Von PoE zu PoE Plus: Technik und Einsatzaspekte

Gesteigerte Leistung, mehr Komfort

24. März 2011, 13:20 Uhr | Roman Reger, Key Account Manager Project/Brand Business bei Levelone

Die Nutzung von Power over Ethernet (PoE) findet immer mehr ­Akzeptanz. Mit dem neuen Standard PoE Plus (IEEE 802.3at), der sich durch eine höhere Leistungsabgabe auszeichnet, lassen sich nun auch Endgeräte betreiben, für die der bisherige 802.3af-Standard nicht ausreicht. So entstehen sowohl für das industrielle als auch für das gewerbliche Umfeld neue Einsatzmöglichkeiten.Bei Schnittstellen wie USB oder Firewire haben die Entwickler bereits von vornherein berücksichtigt, dass sich angeschlossene Endgeräte darüber auch mit Strom versorgen lassen. So ist bei Geräten mit geringer Stromaufnahme wie zum Beispiel Festplatten ein direkter Betrieb ohne zusätzliche Netzteile möglich. Bei Entwicklung der Ethernet-Schnittstelle in den 70er-Jahren konnte sich allerdings niemand ein solches Einsatzszenario vorstellen. Erst 2003 rüstete der IEEE-Standard 802.3af die traditionelle Netzwerkschnittstelle entsprechend nach. Neben der reinen Datenübertragung über die vorhandenen Kupfernetzwerkkabel ab Kategorie 5, wird bei PoE auch der Strom über dasselbe Kabel eingespeist. Damit stellt PoE prinzipiell einen neuen, universellen und aus der Ferne verwaltbaren Daten- und Stromversorgungsanschluss zur Verfügung. Dies reduziert den Verkabelungsaufwand für die Installation des Netzwerks und seiner aktiven Komponenten. Das Ergebnis sind reduzierte Kosten, weniger Ausfälle, eine einfachere Instandhaltung und eine höhere Flexibilität gegenüber herkömmlicher Verkabelung. Das Strom-Einspeisemodul (Power Sourcing Equipment, PSE) stellt den Strom ausschließlich geeigneten Verbrauchern (Powered Devices, PDs) zur Verfügung und überwacht und begrenzt die vom PD entnehmbare Leistung. In Verbindung mit einer unterbrechungsfreien Stromversorgung (USV) am PSE lässt sich für die angeschlossenen PoE-Geräte auch eine zentrale Absicherung gegen einen Stromausfall realisieren: So kann zum Beispiel eine Videoüberwachungskamera weiterhin aufzeichnen. Bei Störungen wie einem Kurzschluss oder einer Überlastung findet bei PoE automatisch eine physische Trennung statt, das Endgerät ist dann elektrisch abgeschaltet. Bei der Standardisierung von 802.3af war die Unterstützung von Gigabit Ethernet noch kein Thema, und es sind unter diesen Voraussetzungen zwei verschiedene Einspeisungsvarianten vorgesehen, von denen die erste klar auf 10Base-T und 100Base-T beschränkt ist: Das "Spare Pairs"-Verfahren verwendet die beiden bei 10Base-T und 100Base-T nicht genutzten Adernpaare des Netzwerkkabels (4/5 und 7/8) zur Stromversorgung. Für Gigabit Ethernet, das alle acht Adern nutzt, ist dieses Verfahren ungeeignet. Bei der "Phantom"-Speisung überlagert der Stromfluss die Datensignale auf den jeweiligen Adern. Dieses Verfahren eignet sich also auch für Gigabit Ethernet und kann dabei prinzipiell auch alle vier Adernpaare zur Stromversorgung nutzen - wobei 802.3af nur zwei Adernpaare berücksichtigt. Die Implementierung von PoE erfolgt entweder direkt über einen Netzwerk-Switch (Endspan), der selbst PoE zur Verfügung stellt, oder über einen PoE-Hub (Midspan), der zwischen Switch und PD geschaltet wird. Bei den Midspan-Systemen erfolgt die Stromeinspeisung über die beiden nicht für die Datenübertragung genutzten Adernpaare. Der Vorteil der Midspan-Lösungen ist zwar, dass sich vorhandene Netzwerk-Switches weiterhin nutzen lassen und dort keine Umrüstung auf PoE-fähiges Equipment erforderlich ist. Der Nachteil liegt aber in der Beschränkung auf 10Base-T und 100Base-T. Die Limitierung auf maximal 100 MBit/s stellt in modernen Netzwerken jedoch eine erhebliche Einschränkung dar. Bei Endspan-Systemen entfallen diese Beschränkungen, sie können daher auch Gigabit-Systeme mit PoE versorgen. Leistungssteigerung durch PoE Plus Da sowohl RJ45-Stecker als auch das Twisted-Pair-Kabel nicht für große Stromstärken ausgelegt sind, verwendet der PoE-Standard 802.3af abhängig vom Betriebszustand eine Spannung zwischen 44 und 57 V mit einer maximalen Stromstärke von 350 mA. Daraus resultieren maximal 15,4 W, die das PSE pro Port ausgeben kann. Durch die Verluste im Kabel stehen nach 100 Metern noch 12,95 W für das Powered Device zur Verfügung. Bei dem neueren Standard PoE Plus erhöht sich die Betriebsspannung von 44 V auf 50 V und die Stromstärke auf 720 mA für zwei Adernpaare. Da 802.3at im Gegensatz zu 802.3af alle vier Adernpaare für die Stromversorgung nutzt, ist letztlich eine Leistung von 60 W erreichbar. Unter Berücksichtigung der Leitungsverluste bleiben damit für das Endgerät noch 50 W. Die Spezifikation zu PoE Plus stellt dem Endgerät zurzeit jedoch nur die Hälfte, also 25,5 W, zur Verfügung. Eine PD-Leistungsklasse, die die theoretisch möglichen 50 W nutzt, ist bislang nicht definiert. Trotz der Neuerungen bei PoE Plus ist der 802.3at-Standard voll abwärtskompatibel zu 802.3af - bisherige PoE-Endgeräte lassen sich also weiterhin betreiben. PoE Plus stellt damit eine Fortentwicklung des bisherigen Standards dar. Die notwendige Differenzierung der unterschiedlichen Endgeräte erfolgt dabei über verschiedene Mechanismen. PoE Plus spezifiziert zum einen eine zusätzliche PD-Leistungsklasse. Zum anderen existiert eine Zwei-Event-Klassifikation für das physische Layer sowie eine Klassifikation für die Sicherungsschicht (Data Link Layer, DLL). Bei der ersten Klassifikation sendet das PSE zwei Klassifizierungsimpulse aus. Der Verbraucher, der mehr als die von 802.3af gebotenen 12,95 W benötigt, antwortet darauf mit einer Klasse-4-Signatur. Das PSE sendet bei der zweiten Klassifizierung einen einzigen Impuls aus und versorgt das Endgerät mit Strom. Das Endgerät ist anschließend in der Lage, aktiv mit dem PSE über ein DLL-Protokoll (Link Layer Discovery Protocol, LLDP) seinen tatsächlichen Leistungsbedarf auszuhandeln. In Tabelle 1 sind die PD-Leistungsklassen nach PoE Plus aufgeführt, Typ 2 kennzeichnet hierbei die Endgeräte nach 802.3at, Typ 1 die Endgeräte nach 802.3af. Wie schon bei 802.3af überprüft zudem ein Schutzmechanismus vor dem Einschalten alle angeschlossenen Endgeräte auf PoE-Unterstützung. An einem Anschluss wird nur dann Spannung geschaltet, wenn dort ein entsprechend geeignetes Endgerät angeschlossen ist. Um PoE-konforme Endgeräte von Nicht-PoE-Endgeräten zu unterscheiden, kommt im PSE ein Verfahren namens Resistive Power Directory zum Einsatz. Im Endgerät selbst sind für dieses Verfahren nur passive Bauteile nötig. Das PSE prüft dabei über eine Messschaltung, ob der Innenwiderstand des Verbrauchers zwischen 19 und 26,5 kOhm mit einer Kapazität von maximal 10 µF beträgt. Ist diese Messung erfolgreich, aktiviert das PSE die Energieversorgung und spezifiziert die Leistungsklasse des PDs über eine weitere Messung. Ebenso existiert ein Disconnect-Schutzmechanismus, der bei einer Trennung des Endgeräts vom PoE-Anschluss greift. Das PSE unterbricht dann sofort die Stromversorgung am entsprechenden Port, um zum Beispiel einem möglichen Vertauschen von PoE-fähigen und nicht-PoE-fähigen Geräten am Ethernet-Interface entgegenzuwirken. Einsatzaspekte von PoE Plus Durch die höhere Leistungsabgabe bei 802.3at lassen sich nun Endgeräte mit PoE betreiben, für die 802.3af nicht ausreicht. So ist etwa die Einbindung von Touchpanels, WLAN Access Points mit 802.11n oder auch IP-Außenkameras mit integrierter Heizung, Lüftung und Infrarot durch 802.3at realisierbar. Auch die Unterstützung von zusätzlichem Equipment, das Wechselspannung benötigt, ist über spezielle PoE-Splitter, die eine Umwandlung von Gleich- auf Wechselstrom durchführen, möglich. Dadurch ergeben sich sowohl im industriellen wie auch im häuslichen Umfeld völlig neue Einsatzaspekte. Durch PoE Plus wird der Bereich der Automatisierungstechnik weiter voranschreiten - schon heute kommen etwa Bildverarbeitungssysteme und Benutzerschnittstellen in Fabrikhallen zum Einsatz. Im häuslichen Umfeld wird durch PoE Plus der Komfort weiter wachsen: So ist eine Integration von Touchpanels über PoE Plus mittlerweile realisierbar, denkbar sind ebenfalls Heizungssteuerungen, Klimatisierungssysteme, Alarmanlagen, Türschlösser und Sensoren. Aus Sicht der Hausautomation zählt die Kombination aus zentraler Stromversorgung und Datenvernetzung, sodass zum Beispiel auch aus der Ferne ein Zugriff auf diese Systeme möglich ist. Ebenfalls lassen sich mit 802.3at nun größere Distanzen überbrücken. Durch PoE-Repeater, die sich selbst über PoE speisen, ist es möglich, die Cat.-5-Strecke sowohl im Innen- als auch im Außenbereich um weitere 100 Meter zu verlängern. Dies kann bis zu sechs Mal hintereinander erfolgen. Durch die Leistung, die die PoE-Repeater selbst aufnehmen, ist dann am Beginn der Strecke allerdings ein PoE-Injektor erforderlich, der mehr als 30 W an Leistung zur Verfügung stellt, damit ein Endgerät nach PoE Plus mit 25,5 W versorgt werden kann. Alternativ kann am Ende der erweiterten Strecke auch ein 802.3af-konformes Endgerät zum Einsatz kommen. Zudem lassen sich Endgeräte, die selbst kein PoE unterstützen, über PoE-Splitter betreiben, die die benötigte Gleichspannung auskoppeln, während sie die Datenverbindung zum Endgerät weiterleiten. Auf diese Weise lässt sich eine Vielzahl von Endgeräten "PoE-fähig" machen. Die durch PoE verursachte erhebliche Wärmeentwicklung in Verteilerschränken stellt allerdings bereits mit 802.3af-Produkten häufig ein Problem dar. Denn schon bei maximal 12,95 W pro PD steigt die Temperatur in einem mit Switches gefüllten Server-Schrank und seinen Hunderten von Ports stark an und macht eine zusätzliche Klimatisierung sowie eine ausreichende Luftzirkulation unumgänglich. Aller Voraussicht nach wird die mit 802.3at verbundene Leistungssteigerung dieses Problem weiter verschärfen und eine zusätzliche Steigerung der Kühlkapazität erfordern. In der Realität werden jedoch nur die wenigsten der angeschlossenen Endgeräte die maximale Leistung benötigen, denn nach wie vor dürfte es sich bei der Mehrheit der PDs um IP-Telefone oder WLAN Access Points handeln, die nur geringe Leistungsanforderungen stellen und leicht mit der Leistung von 802.3af auskommen. Ermittlung der Leistungsaufnahme Dennoch gewinnt mit PoE Plus die genaue Ermittlung der Leistungsaufnahme jedes einzelnen PDs zunehmend an Bedeutung, um so die insgesamt umgesetzte Leistung berechnen und die Hitzeentwicklung abschätzen zu können. So lassen sich rechtzeitige Gegenmaßnahmen bei zu hoher Wärmeentwicklung einleiten. Die exakte Ermittlung der übertragenen PoE-Leistung und der damit verbundenen Wärme hat aber noch einen weiteren wichtigen Hintergrund: Innerhalb der Verteilerschränke lässt sich die Temperatur meist genau überwachen, die Schränke verfügen üblicherweise über eine gute Klimatisierung und Belüftung.

Über PoE-Plus-Hubs, die pro Port 30 W zur Verfügung stellen, lassen sich Outdoor-Kameras, WLAN Access Points nach 802.11n und so

Speziell im Outdoor-Bereich zeigt PoE Plus seinen großen Nutzen, da sich über PoE-Repeater die Kabelstrecke verlängern lässt. So

Tabelle 1. PD-Leistungsklassen und maximale Verbrauchsaufnahme des Endgeräts nach PoE Plus: Typ 2 kennzeichnet die Endgeräte nac
LANline.

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