Studie stellt Thesen zum künftigen Bildungssystem auf

Web 2.0 beeinflusst das Lernen und Lehren

11. November 2010, 7:17 Uhr |

Wie funktioniert künftig unser Bildungssystem? An der Antwort darauf wird sich entscheiden, wie zukunftsfähig der Wirtschaftsstandort Deutschland ist. Dies ist die Ausgangsthese der soeben erschienenen Kurzstudie "Zukunft der Bildung - Vier Thesen, wie wir künftig lehren, lernen und arbeiten" der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mosbach. Die Autoren konstatieren einen tief greifenden Wandel, sie sind sich sicher: Unsere Gesellschaft befindet sich auf dem Sprung zur nächsten Komplexitätsebene, von der Industrie- zur Wissensgesellschaft, von der Marketing- zur Substanzgesellschaft. Das Internet und vor allem das Web 2.0 haben die Spielregeln der Wissensvermittlung grundlegend verändert. Nach einer aktuellen wissenschaftlichen Untersuchung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung finden etwa 70 Prozent der Lernprozesse Erwachsener außerhalb von Bildungsinstitutionen statt, das heißt sie sind nicht formal-institutionell organisiert.

In der Kurzstudie setzen sich die Autoren damit auseinander, wie Lehre und Lernen in Zukunft
funktionieren werden. Das Autorenteam ist sich einig: Wir müssen uns davon verabschieden, dass
Bildung ausschließlich in den traditionell dafür vorgesehenen Institutionen und Bahnen stattfindet.
Stattdessen übernehmen Hochschulen in Zukunft immer mehr die Rolle des Wissens-Managers, der
technische, inhaltliche und methodische Kompetenzen besitzt und Rahmenbedingungen für die
(Weiter-)Bildung vorgibt. Wenn Wissen über den Daten-Highway Internet überall und zeitgleich zur
Verfügung steht, geht es eben nicht mehr darum, dieses zentral an einer Hochschule zu sammeln und
für sich zu bewahren, als vielmehr Strategien zu vermitteln, mit dieser Wissensflut umzugehen.

Doch wie könnten sie nun aussehen, die Zukunft der Bildung? Die Kurzstudie stellt vier Thesen
auf, welche Szenarien denkbar sind und welche Veränderungen sich heute schon diagnostizieren
lassen:

 

These 1: Die Weisheit der Masse revolutioniert das Wissens-Management

Die Autoren sind sich sicher: Wissensgenerierung findet künftig in der digitalen Gemeinschaft
statt. Jeder kann mitreden, Rezipienten und Konsumenten sind dieselbe Person. Auch in der
Hochschullandschaft wird vernetzt gedacht und gelernt. Wir nutzen virtuelle Bibliotheken,
technologiegestützte Formen des Kurs-Managements und der persönlichen Wissensverwaltung. Und wir
erleben die Metamorphose der Studierenden vom passiven Konsumenten hin zum selbstbewussten
Wissenskollaborateur, der stringenter und selbstbestimmter denn je auf seine kommende Rolle in der
Berufswelt hinarbeitet.

These 2: Die Selbstkompetenz wird zum wichtigsten Leitbild auf einem fluiden Arbeitsmarkt

Die Zeit kontinuierlicher Erwerbskarrieren ist vorbei, diese Diagnose des Forscherteams liegt
der zweiten These zu Grunde. Deshalb wird es in Zukunft nicht mehr darum gehen, seinen Arbeitsplatz
zu verwalten, sondern sich selbst als Unternehmer im Unternehmen zu begreifen. Die eigenen
Fähigkeiten und nicht die Dauer der Betriebszugehörigkeit werden zum Garanten für eine lebenslange
Beschäftigung – unabhängig vom Arbeitgeber. Weiterbildungen lösen sich gleichzeitig von Abschlüssen
und werden stattdessen dezentral organisiert und individuell durchgeführt.

These 3: Bildung und Lehre finden künftig in Realzeit überall auf der Welt statt

Der technische Fortschritt in immer kürzeren Beschleunigungszyklen hat unseren Alltag seit
Beginn des neuen Jahrtausends massiv verändert. Mobile Endgeräte bestimmen nicht mehr nur unsere
tägliche Kommunikation, sie eignen sich zunehmend auch für Bildung und Forschung. Smartphones und
elektronische Lesegeräte entkoppeln Lernen von festen Orten und Zeiten. Relativ neue und noch wenig
bekannte "Wissensvermittler" wie die "Augmented Reality" und "Serious Games" werden immer häufiger
zu Bildungszwecken eingesetzt. Statistiken zeigen: Überall dort, wo sich Informationen mit
audiovisuellen Effekten anreichern lassen, steigt die Beteiligung des Betrachters und damit die
Faszination des Wissens und Lernens.

These 4: Die Face-to-Face-Kommunikation erlebt im digitalen Zeitalter ihr Comeback

Das ist vielleicht die überraschendste Erkenntnis der Veröffentlichung: Die Welt wird trotz
ihrer immer stärkeren digitalen Ausrichtung nicht gänzlich virtuell. Mit jedem weiteren Schritt auf
technologisches Neuland gewinnen altbekannte Werte aus der analogen, der "Offline"-Welt wieder
vermehrt an Bedeutung. Denn die Emanzipation des Bildungsbürgers führt gleichzeitig auch zu einer
Informationsüberlastung. Wenn alle Inhalte verfügbar sind, wer entscheidet dann über die Relevanz
und gibt (glaubwürdige) Empfehlungen? Lehrende schlüpfen künftig in eine neue Rolle des
Wissens-Managers und schlagen für den Lernenden eine Schneise durch das Gestrüpp der schier
unüberschaubaren Fülle an Informationen. Der menschliche Faktor wird gerade im digitalen Zeitalter
zum Premium-Gut in Alltag, Bildung und Lehre.

LANline/jos


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