisher noch kaum Bedarf. Lediglich bei sehr hoher Benutzerdichte wie zum Beispiel auf großen Konferenzen und Messen könnte der neue Standard im Business-Umfeld seine Stärken ausspielen. Relativ schnell immerhin dürfte "ac"-Technik den Weg in Smartphones und Tablet-PCs finden. Der Grund: Trotz höherer Leistung soll der Energieverbrauch von "ac"-Chips zum Teil deutlich unter dem von "n"-Chips liegen.

Die ersten Hersteller zeigten bereits im Januar dieses Jahres auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas ihre 802.11ac-Prototypen. Inzwischen gelangen erste Geräte bereits in den Handel - zum Beispiel von Netgear. Auch Ruckus Wireless hat kürzlich seine erste "ac"-Lösung vorgestellt, wobei das Unternehmen einen starken Fokus auf Carrier-WLANs richtet. Diesen will Ruckus künftig zusammen mit Nokia Siemens Networks weiter forcieren. Laut einem gerade unterzeichneten, weltweiten Partnerschaftsabkommen wollen die beiden unterschiedlichen Player Mobilfunkbetreiber dabei unterstützen, WLANs in ihre Infrastruktur zu integrieren, um kosteneffiziente Breitbanddienste anbieten zu können.

Xirrus wiederum präsentierte auf der CeBIT 2012 einen einfachen und kostengünstigen Migrationspfad für die Implementierung der neuen "ac"-Technik: Durch die flexible Architektur der Xirrus-Funk-Arrays lassen sich bei Bedarf 802.11ac-Module einfach einstecken oder austauschen. Jedes Modul entspricht dabei einem Access Point, der über einen eigenen PCI-Express-Bus mit 2,5 GBit/s an den integrierten Array Controller angebunden ist.

Auch erstes Test-Equipment für 802.11ac-Installationen ist inzwischen auf dem Markt. Ixia beispielsweise zeigte solches im Mai während der Interop-Show in Las Vegas als Teil seiner WLAN-Produktsuite Ixveriwave. Einschlägige Chiphersteller wie Broadcom und Qualcomm Atheros erwarten, dass sich das neue Netzwerkverfahren in den kommenden zwei Jahren vollständig auf dem Markt durchsetzen wird. Zumindest im Unternehmensumfeld scheint diese Prognose allerdings wenig realistisch. Viele dieser Anwender sind gerade erst dabei, 802.11n auf breiter Basis einzuführen - und dies auch nur dann, wenn es der Bedarf klar fordert. Für zahlreiche Anwendungen wie etwa Lagerverwaltung oder auch Voice over WLAN hat sich die bestehende Funktechnik etwa nach 802.11g als völlig ausreichend und stabil erwiesen. Wenn es nicht um besonders hohe Übertragungsleistungen geht, ist daher sicher keine technikgetriebene Hektik im Hinblick auf 802.11ac angesagt.

Der Autor auf LANline.de: ElCorrespondente

Juniper hat inzwischen das komplette Trapeze-WLAN-Portfolio in die eigenen Produktlinien integriert - so auch die Access Points der WLA-Serie (im Bild: WLA 321), die mit Funktionen zur Spektrumanalyse sowie für Meshing- (direkte AP-zu-AP-Kommunikation) und Bridging-Services ausgestattet sind. Bild: Juniper

Xirrus präsentierte auf der CeBIT 2012 einen einfachen und kostengünstigen Migrationspfad für die Implementierung der neuen "ac"-Technik: Die modular wechselbaren Funkmodule eines XR Arrays stellen in Wirklichkeit komplette Access Points dar, die sich beliebig mischen lassen. Bild: Stefan Mutschler
LANline.

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