IT-Service-Managementlösungen

Reiseziel Serviceoase

17. Dezember 2007, 23:00 Uhr | Thomas Bär/wg

Die Einrichtung eines professionellen und softwaregestützten Service-Desks dient mehreren Zielen gleichzeitig: Einerseits ermöglicht er, die Serviceleistungen einer IT-Abteilung sichtbar zu machen, andererseits wird garantiert, dass Serviceanfragen (Requests oder Incidents) möglichst schnell abgearbeitet werden. Beide Seiten - einerseits Support-Mitarbeiter und Administratoren, andererseits Benutzer, die Anfragen stellen - profitieren deshalb von der Einführung einer Service-Desk-Software.

Die Best-Practice-Sammlung ITIL (IT Infrastructure Library) beschreibt den Service-Desk im Buch
Service Operation (SO) als einen Baustein für eine zertifizierungsfähige IT-Abteilung. Auch wenn
ein Unternehmen nicht auf eine Zertifizierung abzielt, sollte eine entscheidende Forderung von ITIL
an den Support unbedingt Beachtung finden: Der Service-Desk ist die zentrale Anlaufstelle für
Anfragen – unabhängig davon, ob es sich nun um interne oder externe Anfragen handelt. Denn
andernfalls kann es vorkommen, dass Hilfesuchende alle verfügbaren Kanäle gleichzeitig in Aktion
bringen und mehrere Mitarbeiter des Supports sich synchron um dasselbe Problem kümmern.

Jede Anfrage erhält beim First-Level Support eine Nummer und beginnt damit ihren Lebenszyklus.
In welcher Zeit auf diese Anfrage reagiert werden muss (Reaktionszeit) und nach welchem Zeitraum
das Problem gelöst werden muss (Lösungszeit), definieren üblicherweise die Service Level Agreements
(SLAs). Sie helfen damit auch bei der Priorisierung von Problemen – der Drucker im hintersten Eck
des Unternehmens, der nur vier Blätter im Monat ausspuckt, ist im Fall eines leeren Toners wohl
weniger wichtig als der Drucker des Vorstandssekretariats.

Die Definition von SLAs ohne den direkten Zwang von vorgesetzter Stelle mag zunächst als
Selbstgeißelung erscheinen. Jedoch gelten unterschiedliche Prioritäten seit jeher. Platin-, Gold-,
Silber- und Bronze-Support fest zu definieren und messbar zu machen, hilft deshalb dabei, in der
IT-Abteilung die unterschiedlichen Betrachtungen von "Wichtigkeit" zu harmonisieren. Sobald eine
IT-Organisation Services außerhalb des eigenen Standorts oder gar für externe Kunden anbietet, ist
eine Service-Desk-Software damit praktisch Pflicht. Nur so sind Leistungsdaten für die Abrechnung
oder die genaue Planung für die personelle Ausstattung der Support-Abteilung überhaupt möglich.

Kritik auf allen Seiten

In der Planungs- und der frühen Einführungsphase eines Service-Desks mag man mit Ablehnung oder
Kritik insbesondere aus den Reihen der Administratoren und Support-Mitabeiter rechnen müssen. Dass
eine Koordinationssoftware viele Vorteile für die Zukunft bietet, wird zunächst wohl oft keine
Anerkennung finden. Die Kritik geht häufig in Richtung: "Jetzt sollen wir überwacht werden!"
Ebenfalls eine Standardreaktion: "Das Einhacken der Fehlermeldungen dauert ja oft länger als die
eigentliche Lösung. Da bin ich schneller, wenn ich es nicht mache!" Auch aus den Reihen der Kunden,
die den Support anfordern, kann sich die Begeisterung zunächst eher in Grenzen halten: Bis dato
kannte man "seinen persönlichen Berater", mit dem man über die Jahre eine Art "Support-Beziehung"
aufgebaut hat, die oft eine Grundlage für eine schnelle Problemlösung war – insbesondere, wenn die
Sympathie auf beiden Seiten stimmte.

Diese Kritikpunkte sind häufig berechtigt, sie lassen sich nicht einfach zur Seite schieben. Die
am Markt befindlichen Lösungen bieten aber eine weitreichende Individualisierung bei der Abbildung
der Serviceprozesse. Um beim Beispiel "Support-Beziehung" zu bleiben, so ermöglichen es viele
Programme mit etwas Konfigurationsaufwand, entweder ein Feld "Favorisierter Support-Mitarbeiter"
anzulegen oder einen "Routing-Table" so zu gestalten, dass eine Anfrage vorrangig durch einen
benannten Servicemitarbeiter bearbeitet wird.

Auch die Kritik, die Erfassung eines Problems wie beispielsweise eines vergessenen Passworts
dauere womöglich länger als dessen Lösung, ist bei vielen Programmen längst nicht mehr haltbar:
Eine gute Service-Desk-Software bietet dem Benutzer die Möglichkeit, die häufigsten Problemfälle
als Template anzulegen. In diesem Fall ist der Problemtext und die Lösung bereits in den
entsprechenden Masken eingeblendet. Mit zwei oder drei Mausklicks ist das Problem aufgenommen und
in Bearbeitung.

Datensammlung und Prozesse

Bevor eine Service-Desk-Lösung benutzbar ist, steht eine genaue Planung und Konfiguration an.
Dies geht weit über die Inventarisierung der Gerätschaften (Assets) und die Benutzerdatenbank
hinaus. Je genauer die Vorarbeit, desto besser das Ergebnis. Viele Programme bieten die
Möglichkeit, die Abarbeitung von Vorfällen (Incidents) als Prozesse zu definieren. Während bis vor
einigen Jahren für diese Beschreibung eine Skriptsprache zum Einsatz kam, so haben sich in der
jüngeren Vergangenheit grafische Designoberflächen à la UML (Unified Modeling Language)
durchgesetzt. Der Vorteil des grafischen Designs ist nicht zu unterschätzen: An der
Prozessdefinition sind häufig Mitarbeiter beteiligt, die über keine Programmierkenntnisse verfügen.
Diesem Personenkreis ermöglicht die Visualisierung des Vorgangs, am Prozessdesign effektiv
mitzuarbeiten. Es empfiehlt sich, zur Startphase nur wenige Prozesse zu erstellen, die das Gros der
tatsächlichen Anfragen an den Support abbilden. Das Fein- tuning folgt wie überall erst später.

Unabhängig von der Größe des Service-Desks ist mit einer recht großen Datenmenge zu rechnen:
Anders als zuvor wird nun jeder Status einer Anfrage, eines Geräts oder eines Services in einer
Datenbank festgehalten. Dies ermöglicht Recherchen im Stil von "Was hatten wir eigentlich vor zwölf
Monaten für Geräte in Abteilung A?" Kleinere Softwarelösungen bieten die Installation einer
integrierten Datenbank – häufig die Microsoft SQL Desktop Edition (MSDE 2000). Ist im Unternehmen
bereits eine ausgewachsene Datenbank wie Oracle oder Microsoft SQL 2005 vorhanden, so ist diese
Anbindung sicherlich mit Blick auf die Leistungsfähigkeit und das ungezügelte Wachstum von
Datenbetänden die bessere Wahl.

Die Datenbank in ihrer Rolle als Repository für die CIs (Configuration Items) und die
vielfältigen Beziehungen der CIs untereinander wird im ITIL-Umfeld als CMDB (Configuration
Management Database) bezeichnet. Über das Incident-Management im Service-Desk hinaus ist die CMDB
die entscheidende Grundlage für den Aufbau eines funktionierenden Configuration-, Problem- und
Change-Managements. Die CMDB darf nicht als bloße Inventardatenbank missverstanden werden: Neben
den reinen Bestandsinformationen sind die Konfiguration, die Beziehung der Objekte untereinander
und auch organisatorische und kaufmännische Informationen in der CMDB abzulegen. Ziel beim Aufbau
der CMDB ist die komplette Einspeicherung aller Informationen zum Produktlebenszyklus eines
Configuration Items.

Import von Asset-Informationen

Um nicht jedes Gerät von Hand einpflegen zu müssen, ist die Übernahme der Inventarinformationen
aus Drittsystemen eine erfolgskritische Funktionalität. Die Hersteller der Service-Desk-Lösungen
sind sich der typischen Vorarbeiten durch die IT-Abteilungen durchaus bewusst: Während sich die
eine Mannschaft um eine stets aktuelle Excel-Tabelle bemüht, nutzen andere Teams bereits
professionelle Lösungen. Während viele Inventarisierungsprogramme in die Tiefen der Technik
eindringen und selbst Informationen wie "frei verfügbare Speicherbänke" oder "maximal unterstützte
CPU" zu Tage fördern, so ist diese Genauigkeit in der CMDB zwar möglich, aber nicht zwingend
erforderlich. Wichtiger ist in diesem Umfeld beispielsweise die Tatsache, dass Mitarbeiter A auf
dem Drucker von Mitarbeiter B druckt.

Beinahe jede Service-Desk-Lösung bietet die Integration weiterer Programme mit Aufrufparametern
an. Hier öffnet dann der Befehl des Support-Mitarbeiters die entsprechende Software mit den
Detaildaten. Die für den Support wichtigste Information – "Haben wir noch Garantie auf dem Gerät?"–
lässt sich mit einem automatisch ausgelesenen Inventarwert üblicherweise nicht beantworten. Die
kaufmännischen Informationen wie Anschaffungspreis, Garantiedauer oder Kostenstelle sind somit ein
wichtiger Bestandteil in der CMDB. Wer bereits eine Anlagenbuchhaltung wie SAP in Betrieb hat, der
wird auf eine SAP-Schnittstelle kaum verzichten wollen.

Findet sich keine aktuelle Grundlage an Asset-Daten, so empfiehlt sich die Auswahl einer
Softwarelösung, die über Softwareagenten direkt Inventardaten ausliest und in die CMDB überträgt.
Agenten für Windows-Systeme stehen üblicherweise zur Verfügung, bei Unix, Mac OS und Linux sieht
das Marktangebot schon dünner aus. Sind nur eine Handvoll Unix-Server oder Mac-OS-Workstations im
Unternehmen, so können diese getrost auch per Hand erfasst werden. Eine automatische Erkennung von
Veränderungen an der Gestalt der Hardware, beispielsweise der zusätzlich eingesteckte
Speicherriegel, bleibt in diesem Fall jedoch verborgen. Für eine kontinuierliche Protokollierung
der Konfiguration für das Change-Management und die Compliance-Kontrolle könnte dies aber zum
Problem werden. Auch hier gilt wieder eine gute alte Regel der Administration: Ein Skript-Job kann
Wunder wirken! Bewaffnet mit etwas Detailwissen gibt beinahe jedes Computersystem alle benötigten
Daten preis – doch die Arbeit bleibt dem Administrator.

Benutzerinformationen aus dem eigenen Unternehmen oder aus Netzwerken, zu denen
Vertrauensstellungen bestehen, gewinnen die meisten Service-Desk-Lösungen über Directory-Services
wie LDAP, Active Directory oder Edirectory. Ein automatischer Abgleich mit den Daten aus der
Personalverwaltung ist dann schon die Luxusvariante. Große Service-Desk-Implementierungen gehen so
weit, bei Anlage eines Personalstamms in SAP HR automatisch ein Benutzer-Account in Windows
anzulegen und aufgrund der definierten Aufgabengebiete die Zusammenstellung der Programme und das
Design des Desktops zu konfigurieren.

Viele Anfragen an den zentralen Service-Desk gehen per Telefon ein. Größere Anbieter haben
deshalb in den aktuellen Versionen ihrer Softwarelösungen eine Integration von
Telefonanlagensoftware realisiert. Im besten Fall hat der Support-Mitarbeiter bereits beim Abheben
des Telefonhörers – oder mit dem Klick auf OK bei Nutzung eines Headsets – die Informationen über
den Anrufer auf dem Bildschirm: die Historie bisheriger Anfragen, ebenso die Auflistung noch
offener Incidents. Bei wechselnden Mitarbeitern im Support ist eine solche Technik sehr hilfreich
für das Vertrauen der anfragenden Kundschaft. Wer möchte schon die letzte Support-Anfrage jedes Mal
wiederholen müssen?

Neben der Telefonintegration ist die automatische Einsortierung von E-Mails ein wichtiges
Standbein für die Abwicklung von Incidents: Die Schlüsselwortsuche ist für die E-Mail-Bearbeitung
ebenso wichtig wie das automatische Filtern von unerwünschten Nachrichten (Spam). Beantwortet ein
Kunde eine vom Support versandte E-Mail, so ist sicherzustellen, dass diese Mail wieder bei dem
Mitarbeiter landet, der mit dem Fall betraut ist. In der Regel verwenden die Programme dafür eine
automatisch in die E-Mail eingebrachte Abwicklungsnummer, die mit dem Hinweis "bei Antworten bitte
nicht entfernen" versehen ist.

Der dritte Schauplatz für den Service-Desk ist der "Self-Service"– also die Selbstbedienung.
Mithilfe von Account-Informationen hat der Kunde die Möglichkeit, Support-Anfragen selbst
aufzugeben, normalerweise über eine Webseite. Die Klassifizierung wird somit ebenfalls zur Aufgabe
des Kunden, was nicht immer ohne negative Folgen bleibt: Selten sind Endanwender in der Lage, genau
zu lokalisieren, warum der Ausdruck nicht aus ihren Druckern kommt. Welcher Endanwender weiß schon,
was ein LPR-Print-Daemon ist?

Vorrangiges Ziel der Bereitstellung eines Self-Service-Portals ist jedoch die Vermeidung eines
Incident-Tickets. Typische Benutzeranfragen können in jeder Service-Desk-Software via FAQ-Datenbank
mit Lösungen korreliert werden. Über Schlüsselworte wie "Drucker geht nicht" steht einer Suche des
Endanwenders in Lösungsvorschlägen nichts im Wege. Die Qualität der Suchfunktion, im günstigsten
Fall mir Relevanzberechnung und Feedback-Möglichkeit ("Diese Seite hat mir sehr geholfen."),
entscheidet beim Self-Service über den Nutzungsgrad. Die simple Übernahme der Lösungstexte aus dem
Support ohne redaktionelle Nachbearbeitung wird in den wenigsten Fällen tatsächlich zur Vermeidung
von Serviceanfragen führen.

Am Ende des Wegs durch den Service-Desk steht entweder die Lösung des Vorfalls oder die Übergabe
an die Kollegen vom Problem-Management. (Ein "Problem" ist in der ITIL-Terminologie ein wiederholt
auftretender Vorfall oder Incident.) In vielen IT-Abteilungen handelt es sich bei diesen Personen
um denselben Personenkreis, der auch Incidents bearbeitet. Dies dürfte bei einigen Installationen
der Grund dafür sein, dass zunächst die Abbildung des Service-Desks allein durchgeführt wird. Nach
einiger Zeit wird jedoch deutlich werden, dass der Service-Desk allein nicht ausreicht, um aus dem
Support ein vorbildliches Serviceinstrument zu machen.

Bewaffnet mit den Informati-onen aus der CMDB und einem hoffentlich leistungsfähigen und gut
bedienbaren Reporting-Tool lassen sich viele Teilziele auch im Vorfeld optimieren. Wer an den
Reaktionszeiten drehen will, muss zunächst den Status Quo kennen. Falls beispielsweise aus den
Sekretariaten sehr viele aufwändige Office-Anfragen eintreffen, so ist vielleicht die Schulung des
Personals vor Ort der richtiger Weg für das Unternehmen. Diese Entscheidungen kann die
Service-Desk-Lösung dem Management aber nicht abnehmen.

Königsklasse Automation

Mit der Aufnahme von Incidents und deren Zuweisung an Support-Mitarbeiter allein ist die Vision
von der reaktionsschnellen IT noch nicht erschöpfend betrachtet. In Zukunft müssen immer mehr
Teilschritte automatisiert werden. Da wäre die Erzeugung von Support-Anfragen per E-Mail oder SNMP
von Server- oder Netzwerksystemen auf der einen Seite und das automatische Anstoßen von Skript-Jobs
durch den Support auf der anderen Seite. Mit einem gut eingerichteten Service-Desk als
IT-Kommandozentrale ist die Liste an Möglichkeiten beinahe unbegrenzt. Zwar wurde der Service-Desk
ursprünglich als Anlaufstelle für IT-Fragen ins Leben gerufen. Da es sich bei den Abläufen in der
IT um nichts weiter als Prozesse handelt, sind viele Szenarien aber auch außerhalb der IT
anwendbar, beispielsweise technischen Anfragen an den Hausmeisterservice: Warum sollte man nicht
auch die flackernde Neonröhre über das Serviceportal abwickeln?


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