Brainshare 2014, Salt Lake City

Novell auf Europa-Kurs

13. November 2014, 6:55 Uhr | Dr. Werner Degenhardt/pf

Das Highlight der Brainshare 2014 (2. bis 5. November, Salt Lake City) war die Ankündigung des Mergers von Attachmate und Micro Focus. Auch das Attachmate-Unternehmen Novell gehört damit künftig zu einem europäischen Hersteller und hat seine neue Heimat gefunden. Die Stimmung auf dem traditionsreichen (Novell-)Partner- und Kunden-Event zeigte sich gut bis sehr gut, und alle Teilnehmer waren am Ende überzeugt, dass die Richtung stimmt.

Man kann zu Novell und seiner Hausmesse Brainshare verschiedene Meinungen haben. Über eines sind sich aber alle Interessierten einig: Langweilig ist es nie. Kurz vor der Brainshare gab es konsequenterweise die auch für Insider überraschende Meldung, dass sich Novell dem europäischen Markt mehr geöffnet hat, als dies jemals denkbar gewesen wäre. Die Anwender und Partner hatten gerade verdaut, dass Novell nicht mehr Novell gehört sondern der Attachmate Group, da verkauft sich diese nun mit allem Drum und Dran an den britischen Mainframe-Spezialisten Micro Focus.

Wenn das Geschäft – ein sogenanntes Reverse Takeover – im November dieses Jahres abgeschlossen ist, dann werden die Aktien des Unternehmens auch an der London Stock Exchange gehandelt, es hat 4.500 Mitarbeiter und ein Umsatzvolumen von 1,4 Milliarden Dollar pro Jahr. Den Aktionären gefällt diese Entwicklung, der Kurs der Micro-Focus-Aktie legte ordentlich zu.

Verschiedene Partner von Novell und auch Teile der Kundschaft zeigten auf der Brainshare dennoch eine gewisse Skepsis. Zunächst hatte ja Novell im Februar – im Vorfeld des Mergers, wie wir jetzt wissen – einen neuen Präsidenten erhalten, eine Frau Präsident, Kathleen Owens, vorher in ebendieser Position bei Attachmate tätig. Bob Flynn wiederum, der Präsident des Jahres 2013, wurde Präsident der Attachmate Group.

Und jetzt Micro Focus (Stichwort: Cobol): ein Unternehmen, das sich im Wesentlichen mit Mainframe-Anwendungen und Softwarequalität beschäftigt. Die Produkte im Bereich Softwareentwicklung und Softwarequalität hat Micro Focus übrigens im Jahr 2009 mit dem Hersteller Borland gekauft. So mag es ein Zeichen der Vorbestimmung gewesen sein, dass Borland im Jahr 1983 von Philippe Kahn gegründet wurde – im selben Jahr, in dem Ray Noorda die Leitung von „Novell Data Systems“ übernahm, die Firma in ein schlichtes „Novell“ umbenannte und die erste Version von Netware auf den Markt brachte.

Seit 1983 hat sich viel geändert. Netware hat heute ihren Platz im Software-„Himmel“, und Novell ist Teil eines Unternehmens, das sich – nach den Worten des neuen CEOs Kevin Loosemore – als Hersteller versteht, der durch seine Produkte bestehende IT-Infrastrukturen weiterentwickelt und verbessert. Nach Meinung von Kevin Loosemoore ist die in den Unternehmen bereits vorhandene IT-Infrastruktur aus guten Gründen angeschafft worden, sie hat viel Geld gekostet, sie ist heterogen und sie ist komplex. Seine Aufgabe sehe er darin, den Kunden dabei zu helfen, mehr aus dem zu machen, was sie schon haben.

Wenn dies stimmt, dann ist das Novell-Produktportfolio wie gemacht für diese Firmenphilosophie. Novell Filr zum Beispiel ist das einzige Filesharing-Produkt auf dem Markt, das Dateien auf den vorhandenen Datei-Servern des Unternehmens publizieren kann, so wie sie dort liegen. Der Benutzer kann Daten auf seinem Home-Laufwerk oder seinen Projektlaufwerken mit Filr weitergeben, aber auch nur so weit, wie die Dateirechte auf den Storage-Servern es erlauben.

Alle anderen Produkte in diesem Marktsegment duplizieren – wie Dropbox – Dateien, haben eine vergleichsweise unausgereifte Rechteverwaltung und – was am bedenklichsten ist – sie überlassen es dem Benutzer, Dateien an andere innerhalb und außerhalb des Unternehmens freizugeben. Bequemlichkeit wird mit Kontrollverlust erkauft, der einzige Fortschritt solcher Alternativen gegenüber Dropbox ist, dass die duplizierten Dateien zunächst auf Servern des Unternehmens liegen und nicht gleich unkontrollierbar bei einem Anbieter irgendwo draußen im Internet.

Für Filr hat Novell auf der Brainshare eine ansprechende Roadmap präsentiert. Unter anderem gibt es in Kürze die Möglichkeit, Microsoft-Sharepoint-Dateien an Filr anzuschließen, am Desktop alle verfügbaren Dateien schon vor der Synchronisierung zu sehen und verschiedene Installationen von Filr in unterschiedlichen Unternehmensteilen konsolidiert zu betreiben. Das Beispiel Sharepoint zeigt, worauf es hinausläuft: Integration ohne Berührungsängste, die alten Feindbilder verstauben im Keller, Microsoft und auch jeder andere Anbieter, bei dem sich eine Integration als Marktchance anbietet, wird von Novell umarmt.

Neben Filr gab es auf der Brainshare über 140 Ankündigungen von Produktverbesserungen bei Novell, NetIQ und Attachmate – zu viele, um alle aufzuführen. Benutzer und Betreiber von Groupwise freuen sich sicher über die Nachricht, dass es im Jahr 2015 einen generischen Client für den Apple Mac geben wird, Novell Messenger 3.0 ist im Betatest, Vibe 4.0 kommt im Frühjahr 2015.

Anders als für die meisten Teilnehmer war für Kathleen Owens, der neuen Präsidentin von Novell, und Norman Rohde, dem Vize-Präsidenten von Novell EMEA, die Brainshare 2014 die erste ihres Lebens und beide zeigten sich tief beeindruckt von der technischen und menschlichen Qualität ihres Unternehmens sowie seiner Kunden. Norman Rohde fand alles so gut, dass er daran arbeiten will, die Brainshare auch wieder nach Europa zu holen.

Für die neue Präsidentin von Novell, Kathleen Owens, war ihre erste Bainshare eine beeindruckende, neue Erfahrung: Tuchfühlung mit den Fans. Bild: Dr. Werner Degenhardt

Die Novell-Hausmesse Brainshare bestätigte sich auch 2014 als Börse für den Austausch von Erfahrungen und Meinungen. Bild: Dr. Werner Degenhardt

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