"Neue Ära in der Telekommunikation"

Wimax in Deutschland nimmt Gestalt an

5. März 2007, 23:00 Uhr | Stefan Mutschler

Im Dezember letzten Jahres fand in der deutschen Telekommunikation ein Ereignis statt, das in der Öffentlichkeit nur wenig Aufmerksamkeit erregte, das manche Beteiligte aber als Meilenstein auf dem Weg in ein neues Kommunikationszeitalter sehen: Die Versteigerung der Frequenzen im 3,5-GHz-Band für den Broadband Wireless Access" (BWA). Sie brachte insgesamt fünf sehr hoch motivierte Gewinner hervor - drei auf bundesweiter und zwei auf regionaler Ebene. Die Taktiker beteiligten sich erst gar nicht an dem Event. Die Voraussetzungen für eine gedeihliche Wimax-Entwicklung in Deutschland sind somit geschaffen.

Kurze Zwischenbilanz: Vor ziemlich genau einem Jahr haben mehr als 100 sehr enthusiastisch
agierende Bewerber bei der Bundesnetzagentur einen Antrag auf die Zuteilung von Wimax-Frequenzen
gestellt. Überrannt vom überwältigenden Interesse musste die Behörde auf ein angemessenes
Zuteilungsverfahren ausweichen. Nach längerem Hin und Her waren im Herbst die Einzelheiten der nun
angestrebten Versteigerung festgezurrt. Als es am 13. Dezember schließlich losging, war das
Interesse der Aspiranten jedoch auf wundersame Weise abgeebbt – nur sechs Bewerber traten überhaupt
zur Auktion an. Zum geordneten Rückzug bliesen unter anderem auch die großen
Telekommunikations-Provider wie T-Com und Arcor. T-Com hatte zuvor große Pläne mit Wimax
angekündigt – all die bisher in Sachen Breitband benachteiligen Gebiete (immerhin rund zehn Prozent
der Bevölkerung, die per DSL nicht versorgbar sind) hätten via Wimax Anschluss an die schnelle
Datenwelt erhalten sollen. Als es um die Anmeldung zur Versteigerung ging, schließlich die Umkehr:
Eine Wirtschaftlichkeitsprüfung hätte ergeben, dass die Wimax-Technologie zwar grundsätzlich
interessant sei, dass die T-Com aber lieber doch besser auf den Ausbau des bestehenden T-DSL-Netzes
setzen sollte (wofür sie von den in Frage kommenden Gemeinden zum Teil saftige Beteiligungen
verlangt).

Bei Arcor deutete sich der Sinneswandel bereits Mitte letzten Jahres an – die von Arcor bei
einem Feldtest in Kaiserslautern gesammelten Erfahrungen lösten großen Zweifel an der technischen
und geschäftlichen Tragfähigkeit von Wimax-Netzen aus: Das von der Bundesnetzagentur angebotene
Frequenzspektrum sei zu schmal, um in interessanten Ballungszentren attraktive Datenraten anbieten
zu können. Für höhere Datenraten müsse man ein so engmaschiges Netz an teuren Basisstati-onen
aufbauen, dass sich der Business- Case nicht mehr rechne. "Die ?Großen? haben bereits sehr viel
Geld in andere Technologien investiert und können nun weitere Investitionen vor ihren Aktionären
kaum rechtfertigen", kontert Fabio Zoffi, CEO der Deutsche Breitband Dienste (DBD). Er und sein
Unternehmen sind "davon überzeugt, dass Wimax die Technologie für das mobile Internet schlechthin
sein wird, weil sie allen anderen überlegen ist. Mehr noch: Mit Wimax bricht eine ganz neue Ära in
der Telekommunikation an, ähnlich wie bei der Einführung des Mobilfunks."

Das noch sehr junge Unternehmen DBD (Gründung im August 2003) ist einer der drei Gewinner einer
bundesweiten Lizenz (siehe Kasten). Im Gegensatz zu den beiden bundesweiten Konkurrenten Clearwire
Europe und Inquam Broadband startet DBD in Deutschland nicht auf der "grünen Wiese", sondern kann
sich hier bereits auf einen mehrjährigen Erfahrungshorizont stützen. Der Newcomer hat sich
seinerzeit aus der Konkursmasse von Star 21 eine beträchtliche Zahl an WLL-Lizenzen (Wireless Local
Loop) sichern können, die der gestrandete Provider damals bei der PMP-RiFu-Versteigerung 1999
gewonnen, beziehungsweise kurze Zeit später von Otelo erworben hatte. Auf dieser Basis betreibt DBD
bereits an 27 Orten ein kabelloses Breitbandzugangsnetz (nicht Wimax), das unter dem Namen "
Dslonair" vermarktet wird. Den kabellosen Breitbandzugang auf Wimax-Basis bietet das Unternehmen
unter der Marke "Maxxtelekom" seit August 2005 in Heidelberg, seit November 2005 im Berliner Bezirk
Pankow an.

Allerdings teilt sich DBD mit Clearwire (zumindest der amerikanischen Muttergesellschaft davon)
den Hauptsponsor: Intel Capital, der Investmentarm des Chip-Riesen Intel, ist an beiden Unternehmen
maßgeblich beteiligt. Während über die Höhe der konkreten Beteiligung bei DBD Stillschweigen
vereinbart worden ist, sind die Summen bei der amerikanischen Clearwire bekannt: 600 Millionen
Dollar hat das Unternehmen letztes Jahr in die Wimax-Company gepumpt (im Jahr zuvor bereits schon
über 100 Millionen), nochmal 300 Millionen Dollar schoss Motorola hinterher. Die waren auch nötig,
denn obwohl Clearwire in den USA bereits 27 Regionen und knapp 20.000 Kunden mit Wimax-Zugang
versorgt, wies das Geschäftsergebnis 2005 eine katastrophale Bilanz aus: 150 Millionen Dollar
Verlust bei einem Umsatz von 33,5 Millionen Dollar. Dennoch glauben die beiden in Sachen Wimax
verbündeten Halbleiterkonzerne weiterhin an den Erfolg von Wimax und Clearwire.

Alle Beteiligten in diesem Umfeld setzen klar auf den 802.16e-Standard, dessen Verabschiedung
sich mehrmals verschoben hatte. Prozeduren für Interoperabilitätstests und Zertifizierungen seitens
der Wimax-Alliance (dem Pendant zur Wi-Fi-Alliance) sind noch in Arbeit. Intel arbeitet fieberhaft
daran, den entsprechenden Chipsatz in Centrino-Prozessor-Sets und damit im großen Stil in Notebooks
zu integrieren. Erste Geräte sollen noch in diesem Jahr ausgeliefert werden. Auch die Entwicklung
eines Wimax-Chipsatzes für Handys (woran unter anderem auch die chinesische Huawei beteiligt ist),
läuft weiter mit Hochdruck. Sobald entsprechende Endgeräte (Notebooks, PDAs, Funktelefone) ihre
Verbreitung finden, wird Wimax genauso abheben, wie es vor wenigen Jahren die Wi-Fi-Technik tat –
so zumindest das gemeinsame Credo. Außerhalb den USA betreibt Clearwire bereits unter anderem in
Mexiko, Belgien und Irland Wimax-Netze.

Dritter und jüngster bundesweiter Lizenzgewinner ist Inquam Broadband – das Unternehmen feierte
im Januar sein einjähriges Bestehen. In dem Joint Venture sind Nextwave Wireless, ein Entwickler
von Wimax-Technologien und -Lösungen, sowie einschlägige Finanzinvestoren beteiligt. Zu Letzteren
zählt an erster Stelle die Omnia Holdings, die mobile Breitbandnetze in Rumänien und Portugal
kontrolliert. Inquam-Broadband-Chef Carsten Ullrich sucht derzeit nach geeigneten Partnern, um mit
ihnen gemeinsam "bundesweit ein fortschrittliches Paket an Wimax-Diensten anbieten zu können".

Bei den Regionalbietern gab es während der Versteigerung ein Kopf an Kopf-Rennen zwischen
Televersa und der italienischen MGM Production um die Region Oberbayern. Televersa hatte sich
bereits die Regionen Oberpfalz und Niederbayern gesichert, musste bei Oberbayern aber schließlich
passen. Der in Niederbayern ansässige Provider hat in der ersteigerten Region bereits schon letztes
Jahr ein breitbandiges Funkzugangsnetz aufgebaut – auf Basis einer Technologie im freien 5,4
GHz-Band. Dieses soll nun um ein weiteres Netzwerk auf Wimax-Basis ergänzt werden. Von MGM
Production ist bislang noch wenig bekannt, was Ziele und Geschäftsmodelle in Oberbayern
anbelangt.

Nach der Versteigerung herrschen nun in Sachen Wimax klare Verhältnisse in Deutschland –
wichtigste Voraussetzung für ein Durchstarten. Weltweit gibt es derzeit etwa 175 Wimax-Anbieter,
darunter auch sehr große Player wie Sprint Nextel, der wie Clearwire Wimax flächendeckend in den
USA ausbauen will.

In Europa haben bereits British Telecom, Free (Frankreich), Telefónica, Telecom Italia, der
bulgarische Incumbent BTC und Telekom Austria Interesse an Wimax gezeigt beziehungsweise schon ein
Spektrum erworben. Auch auf der Liste der Handheld-Hersteller, die auf Wimax-Technologie setzen,
sind viele der Top-Player vertreten: Nokia, Motorola, Siemens, Alcatel und Samsung gehören dazu. "
Wir erwarten, dass innerhalb der nächsten 24 Monate auch europäische Mobilfunkanbieter auf Wimax
setzen werden, da 3G die falsche Technologie für Broadband Wireless Data ist", so Zoffi.

Sollte dem so sein, wäre Deutschland sicher wieder einmal eine Ausnahme. Zuviel haben die
Mobilfunkanbieter hier in UMTS investiert, um sich ein Wimax-Engagement leisten zu können.

Für die Versteigerung bildete die Bundesnetzagentur (BNatzA) 28 Regionen, die zusammen die gesamte Bundesrepublik Deutschland abdecken. In jeder Region standen vier Frequenzpakete zur Versteigerung an, wobei jeder Bieter in einer Region nur ein Frequenzpaket ersteigern konnte.

Zur Versteigerung angetreten sind sechs Unternehmen. EWE TEL ist als einziges ausgestiegen. Die übrigen fünf sind:

Clearwire Europe (Luxemburg): bundesweite Lizenz

Deutsche Breitbanddienste (Deutschland): bundesweite Lizenz

Inquam Broadband (Deutschland): bundesweite Lizenz

MGM Productions Group (Italien): Lizenz für die Region 27 (Oberbayern)

Televersa Online (Deutschland): Lizenzen für die Regionen 25 und 28 (Oberpfalz und Niederbayern)

Der Erlös der Versteigerung summiert sich auf 56,07 Millionen Euro. Da die gesamte Aktion nicht dem Füllen des Staatssäckels diente (was angesichts der zig Milliarden bei der UMTS-Versteigerung ziemlich mies gelungen wäre), sondern das regulatorische Ziel verfolgt, die Breitbandversorgung im Lande zu verbessern, ist die Vergabe der Frequenzen an Bedingungen geknüpft: So ist mit der Frequenzvergabe eine Versorgungsverpflichtung verbunden. Bis 2009 ist nach dem Willen der BNetzA in 15 Prozent und bis 2011 in 25 Prozent aller Gemeinden einer Versteigerungsregion zumindest eine Grundversorgung sicherzustellen. Der Präsident der Agentur, Matthias Kurth, appellierte an die Städte und Landkreise, die sich in der Vergangenheit über eine mangelhafte Breitbandversorgung beklagt hatten, auch auf die neuen Anbieter zuzugehen und deren Investitionspläne zum Beispiel bei der Standortsuche für Antennen aktiv zu unterstützen.

Theoretisch ging es bei der Versteigerung nicht speziell um Wimax, sondern um eine frei wählbare Technologie, die den Breitband-Access auf Basis des 3,5 GHz-Bands erlaubt. Praktisch haben jedoch alle Gewinner der Auktion angekündigt, das erworbene Frequenzpaket für Wimax zu verwenden.


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