Vollständig virtualisiertes Rechenzentrum

Virtualisierung trifft Automation

28. Februar 2011, 6:00 Uhr | Dietmar Holderle, VP EMEA

Für die meisten IT-Abteilungen ist der Einsatz von Virtualisierungstechnik für Server, Speicher oder Netzwerke selbstverständlich. Um die Vorteile der Virtualisierung aber in vollem Umfang zu nutzen, fehlt fast immer der integrative Ansatz für diese drei Bereiche.

Bei den derzeit diskutierten Varianten der Virtualisierung handelt es sich keineswegs um neue Techniken: Die Server-Virtualisierung für x86-Maschinen ist relativ ausgereift – sie wird bereits seit mehr als einem Jahrzehnt eingesetzt. Erfahrungen mit virtualisiertem Speicher sind noch nicht so verbreitet, doch sind heute zahlreiche Lösungen für die Storage-Virtualisierung verfügbar. Auch die Netzwerkvirtualisierung in Form von VLAN und VPN gibt es schon seit vielen Jahren, wobei die Netzwerkausrüster heute für dieses Einsatzfeld diverse neue Lösungen anbieten und alternative Wege einschlagen. Im Folgenden soll ein Blick auf virtualisierte Server, Speicher und Netzwerke aufzeigen, inwieweit ein automatisiertes Switching dazu beitragen kann, diese Umgebungen zu einem schlüssigen Ganzen zu integrieren.

Erstmals wurde Virtualisierungstechnik in den frühen 1960er-Jahren für die Großrechner von IBM entwickelt, um den Nutzwert dieser teuren Hardware zu maximieren. Mit der Verfügbarkeit der Standard-Server „“von der Stange““ in den 1980er- und 1990er-Jahren sanken die Hardwarepreise deutlich – es rechnete sich nun, pro Applikation einen Server bereitzustellen, sodass Virtualisierung nicht mehr erforderlich schien. Allerdings setzte sich damit eine sehr ineffiziente Nutzung der Server durch: Diese waren meist schlichtweg überproportioniert. So führte die Berücksichtigung von Leistungsspitzen und wachsenden Anforderungen zu einer durchschnittlichen Server-Auslastung von 15 Prozent oder weniger.

Server-Virtualisierung

1999 stellte VMware seine Lösung für die Virtualisierung von Windows-Servern vor, die es erlaubte, mehrere Applikationen zum Einsatz für dedizierte Server zu kombinieren und so den Auslastungsgrad auf Werte von bis zu 80 Prozent anzuheben. Hypervisoren ermöglichen hier die Aufteilung der Ressourcen in virtuelle Maschinen (VMs), von denen jede als unabhängige Betriebsumgebung auf dem Server fungiert. Heute gibt es eine Reihe von Unternehmen, die Produkte zur Server-Virtualisierung anbieten, darunter neben VMware auch Citrix, Microsoft, Oracle oder Red Hat.

Der Einsatz von Virtualisierungslösungen hat die Zahl erforderlicher Server deutlich reduziert – und damit auch den Platz?, Energie- und Kühlungsbedarf. Heute nutzen rund 80 Prozent aller großen Rechenzentren die Server-Virtualisierung. Dies erlaubt die unmittelbare Bereitstellung von Ressourcen „“on-the-fly““ (auf Abruf) für spezifische Anwendungen, was Trends wie Software-as-a-Service (SaaS) und Cloud Computing fördert.

Allerdings erhöht die Server-Virtualisierung die Komplexität beim Management der IT-Infrastruktur – statt ein paar Dutzend Server zu verwalten, stehen Administratoren vor der Aufgabe, sich mit Hunderten oder Tausenden von VMs zu befassen. Zudem setzt eine Virtualisierung der Workloads voraus, dass nicht nur der Server virtualisiert arbeitet, sondern auch Speichersysteme und Netzwerke. Da außerdem die Leistungsfähigkeit der Hypervisoren kontinuierlich zunimmt, wachsen die aus der Bereitstellung und dem Management übergreifender virtueller Umgebungen resultierenden Herausforderungen weiter kontinuierlich.

Virtuelle Speicherlösungen

Virtuelle Server-Umgebungen sind äußerst flexibel – VMs erleichtern die Bereitstellung neuer Applikationen deutlich. Aber für deren Einsatz ist im Rechenzentrum eine ebenfalls flexible Speicherinfrastruktur erforderlich. Wenn VMs einzelne Server ersetzen, die spezifische Speicherressourcen nutzen, wird die Storage-Virtualisierung quasi zur Pflicht, um brachliegende Speicherkapazitäten auf nicht ausgelasteten Storage-Servern zu vermeiden. Letztlich lässt sich mit Storage-Virtualisierung die Auslastung der Speicher um den Faktor drei verbessern und damit das Budget deutlich entlasten.

Storage-Virtualisierung schließt Techniken wie die Datenmigration, das Caching, Snapshots und Thin Provisioning ein. Die diversen Lösungsanbieter gehen unterschiedliche Wege und setzen eigene Host-basierte Software, Speichersysteme oder Netzwerkhardware ein. Virtualisierung kann dabei symmetrisch (Inband) durch das Caching der Daten direkt im Datenstrom zwischen Server und Speicher oder asymmetrisch (Outband) durch die Nutzung von Metadaten zu einer Datei mit anschließendem Dateizugriff direkt am Speicherort erfolgen. In beiden Fällen entsteht ein flexibler und einfach verwaltbarer Speicherpool für VMs und deren Applikationen.

Storage-Virtualisierung erlaubt die einfache Datenmigration und -replikation zwischen den Speicherorten und erhöht so die Auslastung der Speichereinheiten, da alle Server auf die Daten beliebiger Speichersysteme zugreifen können. Die Hauptnachteile virtualisierter Speicher liegen im Wildwuchs der unterschiedlichen Ansätze der einzelnen Hersteller begründet: Es fehlt schlichtweg ein etablierter Industriestandard, was den einfachen Wechsel von einer virtualisierten Umgebung zu einer anderen verhindert. So ist es entschieden einfacher, eine virtualisierte Speicherinfrastruktur einzurichten, als eine Implementierung aufzuheben.

Netzwerkvirtualisierung

Mehr und mehr setzt sich die Erkenntnis durch, dass eine Virtualisierung des Netzwerks viele sonst manuell durchzuführende Arbeitsprozesse bei der Verwaltung virtualisierter Server und Speicher erübrigt und dadurch Kosten, Fehler und ineffiziente Abläufe vermeidet. Zur Unterstützung virtualisierter Umgebungen muss eine IT-Abteilung ihr Netzwerk von statischen Verbindungen auf ein dynamisches Verbindungs-Management transferieren, das es erlaubt, die Bereitstellung der Daten für VMs und virtualisierte Speicher zu automatisieren. Inzwischen haben mehrere Hersteller Lösungen auf den Markt gebracht, die diese Funktionalität unterstützen.

Virtualisierte Netzwerke haben eine ähnlich lange Geschichte wie virtualisierte Server. Über VLANs und VPNs ist es Netzwerkadministratoren möglich, virtuelle Netzwerke innerhalb der physischen Netzwerkinfrastruktur zu erstellen, um unterschiedliche Verbindungs?, Sicherheits- und QoS-Profile (Quality of Service) einzusetzen. Bedingt durch die verstärkte Nachfrage nach flexibleren IT-Umgebungen kommen nun Aufgabengebiete wie die Unterstützung dynamischer Server-Umgebungen hinzu, um Verbindungen innerhalb der Server- und Speicherinfrastruktur nach Bedarf erstellen, anpassen und wieder entfernen zu können.

Netzwerkvirtualisierung bietet neue Möglichkeiten, um zum Beispiel den Automationsgrad von Verwaltungsprozessen für Verbindungen, Sicherheitsmaßnahmen und QoS zu erhöhen. So ist es bei jeder Verlagerung einer VM notwendig, auch die assoziierten VLAN- und Port-Profile mit einzubeziehen. Da das Management in Rechenzentren heute meist auf separaten Administrationseinheiten für Server, Speicher und Netzwerke basiert, bedingt eine VM-Migration eine entsprechende Weisung zur Verlagerung der VLAN- und Port-Profile an die Netzwerkgruppe. Gerade in großen Unternehmen kann es Stunden, wenn nicht gar Tage dauern, bis dieser Arbeitschritt erledigt ist – was die durch eine Server-Virtualisierung gewonnenen Vorteile einer dynamischeren Infrastruktur torpediert. Muss der Administrator ein Netzwerk manuell überwachen, um Änderungen festzustellen und entsprechende Maßnahmen zur Migration von VLAN- und Port-Profilen umzusetzen, bedeutet dieses für die ohnehin stark belasteten Netzwerkteams zusätzliche Arbeit. Kurzum: Das Ziel von Unternehmen, mit weniger Aufwand mehr zu bewerkstelligen, setzt ein dynamisches und virtualisiertes Netzwerk voraus. Alles andere kostet mehr Zeit und damit mehr Geld.

Eine virtualisierten Umgebung erhöht die Anforderungen an die Netzwerkinfrastruktur. Virtualisierte Umgebungen verursachen mehr Traffic im Netzwerk und größere Schwankungen der Netzwerklast. Dies bedeutet, dass das Netzwerk für höhere Kapazitäten auszulegen ist sowie Höhen und Tiefen in der Netzwerklast verkraften muss (größere Puffer der Switches). Es bedeutet auch, dass das Netzwerk-Management in hohem Grad automatisiert erfolgen sollte, um zu vermeiden, dass das Netzwerk dynamische Änderungen bei Servern und Storage ausbremst.

Das Netzwerk als Verbindungsglied zwischen virtualisierten Servern und Speichern muss mit unterschiedlichen Lösungen und Techniken zur Server- und Speichervirtualisierung arbeiten können. In der Praxis heißt dies: Unterstützung möglichst vieler Hypervisoren unterschiedlicher Anbieter, Unterstützung einer breiten Palette herstellerspezifischer Management-Tools für virtualisierte Umgebungen sowie Unterstützung der etablierten Industriestandards für Netzwerke. Ansonsten besteht die Gefahr der Abhängigkeit von einzelnen Herstellern oder Architekturen.

Die Implementierung einer automatisierten, dynamischen Netzwerkschicht im RZ ist eine recht neue Idee, aber viele Hersteller haben sie bereits aufgegriffen und weisen mit automatisierten Switches den Weg in die Praxis. Automatisierte Switches sind in der Lage, VLAN- und Port-Profile nach Bedarf an den relevanten Zielorten bereitzustellen und Administratoren von sich abzeichnenden Problemen zu informieren. Zudem übernehmen sie noch viele weitere Arbeiten in virtualisierten Server- und Storage-Umgebungen, die ansonsten die To-do-Listen des Netzwerkteams füllen würden.

Organisatorisches

Der Einsatz von Virtualisierungstechnik bedingt organisatorische Veränderungen. Traditionell haben Unternehmen separate Administrationsteams für das Management von Servern, Storage und Netzwerken. Jedes dieser Teams verantwortet seinen Part der IT-Infrastruktur, meist beschränkt sich die übergreifende Zusammenarbeit auf ein Minimum. Dieses Modell hat in der Vergangenheit gut funktioniert, da sich die IT-Infrastruktur mit ihren klar definierten Schnittstellen zwischen Servern, Speichern und Netzwerken statisch darstellte.

Mit der Virtualisierung ändern sich jedoch die Voraussetzungen. Die Migration einer VM von einem Server auf einen anderen hat nicht nur Auswirkungen auf die Server-Umgebung, sondern auch auf die Anbindung von Speicher- und Netzwerkressourcen. Das traditionelle Management-Modell sieht in diesem Fall vor, dass der Server-Administrator Kontakt mit den Storage- und Netzwerk-Administratoren aufnimmt und Change-Anweisungen übermittelt. In einer virtualisierten Umgebung sind VMs allerdings zeitnah zu transferieren, was die Integration von Servern, Speicher und Netzwerk sowie automatisierte Management-Prozesse voraussetzt.

Mit der Virtualisierung hat auch neue Technik Einzug gehalten, die das Management erschwert. So umfassen beispielsweise viele aktuelle Hypervisoren virtuelle Switches, sogenannte Vswitches.

Vswitches verwaltet der Administrator der virtuellen Umgebung üblicherweise über die Management-Konsole des Hypervisors. Dies bringt es mit sich, dass der virtuelle Teil des Netzwerk-Managements vom Administrator der virtuellen Infrastruktur getragen wird, während der physische Part in die Zuständigkeit des Netzwerkadministrators fällt. Diese Aufteilung der Verantwortlichkeiten fordert inkonsistente Netzwerk-Policies und damit Sicherheits- und Leistungsprobleme geradezu heraus. Neue Standards wie EVB (Ethernet Virtual Bridging) sollen hier Abhilfe schaffen. Allerdings sind sie bislang noch nicht vollständig entwickelt und daher nicht etabliert, sodass vorerst die Administratoren selbst die Frage nach den Zuständigkeiten für das Management virtueller Umgebungen beantworten müssen.

Ein kurzes Fazit

Der Weg zu dynamischen und damit virtuellen Rechenzentren ist durchaus steinig. Er wirft organisatorische Fragen auf und erfordert von Administratoren, sich mit neuer Technik auseinanderzusetzen. Jedoch lohnt es sich, diesen Weg bis zum Ende zu gehen. Denn das flexible RZ der Zukunft wird deutlich leichter zu managen sein und die Anforderungen der Endanwender besser erfüllen als statische Rechenzentren. Eine der Voraussetzungen für den Erfolg dieser Evolution ist die Automation der Netzwerkaufgaben. Sie gewährleistet, dass Änderungen durch das Server- und Storage-Management sofort umgesetzt werden. Nur so kann das Netzwerk ebenso virtuell und dynamisch agieren wie die angebundenen Server und Speicher.

Der Administrator muss in einer virtualisierten Umgebung trotz zahlreicher VMs den Überblick über die Auslastung der Infrastrukt

Bei der Migration einer VM von einem physischen Server auf einen anderen muss der Switch automatisch das VLAN und das Port-Profi

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