Mehr Speed, mehr Cloud, mehr Vernetzung

WLAN goes Mobilfunk

9. Dezember 2013, 7:00 Uhr | Stefan Mutschler/pf

Unternehmen investieren nach wie vor sehr umfangreich in ihre drahtlose Infrastruktur. Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass "Gigabit-WLANs" nach dem 802.11ac-Standard dabei über die kommenden Jahre die tragende Rolle spielen werden. Parallel geht es verstärkt um ein integriertes LAN-/WLAN-Management, sei es zentral oder als Cloud-Service. Global vermarktete und koordinierte Initiativen wie "Passpoint" der Wi-Fi Alliance bringen indes Schwung in die Szene der Provider-WLANs: Hotspot 2.0 erlaubt Mobilfunkbetreibern eine effizientere Netznutzung und verschafft Anwendern ein neues Niveau an Mobilkomfort.Der globale WLAN-Markt erfreut sich nach wie vor eines gesunden Wachstums. Ein im Juli dieses Jahres von Dell?Oro veröffentlichter Report ("Wireless LAN Report, Forecast 2012 - 2017") nennt für 2012 einen Gesamtumsatz von gut 7,5 Milliarden Dollar. Bis 2017 soll der Markt um 57 Prozent auf dann gut 11,8 Milliarden Dollar wachsen. Dabei soll der Anteil, den Unternehmens-WLANs produzieren, ein wenig schneller ansteigen als der Anteil, den der Consumer- beziehungsweise SOHO-Markt generiert. Liegen die Enterprise-WLANs 2013 mit einem Umsatz von gut 3,4 Milliarden Dollar noch hinter den SOHO-WLANs (3,8 Milliarden Dollar), sollen sie 2017 mit 5,9 Milliarden ein kleines Stück Vorsprung gewinnen (SOHO knapp 5,5 Milliarden). Antriebsmotor für das Wachstum sind nach einhelliger Meinung einschlägiger Analysten der Rollout von 802.11ac-Produkten, der nun auch im Unternehmensumfeld bereits vor Ratifizierung des offiziellen Standards begonnen hat, sowie die weiter zunehmende Nutzung von Mobile Computing. Inkompatibilitäten zwischen den ac-Produkten unterschiedlicher Hersteller sind nicht mehr zu erwarten. Wer ganz sichergehen will, sollte auf das Testemblem der Wi-Fi Alliance achten: Diese hat bereits im Oktober mit den entsprechenden Zertifizierungen begonnen. Das "Pulver" aus dem ac-Depot soll jedoch nur für etwa vier Jahre den Markt befeuern, danach erwarten die Auguren ein deutliches Abflachen der Wachstumskurve. Experton Group sieht diesen Wachstumsknick sogar schon ab 2015: Ein deutlicher Preisverfall soll nach deren Meinung dann trotz zunehmender Absatzmenge das Umsatzwachstum deckeln. Experton erwartet für Deutschland 2013 ein Marktvolumen von 260 Millionen Euro bei Unternehmens-WLANs. Dies entspräche einem Wachstum von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr. Erfolgreichster Verkäufer von Unternehmens-WLANs bleibt Cisco. Der Netzwerker konnte seine ohnehin extrem dominante Position sogar noch ausbauen. Laut IDC lag der weltweite Marktanteil im betrachteten WLAN-Segment im zweiten Quartal 2013 bei 53,7 Prozent, dem höchsten Wert seit dem vierten Quartal 2010. Aruba kommt im IDC-Ranking erneut auf Platz zwei (elf Prozent Marktanteil), gefolgt von HP (sechs Prozent) und Ruckus (5,5 Prozent). Letzterer Anbieter ist von 2012 auf 2013 so richtig durchgestartet: Mit einer Umsatzsteigerung von mehr als 37 Prozent kann er das höchste Wachstum aller WLAN-Anbieter für sich verbuchen. Steckenpferd von Ruckus sind öffentliche Hotspots, die dank der Wi-Fi-Alliance-Initiative Passpoint ("Hotspot 2.0") derzeit vor allem in den USA und einigen asiatischen Ländern einen kräftigen Schub erleben.   "Gigabit-WLAN" 802.11ac Lange Zeit ungewöhnlich akkurat im Plan, ist die Verabschiedung des IEEE-802.11ac-Standards nun auf den letzten Metern doch noch etwas ins Stocken gekommen. Allerdings werden es aller Voraussicht nach nur einige Monate Verspätung (aktuell steht Februar 2014 im Plan) und nicht wie bei 802.11n über zwei Jahre. Bereits seit Februar 2012 gibt es von 802.11ac eine Vorversion, die 89 Prozent der Spezifikationen festschreibt (Draft 2), darunter alles, was in Hardware "gegossen" ist. Bereits damals konnten also die Hersteller im Prinzip gefahrlos mit der Produktion beginnen, etwaige Änderungen sind über ein Firmware-Update realisierbar. Bislang ist dies vor allem bei ac-Produkten für den Consumer-Markt geschehen. Inzwischen stehen mit Draft 6 von Anfang August 2013 etwa 97 Prozent der Spezifikationen fest - was jetzt noch passiert, dürfte für die Alltagspraxis kaum relevant sein. Meist sind dies sehr exotische Spezialfälle, die ein IEEE-Standard eben auch abdecken muss, deren Ausarbeitung aber sehr viel Zeit verschlingt. Auch die Wi-Fi Alliance sieht seit einigen Monaten keinen Grund mehr, mit der Zertifizierung von ac-Produkten noch länger zu warten. Daher hat inzwischen eine erste kleine Welle von ac-Produkten für den Unternehmenseinsatz den Markt erreicht. Aktuelle Beispiele kommen etwa von Aerohive, Aruba, Ruckus und Xirrus. So hat beispielsweise Aerohive kürzlich zwei neue Access Points (APs) mit Unterstützung von 802.11ac-Gigabit-WLAN vorgestellt. Die Modelle AP370 und AP390 nutzen die verteilte Cooperative-Control-Architektur von Aerohive, die WLANs der Enterprise-Klasse ohne Controller oder Overlay-Netzwerke ermöglicht. 802.11ac-Access-Points sollen sich sofort und schrittweise ohne zusätzliches Equipment einsetzen lassen, entweder zur Abdeckung kritischer Bereiche oder aber auf dem kompletten Campus. Es gibt dabei keine Notwendigkeit für das Upgrade von Controllern oder Software. In Sachen Migration auf ac punktet Aerohive durch einen Verzicht auf die Umstellung von PoE (802.3af) auf PoE Plus (802.3at). Bei vielen anderen Anbietern wird es nicht ohne eine entsprechende Aufrüstung ablaufen - eines der größten Hindernisse für die neue Technik. Eine weitere Ausnahme bildet Xirrus. Der Hersteller umschifft das PoE-Thema ohnehin seit jeher - die bis zu 16 Access Points fassenden Arrays des Herstellers benötigen grundsätzlich eine eigene Stromversorgung, immerhin aber nur per Array und nicht per Access Point. Die seit diesem Jahr angebotenen Arrays von Xirrus erlauben gemischte Bestückung und parallelen Betrieb mit Access-Point-Modulen nach 11n- und 11ac-Standard. Auf Client-Seite ist die Unterstützung von ac - jenseits von entsprechenden USB-Sticks - bislang noch nicht allzu umfangreich. Selbst die aktuellen Top-Smartphones etwa von Nokia (Lumia 1020) und Apple (Iphone 5s) kommen noch mit 802.11n. Ausnahme ist beispielsweise das Galaxy S4 von Samsung, das bereits ein ac-Modul eingebaut hat. Ähnlich mager sieht es auch bei Tablet-PCs und Laptops aus. Allerdings soll sich dies schon bald drastisch ändern. Experten erwarten zu den großen Electronic-Shows Anfang 2014 - allen voran die CES im Januar in Las Vegas und der Mobile World Congress Ende Februar in Barcelona - deutliche Ankündigungswellen ac-fähiger Endgeräte.   Trend zu vereinfachten Management-Lösungen Das Management von WLANs stellt ein weiteres Puzzlestück in der immer komplexeren Unternehmens-IT dar. Einige Hersteller haben dies inzwischen erkannt und Dienste aufgesetzt, die die elementaren Aufgaben vereinfachen sollen. Dabei geht es um ein zentralisiertes Management aller im Unternehmen samt Zweigstellen eingerichteten Drahtlosnetze. Entsprechende Cloud-Services, die über ein Web-Portal von überall aus zugänglich sind, erlauben neben der Zentralisierung auch eine Automatisierung bestimmter Standardprozesse - etwa den Bezug von Betriebslizenzen. Vorreiter auf dem Gebiet des Cloud-basierenden WLAN-Managements war Meraki, ein erst 2006 gegründeter Hersteller, seit Frühjahr dieses Jahres im Besitz von Cisco. Um komplexe Netzwerke sicher verwalten zu können und mobile Geräte zu integrieren, hat die neu gegründete "Cisco Cloud Networking Group" im August ihren ersten vollständig über die Cloud verwalteten 802.11ac-Access-Point herausgebracht. Die Lösung mit dem Namen Cisco Meraki MR34 kombiniert den neuen WLAN-Standard mit Sicherheits- und Management-Funktionen. Der MR34 umfasst Cloud-basierende Funktionen wie etwa das Multi-Site-Management, Facebook-Login, ortsgebundene Analysen und ein integriertes Mobile-Device-Management (MDM). Zudem ist er Teil einer umfassenden, über die Cloud verwalteten Lösung. In Sachen WLAN war Cisco in diesem Jahr übrigens erneut auf Einkaufstour: Mit dem Kauf des irischen Start-up-Unternehmens Thinksmart ist der Netzwerkprimus nun im Besitz einer Analysesoftware, die Standortdaten, Bewegungs- und Verkehrsmuster sowie Zeitinformationen von WLAN-Geräten sammelt und auswertet. Mit Aruba und Xirrus haben zudem kürzlich zwei WLAN-Player eigene Cloud-Management-Lösungen für WLAN-Infrastrukturen vorgestellt. Aruba führt dazu spezielle "Instant APs" ein, die mit dem "Central"-Cloud-Service korrespondieren. Laut Aruba sollen sich aber auch die APs der ebenfalls noch recht neuen 220er-Serie, die speziell für die Anforderungen des WLAN-Standards 802.11ac entwickelt wurden, in die Lösung integrieren lassen. Mit dem neuen "S1500 Mobility Access Switch" will Aruba das Cloud-WLAN auch für Außenstellen vereinfachen. Dieser ermöglicht die Integration mit "Instant"-WLANs, indem er automatisch VLAN-Informationen von dort bezieht. Auch sollen sich so genannte Rogue APs blocken lassen, wenn einer der virtuellen "Instant"-Controller ein solches Gerät entdeckt. Bei Xirrus wiederum gibt es ein Cloud-basierendes WLAN-Management schon länger, im Oktober 2013 erfolgte jedoch eine umfassende Neugestaltung des "Xirrus Management Systems" (XMS) mit Fokus auf einfache Handhabung. Die solide Integration von LAN- und WLAN-Management gilt bis heute als Dauerbaustelle der IT. Umfassende Lösungen, die wirklich herstellerübergreifend tiefe Einblicke sowie Steuerung für beide Netzwerktypen bieten, sind rar. Nennenswert dürfte in diesem Zusammenhang sicher Enterasys sein. Die Enterasys-Management-Software ist denn auch eines der Sahnestückchen, die sich Extreme Networks mit der im September angekündigten Übernahme von Enterasys einverleiben konnte. Mit der Ende Januar vorgestellten "Unified Access"-Strategie will auch Cisco die Vereinigung kabelgebundener, drahtloser und VPN-Netzwerksegmente zu einer einheitlich administrierbaren Gesamtinfrastruktur vorantreiben. Mittels offener Programmierschnittstellen soll sich das Ganze dort auch in Software-Defined-Networking-(SDN-)Architekturen einbinden lassen.   Hotspot 2.0 Eine vielversprechende Idee bringt aktuell deutlich Linie in den lange Zeit eher wild gewachsenen WLAN-Hotspot-Markt: die Vernetzung von Hotspots analog dem Modell von Mobilfunkzellen - automatisches Roaming inklusive. Bisher müssen sich Anwender für die Verbindung zu einem Hotspot zunächst manuell das richtige WLAN auswählen und dann mit spezifischen Einwahldaten einloggen. Entsprechende, komfortablere Ansätze gibt es in der Industrie zwar bereits seit mindestens zehn Jahren, doch erfolgen diese mit Unterstützung des IEEE-Komitees und der Wi-Fi Alliance nun auf global abgestimmte Art und Weise. Das IEEE hatte in seiner Arbeitsgruppe 802.11u zunächst die technischen Grundlagen erarbeitet, die Wi-Fi Alliance sorgt jetzt in Form ihrer "Passpoint"-Initiative für Verbreitung und normgerechte Umsetzung. Das auch als "Carrier Wi-Fi" bezeichnete Verfahren bietet dabei Mobilfunkbetreibern eine wirkungsvolle Möglichkeit, die Kapazitäten ihrer Netze zu erweitern. Anders als bei Heim-, Unternehmens- und öffentlichen Hotspots erlaubt "Hotspot 2.0" den Betreibern und Service-Providern ein durchgängiges Management und die vollständige Kontrolle der WLAN-Infrastruktur. Dies bildet die Voraussetzung, die Infrastruktur mit Roaming-Partnern teilen zu können. Passpoint erlaubt dabei eine nahtlose Authentifizierung auf der Basis der SIM-Karte, automatische Netzwahl und einen konsistenten Service über unterschiedliche Zugangstechniken hinweg. Dabei muss das Hotspot-2.0-Protokoll nicht nur vom Betriebssystem der Hotspot Access Points, sondern auch von dem des Endgeräts unterstützt werden. Bei Apple beispielsweise ist dies seit IOS 7 der Fall. Mit entsprechenden Access Points beackern Hersteller wie Ruckus derzeit die großen Mobilfunk-Provider. Spezialisierte Anbieter wie etwa der deutsche Hersteller Lancom Systems versuchen bei kleineren Providern in vertikalen Märkten - in diesem Fall vornehmlich Gastgewerbe sowie Freizeit- und Bildungssektor - mit ihren Hotspot-2.0-Angeboten einen Fuß in die Tür zu bekommen. Besonders erfolgreich sind all diese Ansätze hierzulande bislang nicht - die Verbreitung von "Hotspot 2.0"-Techniken in Deutschland ist noch sehr überschaubar. Eines der wenigen Beispiele stellt "Hotspot City" in Hamburg dar. Allerdings hat beispielsweise die Deutsche Telekom auf der diesjährigen CeBIT zwar 2,5 Millionen neue WLAN-Hotspots bis 2016 versprochen, will dies aber im Rahmen ihres "WLAN to go"-Angebots zusammen mit "Fon" realisieren - einer Initiative, die private WLAN-Router für die Öffentlichkeit verfügbar macht. Für Hotspot 2.0 hingegen existieren weder bei der Telekom noch bei den anderen deutschen Mobilfunkbetreibern konkrete Rollout-Pläne. Die Argumente für Hotspot 2.0 sind jedoch nicht von der Hand zu weisen, weshalb Beobachter erwarten, dass ab 2014 auch bei uns Bewegung in die Szene kommen wird.

Der Autor auf LANline.de: ElCorrespondente

Der Protokoll-Stack von Hotspot 2.0 (Version 1): Sowohl der Hotspot Access Point als auch die Mobilgeräte müssen dieses Protokoll unterstützen. Bild: Ruckus

"Bislang war jeder Technologiefortschritt bei WLANs mit stattlichen Investitionen verbunden", so Dirk Gates, Executive Chairman und Gründer von Xirrus zu LANline. "Mit 11ac ist dies erstmals anders: Die Chips sind sogar günstiger als bei 11n. Wir erwarten daher eine sehr schnelle Adaption von ?ac?". Bild: Stefan Mutschler

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