Gefahren gegen Grundbedürfnisse abwägen

Kein Anspruch auf Internet im Knast

16. Februar 2017, 15:54 Uhr | Peter Tischer

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Kein Anspruch auf Internet im Knast (Fortsetzung)

Der Betroffene fragte sich, warum nicht auch Strafgefangene ebenso wie freie Menschen das Internet nutzen können und klagte deshalb vor dem EuGH. Zwar entschieden die Richter, dass dem inhaftierten Kläger eine Entschädigung für den ihm entstandenen immateriellen Schaden zustehe und verdonnerten das Gefängnis, ihm Internetzugang zu gewähren, doch eine generelle Pflicht, Häftlingen Zugang zum Internet zu gewähren, besteht laut dem Urteil nicht.
Anwalt Solmecke verweist auf zahlreiche Fragen, die es in diesem Zusammenhang gegeneinander abzuwägen gilt und die auch zum nicht ganz eindeutigen Urteil der Richter geführt haben dürften. Denn zum einen existiert die öffentliche Haltung, dass Häftlinge ob ihrer Verfehlungen ja auch ein bisschen leiden und nicht in den vollen Genuss der Vorzüge eines Lebens in Freiheit kommen sollten. Auch die Gefahren, dass ein uneingeschränkter Internetzugriff den Häftlingen die Möglichkeit zur Strafvereitelung oder gar zur Planung neuer Straftaten eröffnet, muss berücksichtigt werden. Aus diesem Grund laufen aktuell in deutschen Gefängnissen Pilotprojekte, bei denen Häftlinge nur auf Internetseiten zugreifen können, die auf den Servern der Haftanstalten gespeichert sind, wie etwa die Website des Arbeitsamtes oder eine Offline-Version von Wikipedia. In Estland können Häftlinge ebenfalls das Internet eingeschränkt nutzen, um Gesetze und Gerichtsentscheidungen in den offiziellen Datenbanken zu lesen.

Allerdings dürfte sich nicht jedes Gefängnis entsprechende Möglichkeiten leisten können, schließlich muss neben der Infrastruktur auch geschultes Personal bereitgestellt werden, das die Internetnutzung der Häftlinge überwacht. Dem entgegen steht der soziale Aspekt, den solche Pilotprojekte mit sich bringen. Gerade bei jungen Menschen läuft inzwischen ein Großteil der Sozialisation im Internet und über den dortigen Kontakt zu anderen Menschen ab. Vor allem in der Strafverfolgung sollten sich die zuständigen Behörden in Hinblick auf Resozialisierung der Häftlinge mit den möglichen Vorteilen eines Internetzugangs eingehend auseinandersetzen.
Das Urteil der Richter am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Beantwortung dieses umfangreichen Fragekomplexes.


  1. Kein Anspruch auf Internet im Knast
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