Die zunehmende Vernetzung von Maschinen bietet diverse Möglichkeiten, um die Produktion effektiver und sicherer zu gestalten. Eine Predictive-Maintenance-Lösung beispielsweise optimiert Wartungsintervalle und spart dabei Zeit und Kosten.
Zunächst gilt es, die Herausforderungen unter die Lupe zu nehmen, vor denen Produktionsunternehmen heute stehen. Die Digitalisierung schreitet auch in der Produktion unaufhaltsam voran. Neue Maschinen zur Produktion sind ab Werk mit einer Vielzahl von Sensoren ausgestattet, die unablässig Daten sammeln. Um geschäftsfähig zu bleiben, bedarf es kontinuierlicher Produktionsabläufe, die unter keinen Umständen unterbrochen werden oder gar zum Stillstand kommen dürfen.
Besonders Branchen wie der Automobilsektor können bei Maschinenausfällen einen großen finanziellen Schaden erleiden, selbst wenn dieser nur wenige Stunden dauert. Der Ausfall eines Fertigungsroboters in einer Produktionsstraße für Automobile kostet bis zu 3,5 Millionen Euro pro Stunde. Als 2016 ein Lieferengpass den deutschen Autobauer Volkswagen zu einem Produktionsstopp zwang, lagen die Kosten bei rund 100 Millionen Euro pro Woche.
Ein Produktionsstopp im Zuge einer defekten Maschine lässt sich bisweilen einfacher beheben als ein Lieferengpass. Allerdings treten Maschinenausfälle bei Weitem häufiger auf. Durchschnittlich alle eineinhalb Jahre kommt es zu einem Ausfall der Produktion durch defekte Maschinen, in dessen Folge die Kunden keine Produkte mehr erhalten [1].
Die Zustandsüberwachung (Condition Monitoring, CM) beschreibt das Sammeln aller für den reibungslosen Betrieb relevanten Daten. Dazu dienen entweder ab Werk installierte oder nachgerüstete Sensoren, die beispielsweise Temperatur, Drehung und Druck wichtiger Komponenten aufzeichnen.
Im zweiten Schritt kann eine zustandsbasierende Wartung (Condition Based Maintenance, CbM) erfolgen. Viele Unternehmen warten ihre Maschinen nach bestimmten Zeitintervallen, unabhängig davon, ob sie einer Instandhaltung bedürfen oder nicht. Dies bietet den Vorteil, dass sich die Wartung im Voraus planen lässt und der temporäre Ausfall der Maschine kalkulierbar ist. Allerdings werden Intervallwartungen nicht dem Aufwand gerecht, den sie verursachen. Es kann vorkommen, dass Wartungsteams die Maschinen außer Betrieb nehmen und untersuchen, die keine Wartung nötig gehabt hätten. Im Umkehrschluss kann ein Gerät, das gerade eine Wartung durchlaufen hat, kurz danach wegen eines unerwarteten Fehlers ausfallen. Sobald also ein Messwert außerhalb des Toleranzbereichs liegt, generiert das System eine Empfehlung, demnächst eine Wartung durchzuführen.
Die vorausschauende Wartung (Predictive Maintenance, PdM) stellt eine Weiterentwicklung der CbM dar. Ursprünglich kommt diese Art der Prognostik aus Branchen, die starke Sicherheitsreglementierungen hatten, darunter zum Beispiel die Luft- und Raumfahrt. Dort ist die reibungslose Funktion von Komponenten kritisch für das Überleben von Menschen.
Eine PdM-Lösung sammelt die Daten, die die Maschinensensoren liefern und berechnet anhand dieser, zu welchem Zeitpunkt das Gerät wahrscheinlich einen Defekt aufweisen respektive ausfallen wird. Bevor der Ausfall eintritt, kann das Wartungsteam die Maschine vom Netz nehmen, untersuchen und bei Bedarf reparieren. Darüber hinaus weiß das Team, welche Sensoren die kritischen Daten geliefert haben und kann besonderes Augenmerk auf die betroffenen Teile legen.
Eine vorausschauende Wartung kann Unternehmen dabei helfen, Kosten zu minimieren, gleichzeitig die Zuverlässigkeit der Maschinen zu verbessern und eine kontinuierliche Produktion zu gewährleisten. Fabriken werden zunehmend autark und bedürfen immer seltener eines dauerhaft anwesenden Personals. Sobald vollständige Autonomie erreicht ist und kein Mensch dauerhaft in der Fabrik arbeitet, spricht man von "Dark Factories". Die Kontrolle und Wartung von Maschinen finden dort nur bei Bedarf statt. Ein konkretes Beispiel für Maschinen, die nur bei konkretem Bedarf gewartet werden, sind Off-Shore-Windanlagen. Diese befinden sich oft einige Kilometer von der Küste entfernt, sodass ein Austausch sämtlicher Komponenten nach einem bestimmten Zeitraum unwirtschaftlich wäre. Hier hilft PdM, indem sie aufzeigt, welche Anlage demnächst ausfallen wird.
Um diese Autonomie aufrechterhalten zu können, ist Predictive Maintenance essenziell. Alle Daten, die Maschinen sammeln, gehen dabei an den Anbieter der Lösung, und er wertet sie aus. In den meisten Fällen handelt es sich - wie etwa bei Senseye - um einen Cloud-gestützten Anbieter. Dies hat den Vorteil, dass die Lösung nicht On-Premises im Betrieb installiert ist, sondern nur der Datenfluss zwischen Maschinen oder ihren Sensoren und dem Rechenzentrum des Anbieters gewährleistet sein muss. Dieser Ansatz reduziert die Installationszeit auf ein Minimum.
Selbstlernende Algorithmen verarbeiten die Daten in Echtzeit, untersuchen die eingehenden Informationen auf Anomalien und sagen den nächsten Zeitpunkt für einen Ausfall der Maschine so genau wie möglich vorher. Einige Systeme bieten ein zentrales, auf sämtlichen Plattformen darstellbares Dashboard, das alle Maschinen sowie ihren "Gesundheitsstatus" anzeigt. Dabei sind zum Beispiel die Maschinen, die keine Wartung benötigen, grün markiert, auf lange Sicht hin zu Untersuchende gelb und kritische Geräte, bei denen ein Ausfall unmittelbar bevorsteht, rot. Sobald die Lösung einen möglichen Ausfall meldet, kann das Wartungsteam eine Instandhaltung planen und für zeitweisen Ersatz der außer Betrieb genommenen Maschine sorgen.
Funktioniert die PdM erst einmal, wirkt sie sich auch positiv auf Bereiche aus, die unmittelbar mit der Wartung verbunden sind. Beispielsweise ist es dann nicht mehr nötig, alle Ersatzkomponenten zu lagern, besonders wenn es sich um Teile handelt, die eher selten ausgetauscht werden müssen. Dann kann dann Betreiber der Maschine nach Bedarf oder danach, welches Teil laut PdM ausfallen wird, bestellen. Ist dieser Prozess ebenfalls automatisiert - das heißt, die Komponente wird bei drohendem Ausfall nachbestellt - entlastet dies die Logistik des Unternehmens.
Sobald Produktionsroboter, Förderbänder und andere Geräte nicht mehr arbeiten, bis sie verschleißbedingt ausfallen, erhöht sich ihre Lebensdauer, da sie nicht über ihre Belastungsgrenzen hinaus betrieben werden. Der Kauf neuer Maschinen kann später erfolgen, was wiederum unnötige weil vorschnelle Ausgaben vermeidet.
Im Zuge einer Studie von Bearing Point wurden 74 Unternehmen im DACH-Gebiet gefragt, welche Vorteile eine Lösung zur Predictive Maintenance für sie hat. Der Großteil (80 Prozent) gab an, dass eine solche Lösung dabei helfe, die Maschinen- und Anlageneffektivität zu erhöhen. Knapp zwei Drittel konnten ihre Wartungs- und Service-Kosten effektiv reduzieren.
Predictive Maintenance bietet viele Vorteile. Es gibt jedoch ein paar Dinge, die Interessierte vor der Anschaffung beachten sollten. Die Kosten, die eine Implementierung verursachen kann, sind bisweilen hoch und rentieren sich erst spät. Teuer kann es für Unternehmen werden, wenn ihre Maschinen älter sind und somit keine Sensoren besitzen. Entweder rüstet es diese dann nach, oder die Geräte müssen - sei es auf einen Schlag oder nach und nach - ausgetauscht werden. Im Lauf der zunehmenden Digitalisierung innerhalb der Industrie wird der Kostenfaktor allerdings zunehmend unbedeutender. Da immer mehr Unternehmen ihre Anwendungen und die Daten, die sie generieren, in die Cloud migrieren, bestehen häufig schon die Infrastrukturen, die PdM-Lösungen benötigen. Die meisten Produktionsgeräte, die heute auf dem Markt sind und in Betrieben arbeiten, generieren bereits Daten, die sich von PdM-Lösungen auswerten lassen.
Darüber hinaus sind einige PdM-Lösungen frei skalierbar: Dies bedeutet, dass es gleichgültig ist, wie viele Assets zu überwachen sind. Unternehmen sollten sich bei der Wahl einer entsprechenden Lösung an ihrem Bedarf orientieren und zuerst feststellen, wie viele Maschinen oder Sensoren die zukünftige Lösung überwachen muss. Eine Pilotstudie kann das Potenzial von Predictive Maintenance aufzeigen. Dabei steht zunächst ein Teilbereich der Produktion unter Beobachtung, während der Rest unangetastet bleibt. Unternehmen sollten dazu einen Bereich auswählen, der für den Betrieb nicht kritisch ist und schon durch gelegentliche Ausfälle auffiel.
Predictive Maintenance ist ein fortdauernder Prozess. Erst nach einer gewissen Zeit lassen sich erste Kosteneinsparungen erkennen, sodass ein Return of Investment erst später sichtbar wird. Sobald es allerdings soweit ist, können alleine die Kosten, die bei der Wartung entfallen, anfangs bei 20, später bei bis zu 40 Prozent liegen [2].
Immer mehr Unternehmen werden auf Predictive Maintenance setzen, um ihre Produktion effizienter und sicherer zu gestalten. Laut der Bearing-Point-Studie diskutieren bereits 84 Prozent der befragten Unternehmen über die Einführung einer PdM-Lösung. Allerdings haben erst 25 Prozent ein solches System bereits implementiert. Doch wodurch entsteht diese Diskrepanz? Als größtes Hindernis sahen die befragten Unternehmen den hohen Implementierungsaufwand, den eine PdM-Lösung mit sich bringt. 61 Prozent gaben an, dass die Implementierung sie anfänglich vor große Herausforderungen stelle. Allerdings werden Unternehmen zuversichtlicher, je mehr sie sich mit dem Thema auseinandersetzen. Die scheinbare Hürde, PdM zu installieren, stellt sich somit als zu bewältigen heraus, sobald Unternehmen das Thema angehen.
Hohe Kosten bei der Implementierung stellen für 46 Prozent einen Hinderungsgrund dar. Dies bedeutet, dass die Mehrheit bereits den potenziellen Nutzen von PdM erkannt hat. Knapp die Hälfte befürchtet, dass eine Umsetzung an der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit scheitern wird. Um diesen Herausforderungen zu begegnen sehen 80 Prozent der Betriebe Weiterbildungen ihrer Mitarbeiter als Mittel der Wahl an. 71 Prozent planen einen externen Experten heranzuziehen, um Predictive Maintenance in ihrem Betrieb umzusetzen.