27. März 2012, 7:00 Uhr |
Harald Röder/pf, Systems Engineer DACH bei Meru Networks Germany.
Die klassische Architektur von Unternehmens-WLANs separiert den Funkbereich in Mikrozellen. Benachbarte Access Points arbeiten auf unterschiedlichen Kanälen, um gegenseitige Störungen so gut wie möglich zu vermeiden. Der Planungsaufwand ist dabei erheblich und die Flexibilität bei wachsenden Anforderungen oder Erweiterungen gering. Als Alternative bietet sich so genannte WLAN-Virtualisierung an. Der Beitrag stellt dieses Architekturkonzept im direkten Vergleich zur traditionellen Microcell-Infrastruktur vor.
Die Mikrozellentechnik bildet die Grundlage für die bekannteste und am meisten verbreitete Architektur in größeren WLAN-Installationen. Dabei handelt es sich um eine Funknetztopologie, bei der die jeweils benachbarten Access Points auf unterschiedlichen RF-Kanälen (Radio Frequency) arbeiten und so eine Infrastruktur mit vielen separaten Mikrozellen aufbauen. Dieses Verfahren wurde in den späten 1990er-Jahren entwickelt, damit sich Access Points nicht gegenseitig stören können. Damals gab es noch nicht viele WLAN-Endgeräte, und so ließ es sich mit diesem technischen Ansatz gut leben.
Innerhalb dieser traditionellen WLAN-Architektur erfordert eine höhere Dichte an WLAN-Clients auch entsprechend mehr Access Points, um die notwendige Bandbreite pro Client bereitstellen zu können. In diesem Fall bleibt den IT-Verantwortlichen nur die Möglichkeit, den Abstand zwischen den Access Points zu verringern, um bei einer größeren Anzahl von WLAN-Clients innerhalb des Funkfelds eine Erhöhung des Durchsatzes zu erzielen.
Die wesentliche Beschränkung der Mikrozellenarchitektur besteht dabei jedoch in einer Erhöhung der Interferenzen und Kollisionen. Dieser klassische Ansatz bringt daher für die IT-Abteilung viele Probleme mit sich, um den Benutzern auf Dauer gute Empfangsmöglichkeiten bieten zu können. Da der WLAN-Zugang inzwischen für viele Unternehmen unverzichtbar ist, nehmen die Probleme durch Funkstörung sowie bei Kanalplanung und Bandbreitenzuteilung zu. Die ursprünglich bequeme Lösung für die drahtlose Netzwerkarchitektur erweist sich teilweise als zu schlecht ausgerüstet, um zuverlässige Verbindungen in „Carrier“-Qualität sowie die beständige Leistung bereitzustellen, die für den heutigen Multimedia-Datenverkehr erforderlich sind.
Eine typische Fehlerquelle bei WLAN-Infrastrukturen auf Microcell-Basis stellt die hohe Anzahl an Access Points (APs) dar. Je mehr APs vorhanden sind, desto häufiger ist die Leistung und die Kanalwahl jedes einzelnen neu zu konfigurieren und so einzustellen, dass keine gegenseitigen Störungen auftreten. Reduziert der Administrator dabei die jeweilige Sendeleistung, so hat dies eine noch komplexere Microcell-Architektur zur ausreichenden Abdeckung des Funkraums zur Folge.
Die gegenseitige Funkstörung zwingt zudem benachbarte APs, Kanäle zu nutzen, die sich möglichst nicht überschneiden. Die Berechnung der jeweiligen Leistungen und Kanaleinstellungen sind in der Praxis so kompliziert, dass dafür spezielle Software nötig ist, die dennoch häufig ungenaue Vorhersagen über den Nutzungsbereich abgibt. Für eine Ausdehnung des Netzwerks oder als Backup bei Störungen durch Quellen wie beispielsweise Mikrowellen- oder Bluetooth-Geräte, die denselben Funkfrequenzbereich nutzen, bleiben meist keine Ausweichkanäle. Wenn neue Access Points zu einer Installation hinzukommen, muss die Administration deren Leistung oft drosseln, um gegenseitige Störungen mit den vorhandenen APs zu vermeiden. Die Aufrüstung älterer WLAN-Infrastrukturen auf 802.11n verschlimmert die Situation noch, da die tatsächliche Reichweite dieser Systeme durch Multipath-Effekte nicht prognostizierbar ist.
Die meist erforderliche Leistungsdrosselung in Microcell-Architekturen führt letztlich dazu, dass ein Großteil der funktechnisch verfügbaren Kapazität vergeudet wird. Eine ideale Anforderung an eine leistungsstarke WLAN-Architektur wäre daher, dass sich die einzelnen Access Points gegenseitig nicht stören können und im besten Fall ihre Gesamtleistung sogar steigern. Alle APs sollten dabei gleichzeitig mit voller Leistung senden können.
Virtuelle Alternative
Der Mikrozellenarchitektur, bei der die Access Points auf unterschiedlichen Kanälen senden und dadurch eine vollständige Funknetzabdeckung mühsam aufzubauen und einzumessen ist, steht als Alternative eine WLAN-Infrastruktur gegenüber, die mit virtuellen Zellen und Ports (Virtual Cells, Virtual Ports) arbeitet. Dabei spannt eine solche Architektur eine virtuelle Zelle über alle Access Points hinweg auf, wodurch beispielsweise auch das sonst nötige Roaming mobiler Clients entfällt. Mit der Virtual-Port-Technik lässt sich diese Zelle in virtuelle WLANs aufteilten, die jeweils einem WLAN-Client zugeordnet sind. So erhält der Wireless Controller im Netz die volle Kontrolle über die Verwendung aller WLAN-Ressourcen.
Anwender und Systemadministratoren profitieren beim Einsatz einer solchen „Virtual Cell/Virtual Port“-Technik unter anderem davon, dass keine überschneidenden Zellen und Kanäle auftreten. Im Rahmen einer solchen Architektur benötigt das Unternehmen vor der Installation der WLAN-Lösung auch kaum Kenntnisse zur Kanalplanung, da überlappende Kanäle innerhalb dieses Konzepts nicht auftreten müssen. Die sonst anfallenden Kosten im Vorfeld der Implementierung sind somit reduziert. Zugleich ist die Abhängigkeit des Anwenders vom spezifischen RF-Wissen des Systemintegrators geringer. Ähnliches gilt wiederum für den Systemintegrator, der nicht länger auf spezielle Tools zur Kanalplanung angewiesen ist.
Dieser Art der WLAN-Virtualisierung ermöglicht zudem jederzeit einen Ausbau der Netzinfrastruktur. Die Administration muss dazu die vorhandenen Architekturen weder neu berechnen noch umkonfigurieren. Die Anwender profitieren wiederum von einer hohen Performance für aktuelle und künftige Applikationen – sie erhalten ein System, das eine zuverlässige WLAN-Leistung bereitstellt, die beispielsweise auch für anspruchsvolle Sprach- und Breitbandvideo-Anwendungen geeignet ist.
Abschied von der Kanalplanung
Vor allem das traditionell aufwändige Thema Kanalplanung erledigt sich bei einer Virtualisierung der WLAN-Infrastruktur fast von selbst, da alle APs denselben Kanal störungsfrei nutzen können. Auch das Hinzufügen neuer Access Points zur Beseitigung von Funklöchern oder zum Erweitern der Reichweite ist in dieser Hinsicht problemlos, da alle neuen Systeme denselben Kanal nutzen und mit der gleichen vollen Leistung senden können wie die vorhandenen APs. Ein weiterer Vorteil gegenüber der Mikrozellenarchitektur: Bei der WLAN-Virtualisierung bleiben Clients ohne die sonst übliche Verzögerung beim Hand-off stets mit demselben virtuellen AP verbunden – unabhängig davon, wo sie sich im Netzwerk bewegen.
WLAN-Virtualsierung ermöglicht sogar separate 802.11n- und 802.11g-Netzwerke in sich nicht überschneidenden, freien 2,4-GHz-Kanälen ohne wechselseitige Beeinträchtigung. Die Skalierung eines Microcell-Netzwerks wäre in dieser Form nicht möglich, da diese Architektur durch den Versuch, Funkstörungen zu umgehen, das Potenzial aller verfügbaren Kanäle nicht ausschöpfen kann.
Beim gleichzeitigen Senden vieler WLAN-Geräte auf einem einzigen Kanal – wie es in einer virtuellen WLAN-Infrastruktur der Fall ist – kommt der gerechten Aufteilung der verfügbaren Ressourcen allerdings eine entscheidende Bedeutung zu. Dies ist Aufgabe des zentralen WLAN Controllers. Letzterer erkennt die diversen 802.11-Standards der beteiligten Clients und die zu sendenden Pakete. Er steuert jeden „Teilnehmer“ individuell und teilt die Übertragungszeit im Shared Medium gerecht auf. Im Rahmen dieser so genannten „Airtime Fairness“ spricht immer nur derjenige Client oder Access Point, den der Controller dazu angewiesen hat. Dadurch, dass der Controller seinem Namen wirklich gerecht wird und tatsächlich jegliche Kommunikation im WLAN steuert, fällt letztlich die nutzbare Bandbreite dank des deutlich geringeren Overheads größer aus als in herkömmlichen Architekturen.
Wie prognostizierbar ist die Netzwerkleistung?
Zu den Erwartungen der Anwender an ein WLAN zählen beispielsweise hohe Datenraten, kurze Roaming-Zeiten oder – bei VoIP-Nutzung – sehr gute MOS-Werte. Mittels WLAN-Virtualisierung lässt sich die Leistung des Funknetzes konstant und kontrollierbar halten, da die Clients nicht um Bandbreite konkurrieren müssen. Das System behandelt jedes Datenpaket mit einem bestimmten QoS-Level (Quality of Service) gleich. Aus diesem Grund liegt die Standardabweichung bei den meisten Leistungsmessungen in solchen Umgebungen bei unter zehn Prozent. Das Ergebnis: wenig Schwankungen und kurze Verzögerungszeiten.
In klassischen WLAN-Architekturen konkurrieren die Clients nach dem Zufallsprinzip um Zugriff, und es gibt keinerlei Garantie, dass ein Client ein Datenpaket übertragen kann. Wenn Clients Zugang erhalten haben, darf jeder nur ungefähr die gleiche Datenmenge senden. Dies führt zu einem ernsthaften Problem, wenn etwa 802.11n-Clients mit älteren Clients zusammenarbeiten müssen, da langsamere Geräte mehr Zeit zum Übertragen der gleichen Anzahl Bytes benötigen. Letztendlich beherrschen die langsamsten Clients das Netzwerk und vergeuden damit einen Großteil der Investitionen in eine 802.11n-Infrastruktur.
Einer virtuellen WLAN-Architektur verhindert dies durch Gleichbehandlung bei der erwähnten Airtime-Zuteilung: Jeder Client erhält den gleichen Anteil an Netzwerkzeit und kann während dieser Zeit mit voller Leistung senden. Datenraten werden wie bei einem Ethernet Switch einzeln ausgehandelt. Die durch Microcells künstlich entstandenen Grenzen sind aufgehoben, und alle Clients bleiben mit einem einzigen Virtual Port verbunden – unabhängig davon, wo sie sich innerhalb des Netzwerks bewegen.
Abschließend stellt sich die Frage, wie proprietär beziehungsweise standardkonform ein solches virtuelles WLAN ausfällt – besonders in Hinblick auf die Client-Seite. Benötigen Anwender spezielle WLAN-Hardware oder zumindest spezifische WLAN-Treiber? Die Antwort lautet „nein“: Eine gute virtuelle WLAN-Lösung ist strikt nach Standard realisiert, sodass sich jeder Client, unabhängig von Hersteller und Firmware, verwenden lässt.
Fazit
Die Microcell-Architektur war ebenso wie 802.11b ein wichtiger Schritt in der Entwicklung des Wireless LANs. Sie ermöglichte die Drahtloskommunikation von Endgeräten nicht nur an einzelnen Stellen, sondern im gesamten Unternehmen. Diese Architektur ist jedoch nur bedingt geeignet, wenn der Zugriff auf Netzwerke primär via Funkverbindung erfolgt und nicht nur Daten, sondern auch Sprache oder Video zu übertragen sind.
Der klassische Mikrozellenansatz nutzt unterschiedliche Kanäle zur Separierung und kann dabei das Potenzial der Kanäle oft nicht ausschöpfen, um Funkstörungen zu vermeiden.
In klassischen Microcell-basierenden WLAN-Umgebungen bleiben häufig manche Access Points ungenutzt, während andere überlastet sind. Die Folge sind geringe Datenraten und Paketverluste.