Die Kombination Exchange und Outlook gilt als "heiliger Gral" der Kommunikationssoftware. Klar, dass viele Hersteller eine gleich gute oder sogar bessere Alternative anbieten wollen. Zarafa versucht dies mit ihrem gleichnamigen E-Mailserver auf der Plattform Linux. Die Lösung zielt auf den Einsatz in kleinen und mittleren Unternehmen.
Linux ist eine feine Sache, gerade im Hinblick auf die Lizenzkosten der kommerziellen Konkurrenz und deren zum Teil ausufernde Hardwareansprüche. Speziell als Serverplattform gehört Linux daher mittlerweile in vielen Unternehmen - vor allem des Mittelstands - zum gewohnten Bild. Schwierig gestaltet sich auf dieser Basis allerdings die Suche nach adäquaten Messaging-Lösungen, die mit dem bekannten Microsoft-Team von Outlook und Exchange mithalten können. Dabei ist für Unternehmen ein gemeinsamer Kommunikationsserver beispielsweise mit Gruppenkalender und freigegebenen Mail-Ordnern kaum verzichtbar.
Exchange-Funktionen nutzen und dennoch weniger zahlen - dies klingt nach der optimalen Lösung, die dank Zarafa realisierbar sein soll. Der niederländische Softwarehersteller hat eine Exchange-Alternative im Angebot, die auf Linux basiert. Der Mailserver Zarafa implementiert Microsofts MAPI-Protokoll und bildet die Objekte in einer Mysql-Datenbank ab. Dadurch sind praktisch alle Funktionen des Originals umsetzbar, und ein PHP-MAPI-Modul sorgt zudem für eine Webmail-Anmutung, die es mit Outlook aufnehmen kann.
Zarafa kümmert sich jedoch nicht um alles: Der eigentliche E-Mailserver (MTA - Message Transfer Agent) wird beispielsweise von der jeweiligen Linux-Distribution gestellt - dies kann etwa "Postfix" sein, aber im Prinzip unterstützt die Lösung jeden üblichen MTA. Als klassischer Client setzt Zarafa auf Outlook, wendet sich also an die Nutzer von Windows-Desktops. Zarafa ist keine Open-Source-Anwendung, sondern wird pro Benutzerlizenz berechnet. Dennoch ist die Lösung deutlich günstiger als ein vergleichbares Exchange-Paket. Die Grundausstattung mit fünf Lizenzen kostet 300 Euro, jedes zusätzliche Fünf-Benutzer-Paket kommt auf 150 Euro, ab 100 Anwendern greifen Mengenrabatte.
Linux wird gern mit Kommandozeilen und Konfigurationsdateien gleichgesetzt, mit Skripten und wenig Komfort bei der Administration. Zumindest was die Installation der Serverkomponenten von Zarafa angeht, haben sich die Entwickler offensichtlich genau an diesem Klischee orientiert. Es existiert lediglich ein Install-Skript, das nach dem Kopieren der Pakete in die entsprechenden Verzeichnisse die notwendigen Einstellungen zur Konfiguration abfragt. Die Versionen der notwendigen Module werden zwar geprüft und eine Fehlermeldung ausgegeben, wenn etwas nicht passt - weitere Informationen, welche Folgen dies haben könnte, gibt es aber nicht. Dies kann zu Inkompatibilitäten führen, für die Linux-Anwendungen berüchtigt sind.
Zarafa unterstützt eine ganze Reihe von Linux-Distributionen, und die "gz"-Dateien unterschieden sich auch voneinander - vor dem Download muss der Anwender die gewünschte Distribution auswählen. So ist beispielsweise neben vielen anderen Linux-Varianten auch Fedora Core 5 in der Liste aufgeführt. Wer meint, dass er die Installation damit ebenso auf Fedora 7 versuchen könnte, irrt allerdings. Auch wenn die notwendigen Module wie Mysql und Apache durchweg aktueller sind, als die geforderten, scheitert der Vorgang. Der Grund: Das PHP-Modul ist bei Fedora 7 in der Version 5.2.x installiert, die Zarafa-Serversoftware benötigt jedoch Version 5.1.x. Zum Glück half im Test der sehr kompetente und gut erreichbare Support bei diesen Schwierigkeiten schnell weiter.
Der Fairness halber ist zu erwähnen, dass die Installation mit Fedora 5 problemlos durchläuft, zumindest dann, wenn der Administrator das Betriebssystem vorher über den Updater auf den neusten Stand gebracht hat. Die Zarafa-Konfiguration ist damit aber nur zum Teil abgeschlossen. Je nachdem, ob die Benutzerdaten neu angelegt werden sollen oder aus einem LDAP-Verzeichnis kommen, muss der Administrator noch entsprechend Hand anlegen. Natürlich, wie es sich bei Linux gehört, mittels mehrer "cfg"-Dateien. So ist die "ldap.cfg" im Programmverzeichnis "/etc/Zarafa" für die Kommunikation mit dem gewünschten Verzeichnisdienst verantwortlich. Direkt nach der Installation ist sie mit Dummy-Werten gefüllt, in den Kommentaren stehen Hinweise, wie die Einträge für den Einsatz mit einem reinem LDAP-Verzeichnis oder mit einem Active Directory aussehen sollen. Zarafa bietet zudem ein White Paper auf ihrer Website, das die richtige Konfiguration beschreibt.
Der Autor empfiehlt dringend, nach der Installation von Zarafa nicht nur das Programmverzeichnis genau anzuschauen, sondern auch einen Blick in das Verzeichnis "/usr/share/Zarafa" zu werfen. Dort sind zahlreiche Beispieldateien hinterlegt, etwa auch für die ADS-Anbindung (Active Directory Service) des Servers. Die entsprechende Datei (example.ldap.active-directory.cfg) enthält eine abgespeckte Beispielkonfiguration, mit der es erheblich leichter fällt, den Server zur Kommunikation mit dem eigenen ADS zu bewegen: Einfach die IP-Adresse des ADS-Servers, den Account-Namen und das Passwort eines berechtigten Benutzers sowie die richtige Domäne eintragen beziehungsweise gegen die Standardwerte austauschen, und nach einem Neustart des Zarafa-Servers präsentiert der Befehl "zarafa-admin -l" eine Liste der nun gefundenen Benutzer. Ein paar zusätzliche Punkte sind noch zu beachten - zum Beispiel, den richtigen Container zu wählen, in dem die Benutzer im ADS angelegt sind. Daher ist die Lektüre des Whitepapers auch bei Verwendung der Beispielkonfigurationsdatei hilfreich. Ähnliches gilt, wenn der Administrator den Server für die Abfrage mittels POP3/IMAP einrichten will, das entsprechende Gateway-Modul ist ebenfalls über eine "cfg"-Datei zu konfigurieren.
Wem dies alles zu umständlich erscheint, der hat zumindest ein paar Alternativen. So existieren mittlerweile einige Hersteller von Appliances auf Linux-Basis, in die sich Zarafa integrieren lässt. Das prominenteste Beispiel dürfte der Collax Business Server sein. Für diese und andere Appliances stellt Zarafa entsprechende Module zum Einbinden auf ihrer Website bereit. Bei den Appliances ist die Mailserverfunktion bereits eingerichtet und - nach Anpassung an den eigenen Service-Provider und die Mail-Domäne - betriebsbereit.
Eine "richtige" Installation von Zarafa setzt auch diesen Arbeitsschritt voraus: Wer Postfix nutzt, muss dazu die "Allzweck"-Konfigurationsdatei "main.cf" bearbeiten. Wie dies abläuft, und welche zusätzlichen Schritte zum Beispiel bei der Nutzung eines Provider-Mailservers als Ausgangs-Relay nötig sind, ist in zahlreichen "How-tos" im Internet beschrieben. Für einen Test oder für kleine Installationen eignet sich übrigens auch das bereitgestellte Vmware-Image: Auf Centos-Basis ist der Zarafa-Server mit POP3/IMAP-Gateway vorinstalliert und im Prinzip sofort nach dem Start der Virtual Machine (VM) einsatzbereit (Benutzername root/zarafa, Achtung: amerikanisches Tastaturlayout mit "z" gleich "y"). Als Vmware-Host ist sowohl der kostenlose Server als auch der Vmware-Player verwendbar. In der VM sieht der Administrator sofort, dass eine grafische Applikation zum Managen der Benutzer-Accounts existiert, die er normalerweise erst im Verzeichnis "/usr/bin" suchen muss (Dateiname: "zarafa-config-users").
Letztlich ist dies alles machbar - je nachdem, wie viel Linux-Erfahrung der Anwender hat, mehr oder weniger schnell. Dennoch: Bei einem kommerziellen Produkt, das kleine und mittlere Unternehmen als Zielgruppe hat, sollte ein einfach handhabbares Tool für die Grundkonfiguration eigentlich nicht fehlen.
Läuft der Server erst einmal, folgt die Installation auf der Client-Seite. Wie alle MAPI-basierenden Messaging-Lösungen erfordert auch Zarafa dort einen Konnektor. Da der Zarafa-Konnektor seit kurzem auf MSI als Installationsformat setzt, werden sich Unternehmen, die ein Tool zur Softwareverteilung einsetzen, sehr leicht tun. Die benötigte MSI-Datei ist im gepackten Serverarchiv in einem Unterverzeichnis enthalten. Die Installation des Konnektors lief im Test problemlos und ohne Eingaben ab - sowohl auf Windows XP SP2, Windows XP SP3 und Windows Vista. Unterstützt werden alle gebräuchlichen Outlook-Versionen, angefangen bei 2000 bis hin zu 2007. Mit der aktuellsten Variante ist auch der Offline- beziehungsweise "Cached"-Modus nutzbar, den Zarafa anbietet. Der gewünschte Modus lässt sich bei der Einrichtung des Konnektors auswählen, es existiert jedoch auch die Variante "Entscheidung bei Startup". Dann überprüft der Konnektor erst die Verbindung zum Server, ehe er sich für Cached- oder Online-Modus entscheidet. Im Test funktionierte dieses Feature mit Outlook 2007 ebenso problemlos, wie die Verbindung von Konnektor und Zarafa-Server im Allgemeinen. Nach dem etwas heiklen Setup des Servers waren wir von Zarafas Client-Seite mehr als angenehm überrascht. Outlook fühlt sich - mit dem Zarafa-Server auf der anderen Seite - an wie von Exchange gewohnt.
Auch der Webmailer (getestet mit Internet Explorer 7 und Firefox 2.0.0.14) zählt zum Besten, was bei LANline-Tests bislang zu sehen war. Nach der Eingabe der URL "http://serveradresse/webaccess" präsentiert sich eine Login-Seite, die Benutzernamen und Passwort sowie die gewünschte Sprache abfragt. Danach öffnet sich eine Outlook täuschend ähnliche Oberfläche, in der der Anwender praktisch alles tun kann, was er auch von seinem Outlook-Client gewohnt ist. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist mehr als ausreichend und die Funktionalität beeindruckend. So lassen sich Gruppenkalender anzeigen und freigegebene Ordner anderer Mitarbeiter einblenden. Die rechte Maustaste öffnet ein kontextabhängiges Menü, eine Abwesenheitsbenachrichtigung ist einfach einstellbar, und das Adressbauch mit allen definierten Zarafa-Mail-Nutzern öffnet sich schnell und zuverlässig.
Dies gilt entsprechend auch für die Verwendung von Outlook auf dem Arbeitsplatz: Zarafa ließ im Test vollständig vergessen, dass im Hintergrund kein Exchange-Server arbeitet. Daran hat sicher auch die Schnelligkeit der Updates Anteil: Termine, die in den Kalender eingetragen werden, tauchen mit minimaler Verzögerung auch bei den Kollegen auf, wenn diese den Kalender als freigegeben anzeigen lassen. Entsprechende gilt für gemeinsame Ordner oder Unterordner. Das Konzept von Zarafa, die Kommunikation der Clients mit dem Server zu überwachen und auch Befehle wie das Neuerstellen von Ordnern sofort auf Auswirkungen an die Beteiligten zu untersuchen, zahlt sich offensichtlich aus.
Zarafa hat auch eine Quota-Regelung für die Benutzer implementiert. Darin lassen sich Schwellenwerte für Warnungen sowie ein weiches und ein hartes Limit konfigurieren. Wer nur auf den Zarafa-"User-Manager" setzt, kann diese Einstellungen in den Eigenschaften der E-Mail-User vornehmen, sind die Benutzer im ADS definiert, existieren zwei Möglichkeiten: Zum einen ebenfalls über den User-Manager, der nach wie vor funktioniert - allerdings eingeschränkt. Neben dem Setzen von Quotas kann der Administrator beispielsweise Benutzer aus der Datenbank löschen, was jedoch nicht mit dem ADS synchronisiert wird. Die zweite Variante stellt Zarafas ADS-Plug-in dar. Dabei wird die ADS-Struktur um Felder für die Quota und zusätzliche E-Mail-Aliase erweitert. Allerdings ist die Änderung irreversibel: Selbst wenn der Zarafa-Server irgendwann außer Dienst gestellt wird, bleiben die Einträge in der ADS. Abgesehen davon funktionierten beide Varianten im Test einwandfrei.
Weitere interessante Features auf der Client-Seite sind Signaturen (die zwischen Outlook und Webmailer nicht synchron sind) sowie ein Papierkorb für gelöschte Objekte und Regeln innerhalb von Outlook. Sogar eine Erweiterung für mobile Geräte wie PDAs und Smartphones ist für Zarafa verfügbar, dieses Tool wurde allerdings nicht getestet. "Z-push" ist eine Implementierung des Activesync-Protokolls, die von Zarafa initiiert wurde. Sie erlaubt "Over-the-Air?-Synchronisierung mit diversen Endgeräten und Betriebssystemen, darunter Windows-Mobile-Geräte sowie Ericsson- und Nokia-Telefone. Zurzeit gibt es Z-Push für vier Backends: "IMAP" und "Maildir" für die Synchronisierung von E-Mails sowie ein Vcard-Backend zum Abgleichen von Kontakdaten. Das vierte Backend, das direkt von Zarafa erhältlich ist, erlaubt die komplette Synchronisation aller Elemente: E-Mail, Kalender und Kontakte.
Wer durchhält und sich über die strapazierende Installation hinüberrettet, wird mit einem wirklich ausgereiften und sehr gut implementierten Exchange-Ersatz belohnt. Bei Zarafa lässt sich tatsächlich mit gutem Gewissen von "Ersatz" sprechen, denn der Hersteller hat alle Funktionen für die überwiegende Mehrheit der typischen Outlook-/Exchange-Aufgaben umgesetzt. Und zwar auf eine beeindruckend nahtlose Weise: Wer nicht gerade auf spezielle Plug-ins von Fremdherstellern angewiesen ist, wird den Unterschied zum Original von Microsoft nicht bemerken. Bei allem Nachholbedarf, was die Serverkonfiguration anbelangt, für die Client-Implementierung kann man Zarafa nur loben.
Info: Zarafa Germany Tel.: 0511/220019-80 Web: