DCIM: Datacenter-Infrastructure-Management

IT- und Facility-Management vereint

14. Januar 2015, 7:00 Uhr | Stefan Mutschler/pf

DCIM gilt als noch junge, aber schnell aufstrebende Disziplin im Zusammenhang mit modernen Rechenzentren. Entsprechende Tools kümmerten sich ursprünglich primär um raumbezogene Aspekte und waren damit eher dem klassischen Facility-Management zuzuordnen. In der aktuellen Generation kommt auch zunehmend die IT-Infrastruktur mit ins Spiel. Die übergeordnete Gesamtsicht erlaubt nun den Blick auf das Rechenzentrum als Ganzes. Ergebnis ist ein deutlich effizienterer Rechenzentrumsbetrieb. Unter RZ-Wettbewerbsaspekten bewegt sich DCIM damit klar von der Kür zur Pflicht.Zu den vielleicht erstaunlichsten Phänomenen der modernen Welt gehört das auffällig unterschiedliche Entwicklungstempo von Techniken. Vergleichsweise alte - wie Komponenten rund um das Thema Elektrizität - machen "gefühlt" nur im Schneckentempo Fortschritte, während das Entwicklungstempo bei jungen Techniken wie beispielsweise dem Mobilfunk selbst für Fachleute kaum zu verfolgen ist. Rechenzentrumstechniken liegen irgendwo mittendrin - die Mühlen mahlen jedoch auch dort noch sehr langsam. Beim Thema DCIM liegt dies zum Teil sicher auch daran, dass die genaue Ausprägung stark vom Hintergrund des jeweiligen Anbieters geprägt ist. Nach traditioneller Auffassung gehören zum Datacenter-Infrastructure-Management vor allem Aspekte wie Präzisionskühlung, Energie-Management, das Raumdesign mit Planung der Luftströme, Sicherheit im Sinne sowohl von Zugangs- als auch IT-Access-Management sowie das Rack-Management. Neuere Lösungen stellen mehr die IT in den Fokus und adressieren Funktionsbereiche wie Echtzeit-Monitoring, Alarm- und Ereignismeldungen, Inventar-, Ressourcen-, Änderungs- und Konfigurations-Management, Berichtswesen und Visualisierung sowie Analysen, Simulationen, Vorhersagen und letztlich Optimierung der IT. Ideale Tools würden alle Aspekte berücksichtigen. In der Praxis liegt der Fokus jedoch immer noch deutlich sichtbar auf dem ursprünglichen Betätigungsfeld des jeweiligen Anbieters und wird sukzessive um weitere Funktionen ergänzt. Tatsächlich sind bis heute viele DCIM-Tools Silolösungen für einzelne Komponenten im Rechenzentrum oder Aufgabenbereiche des DCIMs, deren Zusammenspiel sich gar nicht oder nur unzureichend in der Praxis realisieren lässt. Selbst wenn Integrationsschnittstellen angeboten werden, bleibt es häufig dem Anwender selbst überlassen, diese für seine Umgebung zu nutzen. Die daraus resultierenden Nachfolgeprojekte kosten in der Regel ein Vielfaches der Zeit, die für die Inbetriebnahme des eigentlichen DCIM-Tools erforderlich ist. Ein klarer Trend liegt sicher darin, klassische Elemente aus dem Gebäude- und Facility-Management mit solchen des IT-Managements zu kombinieren. Die getrennte Verwaltung von Facility- und IT-Infrastruktur in Rechenzentren kann weitreichende Folgen für ein Unternehmen haben. Einfaches Beispiel: Fällt im Rechenzentrum ein Kühlgerät aus, erhält der zuständige Facility-Manager darüber Information - nicht jedoch die IT-Verantwortlichen. Tritt ein Anwendungsfehler auf, verhält es sich umgekehrt - die IT-Abteilung wird informiert, das Facility-Management nicht. Die siloartigen Strukturen sind also verantwortlich dafür, dass die IT-Abteilung beispielsweise nicht rechtzeitig erkennt, wenn durch den Ausfall des Kühlgeräts dem Rack zu wenig Kaltluft zugeführt wird. Deshalb kann die Temperatur so weit ansteigen, dass die Server überhitzen und infolgedessen Anwendungsfehler auftreten. Um dies zu verhindern, benötigen Unternehmen Einblicke und Kennziffern zur effizienten und produktiven Verwaltung sowohl von IT-Ressourcen als auch der Gebäudeinfrastruktur.   Markt auf Annäherungskurs Zur Kerngruppe der Markt-Player im DCIM-Segment gehören Unternehmen wie etwa Schneider Electric, Eaton, Commscope/Itracs, Emerson Network Power, Raritan, Panduit, Cormant oder Geist/Opengate. Inzwischen hat sich die Zahl der Anbieter jedoch deutlich erhöht: Auch Hersteller wie Siemens Industry, Synapsense, CA und viele weitere sind eingestiegen. Zu denen, die erklärtermaßen einen siloübergreifenden Bogen spannen wollen, gehören beispielsweise Commscope, FNT Software und Siemens. So versteht sich etwa die FNT-Lösung als zentrale Steuerungs- und Optimierungssoftware für Rechenzentren. Von der Gebäudeinfrastruktur (Strom, Kühlung, Fläche etc.) über die IT Infrastruktur (Netzwerk, Server, Speicher etc.) bis hin zu den Services (Software, Anwendungen und Dienste) will FNT eine ganzheitliche Sicht auf die Ressourcen im Rechenzentrum liefern. Von der Erfassung über das Monitoring durch Live-Stromverbrauchs- und -Temperaturwerte bis hin zur Planung des gesamten Rechenzentrums soll dessen Software "FNT Command" praxiserprobte Lösungen zur Verfügung stellen. Auch Siemens will mit seiner Applikation "Datacenter Clarity LC" die noch klaffende Lücke zwischen IT- und Facility-Management schließen. Mit je einem Bein in beiden Bereichen will die Software verbesserte Uptime-Zeiten und einen ressourcenoptimierten Betrieb des Rechenzentrums ermöglichen. Echtzeit-Monitoring und Wartungs-Management sollen erlauben, etwaige Ausfälle vorherzusagen und proaktiv entsprechende Schritte einzuleiten, bevor Probleme wirklich kritisch werden. Das integrierte Workflow-Management soll Schwachstellen sichtbar machen und Verbesserungsvorschläge aus einem Best-Practice-Katalog zeigen. Klarheit will Clarity auch in Sachen Rechenzentrumsbetrieb und dessen Einfluss auf Business und Umwelt bringen. "Statt den IT-Manager mit Tonnen von Daten zu überfüttern, bringen wir gezielt die passende Information im richtigen Kontext und erlauben es damit, sofort die angemessenen Entscheidungen zu treffen", so John Kovach, Global Head, Data Center Vertical Market bei Siemens Industry. Mit einem vergleichsweise umfassenden DCIM-Ansatz tritt auch Commscope an. Dessen DCIM-Software Imvision integriert seit dem Kauf von Itracs im Frühjahr 2013 das Converged Physical Infrastructure Management (CPIM) dieses Anbieters. Zusammen ergeben die beiden Produkte eine Lösung, die Netzwerk- und Strominfrastrukturen bis auf jeden einzelnen Port dokumentiert und die gesamte Rechenzentrumseinrichtung verwaltet. Dabei handelt es sich um eine offene Architekturplattform, die mit einem dreidimensionalen Visualisierungsmodell gekoppelt ist. Imvision kann damit das gesamte physische Ökosystem eines Rechenzentrums abbilden - Energieverbräuche, thermale Bedingungen, Netzwerk- und Stromkabel-Verbindungen inklusive. Zusätzlich lassen sich noch Statistiken etwa zur Server-Performance und zur Kapazität der Speichersysteme mit einbinden. Emerson Network Power (ENP) schlägt ebenfalls in die gleiche Kerbe. Die Trellis-Plattform des aus der USV-Welt (unterbrechungsfreie Stromversorgungen) kommenden Herstellers präsentiert sich als umfassende DCIM-Lösung, die die Voraussetzungen für eine intuitive und skalierbare Infrastrukturüberwachung und -verwaltung in Unternehmen bereitstellen soll. Auch ENP konzentriert sich darauf, die Lücke zwischen den Facilities und dem IT-Betrieb im Rechenzentrum sinnvoll zu füllen. DCIM soll somit zu einem wichtigen Faktor bei der Planung und Umsetzung der Wachstumsinitiativen eines Unternehmens werden. ENP kann auch bereits auf eine offizielle Anerkennung verweisen. Das Unternehmen ist im erst im September 2014 von Gartner neu geschaffenen "Magic Quadrant" für DCIM-Tools unter den "Marktführern" positioniert. Die Analysten definieren DCIM-Werkzeuge als "Tools zur Überwachung, Messung, Verwaltung und Steuerung der Ressourcen und des Energieverbrauchs von Rechenzentren". In diesem Magic-Quadrant-Bericht hatte Gartner 17 Anbieter bewertet und Emerson Network Power für dessen umfassende Vision und die Umsetzungsfähigkeit seiner DCIM-Lösungen gewürdigt. "Für uns ist die Positionierung im ?Leaders?-Quadranten eine Bestätigung dafür, dass unsere DCIM-Tools die größten Herausforderungen unserer Kunden im Hinblick auf Rechenzentren lösen", so Enzo Greco, Vice President und General Manager, Software, Data Center Solutions bei Emerson Network Power. "Durch die Anerkennung als Leader im Magic Quadrant für DCIM-Tools wird Emerson Network Power zum einzigen DCIM-Anbieter, der in drei unabhängigen Bewertungen als führend gewürdigt wird." Die University of Cambridge als einer der ENP-Vorzeigekunden hat sich dann aber doch deutlich wegen der traditionellen Kernkompetenzen im Strom-Management für ENP entschieden: "Unser oberstes Ziel ist es, den Stromverbrauch zu senken und unsere CO2-Bilanz zu verbessern", so Ian Tasker, Manager des Rechenzentrums der University of Cambridge Information Services. Immerhin will das RZ den Energieeffizienzwert (PUE) mithilfe von Trellis von geschätzt 2,0 auf angestrebt 1,2 senken.   Problem: Anbindung von Speziallösungen Was bisher noch kein DCIM-Tool berücksichtigt, sind geospezifische Merkmale für ein Rechenzentrum beziehungsweise Colocation-Projekte. Dies war eines der Schlüsselthemen auf dem Gartner Data Center, Infrastructure and Operations Management Summit 2014 Ende November in London. Dort ging es etwa um die Auswirkungen von lokalen Energiekosten, Umweltsteuergesetzen und Transportkosten auf IT-Infrastrukturen. Untersuchungen des IT Research- und Beratungsunternehmens zeigen, dass die konstant günstigen Energiepreise und die klimatischen Bedingungen in Skandinavien ideal für Colocation-Projekte sind. So könne ein Umzug nach Nordeuropa für IT-Manager eine Kostensenkung von bis zu 50 Prozent mit sich bringen. Dabei eignen sich nach Ansicht der Gartner-Analysten vor allem IT-Bereiche wie Data Warehousing oder Browser-basierte Anwendungen für diese Verlagerung nach Norden, denn diese benötigten keine besonders aufwendige Infrastruktur für einen reibungslosen Betrieb. DCIM-Tools haben in den letzten beiden Jahren ihr Profil geschärft und die Notwendigkeit ihrer Existenz unter Beweis gestellt. Für Entwicklungen ist noch viel Luft nach oben. Vor allem die in vielen Rechenzentren stellenweise eingerichteten Speziallösungen sind weit davon entfernt, sich ohne großen Aufwand über ein DCIM-Tool steuern zu lassen. Ein Beispiel sind etwa Flüssigkühlungen für Hochleistungskomponenten. Offene Plattformen, die Drittanbietern erlauben, sich über APIs an das DCIM anzudocken, bieten dabei sicher ein Lösungsansatz. Erste Anbieter wie zum Beispiel Siemens mit Clarity sind bereits in diese Richtung unterwegs. Allerdings muss dazu noch eine Vereinfachung stattfinden, um die Folgekosten für das DCIM auf ein erträgliches Maß zu senken.

Der Autor auf LANline.de: ElCorrespondente

DCIM von FNT erlaubt eine genaue Planung der zukünftigen Entwicklung des gesamten Rechenzentrums. Gebäudeinfrastruktur/Facility, IT und die angebotenen Services werden in einer integrierten Softwarelösung mit einem zentralen DCIM-Repository erfasst und fließen in den Planungsprozess mit ein. Bild: FNT

"Statt den IT-Manager mit Tonnen von Daten zu überfüttern, bringen wir gezielt die passende Information im richtigen Kontext und erlauben es damit, sofort die angemessenen Entscheidungen zu treffen", so John Kovach, Global Head, Data Center Vertical Market bei Siemens Industry. Bild: Siemens Industry

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