Sun vollzieht einen Schwenk in der Abwehrstrategie gegen Linux und bestellt Ian Murdock, den Gründer der Debian-Version, zum ersten Chief Operating Platforms Officer. "Es erinnert fast an das alte Microsoft", kommentiert Rob Enderle von der Enderle Group. "Durch eine Strategie des Annehmens und Ausweitens wurde damals aus einer kleinen Softwareschmiede der weltweit führende Softwarekonzern. Murdoch könnte Sun eine große Hilfe dabei sein, Produkte auf den Markt zu bringen, die die Anhänger von Linux vorziehen."
"Ich verlasse die Linux Foundation mit Wehmut", schrieb Murdock in seinem Blog. Die Linux Foundation wurde vor einem Monat durch das Zusammengehen der OSDL und der Free Standards Group ins Leben gerufen. "Alles, was ich über Computing weiß, hab ich auf Sun Workstations gelernt, und das gilt für viele andere frühe Linux-Entwickler ebenso", begründet Murdock den Reiz, den Sun für ihn besitzt. Der Linux-Guru behält jedoch seine Funktion als Vorsitzender des Linux Standard Base Projekts innerhalb der Foundation. Sun ist Mitglied der Linux Foundation.
Laut Simon Phipps, Chief Open Source Officer bei Sun, soll Murdock eine neue Strategie für die Weiterentwicklung sowohl von Solaris als auch von GNU/Linux aufbauen. Die Anstellung des Linux-Manns sei gleichzeitig "ein brillianter und kontroverser" Schachzug, so Phipps, aber auch ein logischer nächster Schritt für Sun. Dem stimmt auch Enderle zu. Die Industrie sei schon lange reif für eine echte wettbewerbsfähige Alternative zu Linux. Und da für Sun von dem Pinguin-Betriebssystem die meiste Gefahr ausgeht, sei es logisch, dass der Anbieter die beste konkurrenzfähige Antwort darauf geben muss, um weiterhin erfolgreich zu sein. Vorausgesetzt Murdock kann bei Sun arbeiten, denn nicht jeder komme mit dieser Unternehmenskultur zurecht, so der Analyst, werde er eine echte Alternative zu Linux entwickeln, deren großer Vorteil unter anderen eine bessere Zusammenarbeit mit vorhandenen Unix-Plattformen ist.
Der Analyst Stephen O’Grady von RedMonk hält zwar Murdock für eine exzellente Wahl, doch berge der Schachzug auch Risiken. Der Analyst kennt Sun sehr gut, weil die Kalifornier RedMonk-Kunden sind. Murdock werde auf erheblichen internen Widerstand stoßen, so der Analyst, und die notwendigen Änderungen nicht durchführen können.
Murdock hatte das Debian-Projekt 1993 gegründet und die Linux-Distribution nach seiner Frau Deb und dem eigenen Vornamen, Ian, benannt.
Barbara Gengler/LANline