Batterielose Funktechnik

Industrieanlagen überwachen

9. November 2011, 6:00 Uhr | Armin Anders/pf,Leiter Produkt-Management und Mitgründer von Enocean.

Funktechnik spielt heute in der Industrie eine wichtige Rolle bei der Überwachung und Steuerung von Produktionsanlagen. So entfallen aufwändige Verkabelungen zu den einzelnen Maschinen und Standorten. Funksensoren lassen sich zudem leichter installieren und bieten mehr Flexibilität bei Änderungen der Produktionsumgebung. Energieautarke Funktechnik vermeidet zudem die Stromversorgung über Batterien - und deren zeitintensiven Wechsel.Hohe Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit von Produktionsanlagen sind wesentliche Faktoren für den Erfolg von Industrieunternehmen. Daher sind Betreiber von Anlagen auf Lösungen zur permanenten Überwachung und Optimierung ihrer Produktionsmaschinen angewiesen. So lassen sich Störungen frühzeitig erkennen und geeignete Maßnahmen rechtzeitig ergreifen. Bisher kamen in der Regel verdrahtete Überwachungssysteme zum Einsatz. Die Folge sind lange Kabelstrecken in den Produktionshallen - und ein beträchtlicher Zeit- und Materialaufwand. Dies hat zur großen Akzeptanz drahtloser Systeme beigetragen, die sich leicht und schnell installieren lassen. Eine Herausforderung bei drahtlosen Systemlösungen stellt jedoch die Abhängigkeit von Batterien bei der Energieversorgung dar, denn das Auswechseln ist zeit- und kostenintensiv.

Energie aus der Umwelt "ernten"

Eine wartungsfreie Alternative bei der Überwachung und Steuerung von Industrieanlagen bietet beispielsweise die batterielose Funktechnik von Enocean, die nach dem Energy-Harvesting-Prinzip arbeitet. Dabei wird Energie aus der Umgebung "geerntet" - beispielsweise aus Licht, Bewegung oder Temperaturdifferenzen. Die aus der Umgebung gewonnene Energie reicht aus, um ein Funksignal zu versenden und so zum Beispiel die Störung bei einer Produktionsmaschine zu melden.

Die Energie für die Funkmodule erzeugen Energiewandler - zum Beispiel ein miniaturisiertes Solarmodul oder ein elektrodynamischer Energiegenerator. Letzterer arbeitet ähnlich wie ein Fahrraddynamo. Das Drücken eines Schalters bringt in diesem Fall einen zirka 1,5 mm großen Magnet in einer Spule in Bewegung. Dies erzeugt eine winzige Menge elektrischer Energie. Diese versorgt ein "Ultra Low Power"-Funkmodul, das dann Signale an einen Empfänger sendet. Ein elektrodynamischer Energiegenerator ist auf über 200.000 Schaltspiele ausgelegt und deckt damit zum Beispiel die Lebenszeit eines Fertigungsfelds ab. Jede Betätigung erzeugt knapp 150 µWs - ausreichend Energie, um drei Funksignale über eine Reichweite von 300 m im freien Gelände oder über eine Entfernung von bis zu 30 m im Gebäudeinneren zu senden.

Beziehen die Funkmodule ihre Energie über eine Minisolarzelle, funktioniert die Elektronik - im Unterschied zu klassischen Solarmodulen - auch bei absoluter Dunkelheit. Die Aufladung ist bereits bei minimalen Lichtverhältnissen möglich (ab 50 Lux Lichtstärke). Ein integrierter Energiespeicher sorgt für einen ausreichenden Energievorrat und ermöglicht dadurch die volle Funktion auch bei vollständiger Dunkelheit - bis zu sieben Tage.

Neben Bewegung und Licht kann die batterielose Funktechnik auch Temperaturdifferenzen als Stromquelle nutzen. Dabei lässt sich die über ein Peltier-Element gewonnene Energie (ab 20 mV - entsprechend 2 Kelvin Temperaturdifferenz) in die von konventioneller Elektronik nutzbare Ausgangsspannung von 3 bis 4 V umwandeln. Die erzeugte Energie reicht aus, um batterielose Funkmodule mit Strom zu versorgen. Um einen möglichst großen Systemwirkungsgrad zu erzielen, wird im gesamten Eingangsspannungsbereich bis 500 mV die Ausgangsspannung nur grob auf unterhalb von 5 V geregelt. So lassen sich beispielsweise batterielose Sensoren überall dort realisieren, wo Wärme vorhanden ist.

Die gesendeten Datentelegramme sind extrem kurz und führen die entsprechenden Aktionen sehr schnell aus. Zudem werden fortlaufend die jeweils nicht benötigten Baugruppen konsequent abgeschaltet. Mithilfe eines speziellen Timers, der nur wenige Nanoampere Strom benötigt, lassen sich alle Komponenten während der "Schlafphasen" vollständig abschalten beziehungsweise bei nötigen Aktionen wieder "aufwecken". Da die Telegramme sehr kurz sind und drei Mal redundant gesendet werden, ist die Kollisionswahrscheinlichkeit gering. So lassen sich problemlos hunderte von Funkgeräten auf engstem Raum installieren und parallel betreiben. Jedes Modul verfügt zudem über eine einmalige 32-Bit-Identifikationsnummer, die Überschneidungen mit anderen Geräten ausschließt. Das Funksignal von Enocean beispielsweise verwendet die Frequenzbänder 868 und 315 MHz und ist daher weltweit einsatzfähig. Diese niedrigeren Frequenzen unterscheiden die batterielose Funktechnik von anderen Funksystemen wie etwa WLAN oder Bluetooth, die Frequenzen im 2,4-GHz-Bereich verwenden. Sie zeichnen sich durch deutlich niedrigere Durchdringungsverluste bei Wänden aus und erzielen ungefähr die doppelte Reichweite bei gleicher Sendeleistung.

Die batterielose Funktechnik kam in den letzten Jahren hauptsächlich in der Gebäudeautomation zum Einsatz. Zum einen wegen ihrer Wartungsfreiheit und sehr geringen Systemfehlerrate. Zum anderen wegen der Interoperabilität der Lösungen, die eine reibungslose Kommunikation zwischen den Geräten verschiedener Hersteller erlaubt. Möglich machen dies einheitliche Datenformate und Protokolle, die für verschiedene Anwendungen in Profilen standardisiert wurden. Eine konsequente Umsetzung der Profildefinitionen ermöglicht es, einen Empfänger des Herstellers A mit einem Sensor des Herstellers B und einem funktionsgleichen Sensor des Herstellers C zu kombinieren - eine wesentliche Voraussetzung, um herstellerunabhängig und gewerkeübergreifend individuelle Automationslösungen zu realisieren.

Die innovative Technik lässt sich zudem einfach in gängige Gebäudeautomationssysteme integrieren. Dabei ist es gleichgültig, ob diese über LON, KNX, Bacnet, TCP/IP oder Ethernet kommunizieren. Die Einbindung der Geräte in andere Netze erfolgt über Gateways, die mit entsprechender Software und Tabellen die Kommunikationsprofile übersetzen. So lassen sich beispielsweise Enocean-basierende Lösungen nahtlos in Netzwerke integrieren, die mit offenen Standards arbeiten. In Verbindung mit dem TCP/IP-Protokoll können die Anwender beispielsweise ihren Internet-Anschluss für eine kostengünstige und flexible Vernetzung von Gebäuden und Industrieanlagen nutzen. Dadurch sind Internet- und netzwerkfähige Endgeräte wie PCs oder Smartphones für die Steuerung der Automation einsetzbar. Durch die visuelle Darstellung von Messwerten können Anwender zudem Zustände oder Verbräuche gezielt überwachen und potenzielle Probleme sofort erkennen.

Einsatz in der Industrie

Funksensoren ohne Batterien eignen sich jedoch nicht nur für den Einsatz in der Gebäudeautomation, sondern auch in Industrieanlagen. Gerade in der Industrie bietet sich ein breites Einsatzspektrum. Denn energieautarke Lösungen lassen sich ohne aufwändige Verkabelung an beliebiger Stelle anbringen und je nach Bedarf auch ebenso schnell wieder umplatzieren. So kann die batterielose Funktechnik beispielsweise zum Einsatz kommen, um Schranken zu kontrollieren, die Entriegelung und das Öffnen von Toren sicherzustellen oder den Zustand von Kühlketten in der Lebensmittelindustrie zu überwachen. Unternehmen können dadurch nicht nur die Produktionsabläufe beschleunigen und optimieren, sondern auch die Kosten reduzieren.

Ein weiteres Beispiel für den Einsatz energieautarker Funktechnik im Industrieumfeld stellt die von dem Unternehmen Semd entwickelte Lösung für drahtfreie Prüfung von Kabelbaumanlagen dar. In der Regel werden die Kabel auf einem speziellen Kabellegebrett zu einem Kabelbaum kombiniert und miteinander verbunden - größtenteils immer noch manuell, wegen der vielen verschiedenen Abläufe. Auf den mehrere Meter langen Kabellegebrettern befinden sich bis zu hundert Testschalter, die sicherstellen, dass alle Teile eines Kabelbaums richtig miteinander verbunden sind. Dem entsprechend befindet sich unter den Brettern eine sehr aufwändige Verkabelung, die mit einem Auswertungssystem verbunden ist und die Stromversorgung der einzelnen Schalter gewährleistet. Je mehr Formbretter sich in einer Produktionshalle befinden, desto aufwändiger ist die Verkabelung.

Bei der Semd-Lösung kommt das Prinzip des elektrodynamischen Energiegenerators zum Einsatz, das die Bewegung des Schaltstoßes zur Gewinnung elektrischer Energie nutzt. So ist eine wartungsfreie Funksensorlösung für den Einsatz in der Kabelbaumproduktion entstanden.

Energieautarke Funksysteme bilden eine komplette Lösung, die sich in alle gängigen Gebäudeautomationssysteme - wie etwa Bacnet oder KNX - integrieren lässt und für den Einsatz in Produktionsanlagen geeignet ist. Bild: Enocean

Energie per Tastendruck erzeugen: Batterielose Funkmodule versorgen sich mit der Energie aus der Umwelt und benötigen daher keine Wartung. Bild: Enocean

Die batterielose Funktechnik basiert auf miniaturisierten Energiewandlern, stromsparender Elektronik und zuverlässiger Funktechnik. Bild: Enocean
LANline.

Lesen Sie mehr zum Thema


Jetzt kostenfreie Newsletter bestellen!

Weitere Artikel zu PC-Feuerwehr

Weitere Artikel zu K&P Computer

Matchmaker+