Arbeiter, die aktuelle Produktionsdaten auf ihre Smartwatch erhalten, Maschinen per Smartphone steuern oder Anlagen auf dem Tablet warten - ohne WLAN sind solche Szenarien des digitalen Industriezeitalters nicht denkbar. Welche Anforderungen müssen Drahtlosnetze in der Shopfloor-Umgebung erfüllen, und welche Speziallösungen für den industriellen Einsatz von WLAN (IWLAN) gibt es?
Im Umfeld von Industrie 4.0 spielt WLAN als Anbindungstechnik eine immer wichtigere Rolle. Dort sorgt es im Vergleich zur festen Verkabelung für deutlich mehr Flexibilität bei der Datenübertragung. Funknetze ermöglichen es, dass Mitarbeiter auch in der Produktion mit unterschiedlichen Endgeräten flexibel und mobil arbeiten können. So lassen sich Produkte im Rahmen der Überwachung von Fertigungs- und Transportprozessen einfach lokalisieren und identifizieren, beispielsweise beim Behälter-Management. Zudem arbeiten Mitarbeiter mit drahtlosen Endgeräten wie Drehmomentschraubern und Software-Betankungssystemen. Auch Montageanleitungen und Dokumentationen sind in digitaler Form über tragbare Endgeräte verfügbar und mobile HMI-Systeme (Human Machine Interface) lassen sich zur Kontrolle von Betriebsdaten sowie für die Steuerung einfacher Vorgänge einsetzen.
Allerdings müssen Drahtlosnetze in Shopfloor-Umgebungen andere Merkmale erfüllen als an Büro-Arbeitsplätzen. Flächendeckende Bereitstellung, hohe Performance, Anbindung vieler Teilnehmer, Sicherheit und ein einfaches Management sind bei Letzteren die wichtigsten Anforderungen. In der Produktion hingegen waren bislang eine produktionsbezogene punktuelle Bereitstellung, Ausfallsicherheit, Zuverlässigkeit, Robustheit sowie eine einfache und schnelle Wiederherstellung unverzichtbar. Moderne IT-Infrastrukturen im Industrie-4.0-Umfeld müssen die Vorteile beider Welten vereinen. Die besondere Beschaffenheit industrieller Umgebungen erschwert allerdings dieses Ziel: Viel Metall, Staub, extreme Temperaturen und Erschütterungen stellen hohe Ansprüche an die kabellose Datenübertragung in der vernetzten Fabrik. Technik, die in Fertigungshallen zum Einsatz kommt, muss deshalb deutlich robuster sein als im Büro.
Hinzu kommt das noch kaum absehbare Datenwachstum in vernetzten Industrie-4.0-Umgebungen. Nicht nur die Anzahl der über WLAN kommunizierenden Nutzer, auch der Umfang an übertragenen Daten und die erzeugte Datenmenge pro Teilnehmer steigen in Industrie-4.0-Umgebungen überdimensional stark an. Zudem nutzen Bluetooth-Anwendungen wie Beacons, RFID, Video- und Zugangssysteme denselben Frequenzbereich und beanspruchen die vorhandene Bandbreite zusätzlich zu mobilen Endgeräten und per Internet-Uplink verbundenen Anlagen und Maschinen.
Gerade im Produktionsumfeld, in dem eine besonders hohe Zuverlässigkeit und Verfügbarkeit gewährleistet sein muss, sind kritische Störungen vorprogrammiert, wenn sich Frequenzen überlappen oder Übertragungskanäle belegt sind. Um die Produktion nicht zu gefährden, dürfen die Verbindungen auch beim Roaming - dem Wechsel von einem Access Point zu einem anderen - nicht unterbrochen werden. Andernfalls würden beispielsweise fahrerlose Transportsysteme in einem Lager oder einer Werkhalle stehen bleiben. Die drahtlos verschickten Daten müssen zudem zu einem definierten Zeitpunkt garantiert ankommen.
Die in der Office-IT eingesetzten WLAN-Lösungen stoßen bei solchen Anforderungen an ihre Grenzen. Daher haben Hersteller wie etwa Siemens eigene Speziallösungen entwickelt. Ein Feature ist beispielsweise IPCF (Industrial Point Coordination Function), das den Teilnehmern Sende- und Empfangszeit zuteilt. So lassen sich kritische Daten mit höherer Priorität behandeln, um vorgegebene Empfangszeiten einzuhalten. Zudem kann diese Technik den Roaming-Vorgang beschleunigen, sodass die Kommunikationsverbindung auch während des Übergangs zwischen verschiedenen Access Points nicht unterbricht.
Sollte ein Frequenzbereich besetzt sein, sorgt wiederum "Ihop" (Industrial Frequency Hopping) dafür, dass das IWLAN auf einen anderen Kanal springt. Dieses "Hopping" funktioniert so schnell, dass es die Datenübertragung in der Regel nicht beeinträchtigt, sogar wenn ein Kanal gestört ist. Einen solchen schließt der Access Point sofort und streicht ihn vorübergehend von seiner Sprungsequenz. Sollte zum Beispiel das häufig genutzte 2,4-GHz-Band nicht mehr bereitstehen, lässt sich das 5-GHz-Band verwenden, um die Verfügbarkeit zu gewährleisten.
In Bereichen, in denen eine herkömmliche Antennentechnik nur mit großem Aufwand zu installieren ist, lassen sich beispielsweise Rcoax-Kabel (Radio Coax) verwenden. Solche speziell angefertigten Koaxialleiter stellen ein WLAN über definierte Signalausgänge eines Kabels zur Verfügung und ermöglichen so eine zuverlässige Funkverbindung. Diese Technik der sogenannten Leckwellenleiter kommt zum Beispiel in Tunneln, Kanälen oder Aufzugsschächten zum Einsatz, aber auch für die Kommunikation mit schienengeführten Fahrzeugen oder autonomen Transportsystemen.
Trotz solcher Speziallösungen bleibt IWLAN in modernen Shopfloor-Umgebungen immer noch ein sensibles Medium. Es sollte daher mit Bedacht sowie nur nach guter Anforderungsanalyse zum Einsatz kommen. Beim der Verwendung von WLAN im Industrieumfeld ist zu berücksichtigen, dass es auch andere drahtlose Infrastrukturen sowie etablierte und neu hinzukommende funkbasierende Techniken wie Bluetooth, RFID oder Zigbee gibt. Daher müssen Unternehmen ein Frequenz-Management etablieren. Dieses dokumentiert und bestimmt durch Regeln, welche Funktionsbereiche mit welchen Frequenzen und Kanälen wann, wie und wo funken dürfen. Letzteres gewährleistet, dass sich die verschiedenen Sender gegenseitig nicht stören, um eine hohe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit zu erreichen.
Schon bei der Planung sollten die Verantwortlichen darauf achten, dass jede Umgebung unterschiedliche Eigenschaften besitzt. Daher ist eine WLAN-Ausleuchtung und -Messung vor und nach der Installation ratsam. Neben Planung, Architektur und umfassender Konzeptionierung sind auch Betriebsthemen wie Monitoring, Wartungs- und Lizenz-Management, Zertifizierung und Interoperabilität einzubeziehen. Denn diese Aspekte erhalten mit zunehmendem Einsatz von WLAN in geschäftskritischen Industriebereichen eine immer höhere Relevanz.
In der Logistik, in der Produktion oder der Instandhaltung bieten mobile Techniken große Vorteile. Daher spielt die Datenübertragung per WLAN heute schon eine wichtige Rolle in industriellen Umgebungen. Im Zuge der zunehmenden Verbreitung von Industrie-4.0-Szenarien werden Funktechniken sogar noch wichtiger. Fahrerlose Transportsysteme befördern Waren oder Produktionsbestandteile; Datenbrillen, -handschuhe oder Smartwatches bieten in allen Umgebungen Vorteile, in denen Mitarbeiter mit zwei freien Händen effektiver arbeiten können. Auf der Basis einer WLAN-Infrastruktur lassen sich eine sichere und zuverlässige Kommunikation innerhalb der gesamten Produktionshalle, eine effizientere Fertigungsplanung und eine höhere Produktivität in der Produktion gewährleisten.
Mobile HMI-Systeme können zur Kontrolle von Betriebsdaten und zur Steuerung einfacher Vorgänge zum Einsatz kommen. Ein kontrollierter Gastzugang für externe Service-Techniker ermöglicht Zugang zu speziellen Anwendungen oder Geräten im Produktionsnetzwerk. Location-Based Services machen die Suche nach Maschinen überflüssig und ermöglichen eine zeitnahe Wartung für mobile Vorrichtungen wie etwa Hebebühnen. Diese Beispiele zeigen, dass die digital vernetzte Fertigung zwingend ein Shopfloor-WLAN benötigt.