Durch die Verschiebung der Novell Brainshare in Salt Lake City auf den Herbst dieses Jahres, war der "Open Horizons Summit" Anfang April in Budapest als "kleine" Brainshare für Novell-Partner die nächste Gelegenheit eines Fachtreffens. Fast 200 Partner und Kunden aus über 20 Ländern Europas, Afrikas und arabischen Staaten fanden sich in Budapest ein, um Insider-Informationen über Strategien und Produkte zu erhalten, Techniktrainings zu besuchen und sich mit anderen auszutauschen.
Das wichtigste Thema der Technikkonferenz war diesmal kein technisches sondern die interne Reorganisation zum Jahreswechsel 2014: Die Attachmate Group (zu der auch NetIQ und Suse gehören) hatte ihre Unternehmensteile Novell und Attachmate in eine operative Einheit zusammengefasst und damit Produkt-Management, Entwicklung und Feldorganisation zusammengelegt. Diese Entwicklung und die persönlichen Konsequenzen waren dem Vernehmen nach auch für viele Mitarbeiter von Novell überraschend. Nicht wenige der anwesenden Partner zeigten sich daher besorgt bezüglich der Produkt- und Geschäftskontinuität im Bereich Collaboration, dem Kerngeschäft des neuen „Novell“ nach der Übernahme durch Attachmate im Jahr 2011. Zu verschieden erscheinen die beiden „verheirateten“ Unternehmenseinheiten.
Michael Kleist, Director Attachmate und Novell Central Europe, benannte in seiner Keynote die Unterschiede recht genau: Attachmate bedient einen Markt, Novell ist getragen von Anwendergemeinschaften. Attachmate hat Kunden, Novell hat Fans. Attachmate liefert Produkte, Novell visionäre Innovationen. Zu den Produkten von Attachmate gibt es für die Kunden kaum Alternativen, die Lösungen von Novell müssen sich in einem hoch kompetitiven Umfeld behaupten. Auch die Vertriebswege der beiden Unternehmenseinheiten sind recht unterschiedlich.
Allerdings ist es auch so, dass nur 3.000 der insgesamt 21.000 Kunden beider Hersteller gleichzeitig Anwender von Novell und Attachmate sind. Die geringe Überlappung im Kundenstamm korrespondiert mit einem praktisch überschneidungsfreien Produktportfolio. Aus rein kaufmännischer Sicht sieht dies nach einer kaum zu überbietenden Verbesserung von Verkaufsgelegenheiten aus. Dass die Vergrößerung der Feldorganisation zugleich eine Berichtslinie von Managern einspart, macht die Reorganisation aus betriebswirtschaftlicher Sicht nur noch attraktiver.
Den Partnern war trotzdem deutlich die Sorge anzusehen, dass die Reorganisation unerwünschte Folgen für die technische Innovation haben könnte. Positiv registrierten die Partner, dass „Novell Filr“ demnächst in der Version 1.1 auf den Markt kommt und nach wie vor in den NSA-sensibilierten Unternehmen auf großes Interesse stößt. Filr ist die einzige Anwendung auf dem Markt, die Dropbox-Funktionalität zur Verfügung stellt, dabei Zugriff auf die vorhandenen Datei-Server des Unternehmens ermöglicht und zugleich die darauf vergebenen Zugriffsrechte in die eigene Rechteverwaltung übernimmt. Dies ist technisch sehr komplex und füllt ganz offensichtlich eine Marktlücke.
Filr basiert auf Novell Vibe und wird von derselben Mannschaft entwickelt. Auch wenn dies ein wichtiger Grund ist, dass sich bei Vibe seit Juli 2013 nichts mehr bewegt hat, kommentierten die Konferenzteilnehmer die Verlangsamung der Produktentwicklung sehr kritisch. Die Novell-Partner in Europa sehen Novell Vibe als bestes und innovativstes Collaboration-Produkt auf dem Markt.
Das Novell-Produkt-Management war darum bemüht, Nachsicht zu erwirken und Zuversicht wiederherzustellen: Der Abschluss der Arbeit an Filr 1.1 mache Ressourcen frei für die Entwicklung von Vibe 4.0, das Ende 2014 auf den Markt kommen soll. Die angekündigten Erweiterungen und Verbesserungen kommentierte ein Partner in der Diskussion mit „“dies ist mehr als erwartet““, und die Stimmung wurde deutlich entspannter.
Die Präsentation von Groupwise 2014 (siehe Test in LANline 5/2014) ließ erkennen, dass mit der neuen Version erst einmal ein Meilenstein erreicht ist, auf dem sich Novell eine Weile ausruhen will. Das Produkt sei eine sichere und zuverlässige Lösung mit einer stabilen Basis von Anwendern vor allem in stark regulierten Branchen wie öffentlichen Organisationen, dem Finanzsektor und dem Gesundheitswesen. Von einer Weiterentwicklung eines generischen Mac-Clients scheint Novell absehen zu wollen. Seine Ressourcen will der Hersteller wohl eher in die Verbesserung der Systemleistung und der Benutzbarkeit von Windows- und Web-Client stecken.
Ein wiederkehrendes Thema vieler Diskussionen war die strategierelevante Tatsache, dass die meisten Novell-Partner ihren Kundenstamm aus den kleinen und mittleren Unternehmen mit weniger als 250 Mitarbeitern (KMU) rekrutieren, während sich die Aufmerksamkeit von Novell und vor allem Attachmate auf große Unternehmen und Organisationen konzentriert. Novell hätte mit der „Open Workgroup Suite“ das ideale Rundum-sorglos-Paket für die Zielgruppen der Partner im Angebot, war die geäußerte Meinung. Dieses warte nur noch darauf, für die 20 Millionen KMUs Europas mit ihren 85 Millionen Mitarbeitern erschlossen zu werden.
Weiterführende Links: www.open-horizons.de, www.novell.com/de-de/, www.novell.com/de-de/products/openworkgroupsuite.