Die Zukunftsvision Industrie 4.0 hat das Ziel, die Industrie mittels funktionsbereichsübergreifender Vernetzung und Digitalisierung weiter zu entwickeln, wodurch neue Kooperationsformen und Geschäftsmodelle entstehen werden und nicht zuletzt auch der Produktionsstandort Deutschland zukunftsfähig gemacht werden soll. Dabei ist das Thema Industrie 4.0 exemplarisch für die sich wandelnde Bedeutung der IT: Erstmals stellt die IT nicht die Kerninnovation dar, sondern dient "lediglich" - oder besser: vielmehr - als Beschleuniger viel weitreichender, interdisziplinärer Innovationen. So sehen es die Marktforscher von Techconsult.
Damit einhergehend werden sich die Entwicklungshemmnisse weg von reinen Technikfragen hin zu gemeinsamem Verständnis – auch im wahrsten Wortsinn – über die Grenzen von Funktionsbereichen und Branchen hinweg verschieben. Damit entsteht eine „Horizontalisierung“ der Industrieprozesse.
Spannend wird vor diesem Hintergrund die Rolle der Branchengrößen im Vergleich zum Mittelstand sein: „Erfahrungsgemäß werden umfassende Innovationen von den großen Technologieführern initiiert und getrieben. Doch die industrielle Struktur in Deutschland verlangt für einen zügigen Erfolg von Industrie 4.0 den Mittelstand als treibende Keimzelle“, so Andreas W. Klein, Managing Director bei Techconsult. „Und hier werden vermutlich vor allem die Service-Dienstleister voranschreiten.“
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Das Ziel ist damit nicht bloß, Cyber Physical Systems (CPS), Machine-to-Machine-Kommunikation (M2M) oder Cloud und Big Data/Analytics im Produktionsumfeld einzuführen und einzusetzen. Industrie 4.0 bedeutet vielmehr, dass die gesamte Wertschöpfungskette durchgängig IT-gestützt und soweit möglich automatisiert durchlaufen werden kann. Der erste Schritt in diese Richtung ist es, die Vielzahl an unterschiedlichen IT-Systemen besser zu integrieren und unnötige Brüche zu vermeiden, die es aktuell noch in der Prozesskette gibt.
Das ist keine triviale Aufgabe, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel Enterprise Ressource Planning Systeme (ERP) im Gegensatz zu Manufacturing-Execution-Systemen (MES) eher träge sind. Beim ERP beschäftigt man sich mit vorausschauender Planung, Berechnung, Modellierung, Analyse, Prognose etc., was auch aufgrund der Datenmenge und Anforderungen an Datenabgleich bisher zumeist nicht in Echtzeit passiert. Manufacturing-Execution-Systeme hingegen sind mit Sensoren und Aktoren von Maschinen und Anlagen verbunden und laufen in Echtzeit.
Zwei Entwicklungen führen diese beiden Extreme jedoch zusammen: Zum einen steigt die Datenmenge im Zuge des Internet of Things, weil mehr netzwerkfähige Endgeräte verfügbar sind und Daten liefern können: von Lieferungen, deren Eintreffen mittels Geofencing angekündigt werden, über Maschinen und Anlagen, die automatisch Produktionsfortschritte rückmelden, bis hin zu Produkten mit Embedded Systems und Produktgedächtnis. Zum anderen werden ERP-Systeme sehr viel performanter, etwa durch In-Memory-Datenbank-Systeme, und rücken damit näher an die Echtzeitwelt der Manufacturing Execution Systeme.
Das Zusammenwachsen dieser „IT-Welten“ ist daher als Optimierung der Prozessübergänge zu begreifen, die ein erster Ansatzpunkt auf dem Weg zur Smart Factory ist. Bei dieser Optimierung werden dann Techniken wie Cloud und Big Data/Analytics interessant, um die Potenziale zu nutzen, die sich durch zunehmende Vernetzung und Digitalisierung ergeben.
Industrie 4.0 müsse vor diesem Hintergrund stärker aus der Prozesssicht betrachtet werden: Eine aktuelle Techconsult-Befragung ergab, dass das Thema Industrie 4.0 in den Unternehmen bisher vor allem von der IT getrieben wird. Hier sei noch Aufklärungsarbeit zu leisten, wie Industrie-4.0-Ansätze in der Produktionsabteilung zu nutzen sind, damit das Thema auch von dort vorangetrieben wird, wo es greift – nämlich in der Produktion, bei Produktionsleitern und -mitarbeitern.