Ballmer sieht neue Ära
Ballmer sieht neue Ära: Microsoft-CEO Steve Ballmer hat in einem Exklusiv-Interview mit der US-Ausgabe der InformationWeek die Bedeutung der neuen Produkte herausgestellt, die nächste Woche herauskommen.
InformationWeek: Sie bezeichnen diesen Produkt-Launch als neue Ära für den Computer im Unternehmen. Was ist daran so wichtig?
Ballmer: Das sind Vista, Exchange und Office. Darüber hinaus starten wir eine neue Welle von Produkten, die im Lauf des nächsten Jahres erscheinen wird. Erstens verbessern wir damit unser traditionelles Angebot: Die Produktivität des einzelnen Nutzers wird erhöht. Der Ribbon (ein Teil der neuen Benutzeroberfläche) ändert alles. Das meine ich wirklich: Es gibt Dinge in Vista und Office, die die Produktivität der Nutzer drastisch erhöhen. Zweitens liefern wir mit Exchange, Enterprise Content Management und Sharepoint Server Funktionalitäten wie Workflow- und Dokumenten-Management, die es den Nutzern ermöglichen, effektiver zusammenzuarbeiten und ihre individuelle Produktivität in die Information und den Workflow ihrer Geschäftsprozesse einzubringen. Dafür sind Exchange und Sharepoint wichtig. Excel Services ist ein wichtiger Bestandteil für Business Intelligence. Auch Enterprise Search gehört zu diesem Thema. Drittens erlaubt dies den IT-Verantwortlichen, die Managementkosten zu reduzieren, die Sicherheit ihrer Systeme zu verbessern und den Compliance-Auflagen genüge zu leisten. All das können Entwickler entsprechend ihren Bedürfnissen zuschneiden.
InformationWeek: Das klingt gut, aber eine Menge ihrer Kunden verwenden noch alte Versionen wie Exchange 5.5, Windows 98, Windows NT, Windows 2000. Wie wollen sie diese überzeugen und zum Upgrade bewegen?
Ballmer: Im Geschäftsumfeld muss man unterschiedliche Leute zu unterschiedlichen Zeiten an unterschiedlichen Orten überzeugen, selbst in unterschiedlichen Abteilungen. Das erfordert eine Übereinstimmung der folgenden Faktoren. Wir müssen uns an den Update-Zyklus des Kunden anpassen. Diese hängen zum Teil von unserem Zyklus und zum Teil von ihren sonstigen Geschäftsbedürfnissen ab. Zweitens: Wir müssen den Geschäftsnutzen unserer Anwendungen so darstellen, dass sie von sich aus motiviert sind, ihren Update-Zyklus zu beschleunigen. Viele Leute werden im ersten Jahr upgraden, eine Menge Leute im zweiten Jahr, aber dennoch wird es Anwender geben, die sich im Jahr drei, vier, fünf noch nicht bewegt haben. Wie sie gesagt haben, gibt es noch Windows NT und Exchange 5.5 da draußen. Wir erwarten, dass diese Kunden zu den Early Adoptern gehören.
InformationWeek: Unsere Erhebungen haben gezeigt, dass 39 Prozent aller IT-Verantwortlichen ein Upgrade auf Vista im ersten Jahr planen. Stimmt dies mit ihren eigenen Zahlen überein?
Ballmer: Es ist etwa vergleichbar. Es hängt davon ab, wie sie sich bewegen – eine Maschine, viele Maschinen. Insgesamt rechnen wir mit 35 bis 45 Prozent.
InformationWeek: Wie groß ist Ihr Vertrauen, dass sich die Sicherheit von Windows-Systemen entscheidend verbessert hat.
Ballmer: Sehr hoch. Ich sage aber nicht, dass wir das erste System in der Weltgeschichte haben, das keine Probleme hat. Aber ich bin überzeugt, dass es das sicherste Windows-System ist, das wir je herausgebracht haben, und dass sich unsere Software effektiv gegen Angriffe verteidigen kann.
InformationWeek: Sie sehen Vista und Exchange als neue Ära. Andere Leute sprechen von einer alten Ära, das heißt große Software-Pakete, die auf einzelnen Computern laufen und Jahre brauchen, um fertig gestellt und ausgerollt zu werden. Was antworten Sie darauf?
Ballmer: Es sind riesige Releases mit einer Menge von Fähigkeiten, die für Unternehmen von echtem Wert sind – und das ist das Entscheidende. Nehmen Sie Enterprise Search, Echtzeit-Kommunikation und Präsenz, Voice Mail. Diese Funktionen sind jetzt in das System integriert. Diese Fähigkeiten können alle über die bekannte Benutzeroberfläche, den Browser, das Office adressiert werden. Das ist ein erheblicher Schritt nach vorn. Wer etwas anderes behauptet, befindet sich woanders als unsere Kunden. Gleichzeitig sagen wir, dass es einen Übergang gibt von installierter Software hin zu Software plus Service, die heruntergeladen werden kann. Wir bewegen uns auf diesem Weg und sind sicher schneller als unsere Kunden. Trotzdem braucht die Welt große Erfindungen, aber diese werden künftig auf andere Art ausgeliefert. Aber wenn wir sagen würden, all diese Dinge sind nur noch als Download erhältlich, hätten wir uns von unseren Kunden entfernt. Der Fokus liegt also auf Geschäftsnutzen und in Zukunft werden wir einen neuen Weg der Verteilung beschreiten.
InformationWeek: Das Geschäftsmodell heißt also Software as a Service?
Ballmer: Wir sagen lieber „Software and Services“. Es ist nicht so, dass Unternehmenskunden dies für den Großteil ihrer Anwendungen nutzen würden. Daran arbeiten wir noch. Dennoch denke ich, dass wir in Übereinstimmung mit den Wünschen unserer Kunden arbeiten.
InformationWeek: Der größte Teil der Software-Anwendungen, die die Office-Suite ausmachen, sind noch nicht auf Office Live erhältlich?
Ballmer: Wir bieten das an, was wir anbieten. Ich gebe dazu keinen Kommentar, aber das Angebot kann sich morgen ändern.
InformationWeek: Wie wird sich Unternehmens-Software in den nächsten zwei, drei Jahren verändern, während Sie den Weg hin zu Software and Services beschreiten?
Ballmer: Die Anwender wollen den Rich Client nutzen, aber die Infrastruktur dieses Clients wird über das Web bereitgestellt werden. Das wird wohl in kleineren Unternehmen schneller passieren als in großen.
InformationWeek: Werden Sie künftig schneller große Software-Releases herausbringen?
Ballmer: Es wird nicht so lange dauern wie zwischen XP und Vista. Aber die Kunden erwarten von uns große Innovationen und das dauert zwei bis drei Jahre.
InformationWeek: Office Sharepoint Server spielt eine immer wichtigere Rolle in Ihrem Portfolio. Einige Leute haben darüber geklagt, dass dieses Produkt wie Treibsand wirkt und man immer tiefer versinkt. Es erhöhe Kosten und Komplexität der Microsoft-Umgebung. Was antworten Sie darauf?
Ballmer: Darauf antworte ich nicht. Wenn die Anwender zusätzliche Funktionen wie Enterprise Search, Dokumentenmanagement, Workflow, ECM benötigen, können sie diese von uns bekommen oder von größeren oder kleineren Wettbewerbern. Wir ermuntern die Kunden, sich unser Angebot genau anzusehen. Das werden Sie nicht tun, wenn der Geschäftsnutzen nicht die Kosten rechtfertigt. Ich bin überzeugt, dass wir ein Produkt haben, das weniger kostet und weniger komplex ist als andere. High-End-ECM-Pakete bieten mehr Funktionalität, die der Anwender oft gar nicht benötigt, und sind viel komplexer. Unsere Stärke liegt in kostengünstigen Basisangeboten.
InformationWeek: Wenn ein Unternehmen neue Funktionalität benötigt, ist es nicht immer sinnvoll, diese übers Web bereitzustellen. Sharepoint scheint eine Kombination zwischen fest installierter und On-Demand-Software zu sein?
Ballmer: Das ist richtig. Wir hosten Sharepoint als Teil von Office Live. Aber die Kunden wollen es auch selbst verwalten, Funktionen einstellen und Sicherheit festlegen. Einige haben kein Problem damit, Informationen außerhalb des eigenen Firewalls vorzuhalten, andere schon.
InformationWeek: Was ist die größte Herausforderung, die vor Windows liegt?
Ballmer: Es gibt einige Anforderung an ein Betriebssystem. Die Hardware verändert sich. Neue Konnektoren, neue Chips kommen und dazu müssen wir das System in Hinsicht Software and Services optimieren. Wir haben neue Entwicklungsmodelle, eine neue graphische Benutzeroberfläche, neue Arten, wie Nutzer Daten über verschiedene Anwendungen hinweg integrieren können. Dazu kommen Mobility, Tablets, neue Formfaktoren. Es kommen neue Anwendungen. Wir leben nicht in einer statischen Umgebung, deshalb werden wir Windows kontinuierlich weiterentwickeln müssen. Es gibt Apple und Linux, die andere Modelle verwenden. Dazu gibt es zunehmend Geräte, die auf eine bestimmte Aufgabe zugeschnitten sind, und den PC herausfordern. Also haben wir eine Menge Wettbewerb und Dinge, die wir beachten müssen. Aber schließlich bleibt der PC das was die Nutzer wollen und wofür sie Software benötigen. Windows kann das am besten und Vista bietet jetzt eine neue Oberfläche, eingebaute Services und Hardware-Support. Wir müssen auch künftig schnell sein.
InformationWeek: Windows startete mit zehn Millionen Zeilen Code, Vista wird wohl zehnmal so groß sein. Werden Software-Pakete auch künftig immer größer?
Ballmer: Kommende Versionen von Vista werden kompatibel sein, aber mehr Anwendungen und Hardware unterstützen und mehr Funktionen bieten. Deshalb wird sich die Größe erhöhen, aber auch die Leistungsfähigkeit.