Die ICANN war 1998 zwar als gemeinnützige Organisation, die sich um die Verwaltung des Internets kümmert, gegründet worden. Ganz wollten die USA aber nicht von der Kontrolle des Netzes lassen und behielten sich die Aufsicht über die ICANN-Abteilung IANA vor. Kritik daran gab es immer wieder, doch erst der Ende September 2016 auslaufende Vertrag mit der US-Regierung sorgte dafür, dass eingehend darüber nachgedacht wurde, wie es organisatorisch weitergehen könnte. Wohl auch getrieben durch die Snowden-Enthüllungen der umfassenden Internet-Überwachung durch die USA kündigte die NTIA im März 2014 an, die Aufsicht abzugeben, sollte ein brauchbares neues System präsentiert werden – dieses legte die ICANN dann im März dieses Jahres vor.
Damit waren die Weichen gestellt, doch aus der Politik kam heftiger Widerstand. Der republikanische Senator und frühere Präsidentschaftskandidat Ted Cruz kritisierte etwa, der Staat könne künftig nicht mehr die Meinungsfreiheit im Netz schützen. Sein Schreckensszenario: Das Internet werde wie Staaten im Nahen Osten geführt, die schwere Strafen für alles verhängen, was sie für Blasphemie halten; oder wie Russland und China, die politisch Andersdenkende einsperren.
Auch Donald Trump meldete sich zu Wort und ließ über seinen Berater Stephen Miller mitteilen, die USA hätten das Internet geschaffen und mit ihrer Aufsicht zu einem freien Ort ohne Zensur gemacht. Diese Freiheit sei nun bedroht, da der Präsident die Kontrolle internationalen Interessen überlasse, darunter denen von Russland und China. »Die Republikaner im Kongress führen einen Kampf, um das Internet zu retten, und brauchen die Hilfe des amerikanischen Volkes, um erfolgreich zu sein. Hillary Clintons Demokraten weigern sich, das amerikanische Volk zu beschützen, indem sie das Internet beschützen«, so der Trump-Berater.
Noch am 29. September versuchten die vier republikanisch geführten US-Bundesstaaten Arizona, Nevada, Oklahoma und Texas die Übergabe der Kontrollfunktionen an die ICANN zu stoppen. Ihre Klage wurde jedoch abgewiesen, sodass der Vertrag der IANA mit der US-Regierung wie geplant auslief. Nun müssen mehr Interessen als bisher berücksichtigt werden, was wahrscheinlich viele Abstimmungsprozesse komplex macht. Doch das Internet ist, auch wenn der Normalnutzer davon wahrscheinlich nichts mitbekommt, ein Stück demokratischer geworden.