IBM öffnet "grünes" RZ im nicht ganz so grünen Second Life
Green IT ist eines der großen Hype-Themen in der IT-Branche, die Computerindustrie gibt sich energiebewusst und umweltfreundlich. Deshalb will Branchenriese IBM die Virtual-Reality-Plattform Second Life für die Information über State-of-the-Art- und damit umweltfreundliche Rechenzentren nutzen - obwohl die aufwändige Second-Life-Plattform als bekanntlich großer Ressourcenfresser nicht gerade einen guten Ruf in Sachen Umweltschutz genießt.
Ausgerechnet für diese notorisch stromfressende Umgebung hat IBM nun aber ein dreidimensionales
virtuelles grünes RZ (Virtual Green Data Center, VGDC) angekündigt. Das VGDC soll es Besuchern laut
IBM ermöglichen zu lernen, "wie man ein Rechenzentrum managen und optimieren kann, ohne das Büro zu
verlassen."
Das VGDC befindet sich auf der IBM-Insel in Second Life und wurde auf der Virtual Worlds Expo in
Los Angeles vorgestellt. Das RZ sei "das weltweit erste interaktive grüne Rechenzentrum". Besucher
sollen in Gruppenführungen oder auf eigene Faust das RZ erkunden. Dieses sei – wie in
Virtual-Reality-Umgebungen üblich – rund um die Uhr verfügbar, an fünf Tagen pro Woche stünden
mehrsprachige Avatare für Auskünfte bereit.
Hier will Big Blue über Green-IT-Themen wie Energieeffizienz und -management, Kühlungslösungen
und Wärmeaustausch informieren. IBM betont, zur Information von Interessenten werde Web 2.0-Technik
immer wichtiger: "Basierend auf der Anzahl der Besucher in physischen Briefing Centern schätzt IBM,
dass durch ein virtuelles grünes Rechenzentrum als Alternative mehrere Millionen Dollar an Kosten
gespart werden können und CO2 Emissionen gekappt werden", heißt es in einer
Presseverlautbarung.
"Das VGDC", so Joanne Bald, Programmdirektor 3-D Internet bei ibm.com, "ermöglicht unseren
jetzigen und potenziellen Kunden, mit dem Green-Portfolio von IBM auf umweltfreundliche Weise in
Kontakt zu kommen. Keine Flugzeuge oder Autos, die Benzin verbrauchen – noch nicht mal die Mühen
einer Reiseplanung."
Da es sich bei Second Life im Grunde lediglich um ein sehr aufwändiges und damit stromfressendes
Online-Computerspiel handelt, war der Betreiber Linden Labs bereits vor geraumer Zeit in die Kritik
geraten. So hatte der IT-branchenkritische Publizist Nicholas Carr bereits Ende 2006 auf seinem
Blog die These vertreten, ein Avatar (Stellvertreter des Benutzers in der virtuellen Welt) benötige
durch seinen Strombedarf auf Server- und Client-Seite ungefähr so viel Energie wie ein Bewohner
eines Entwicklungslandes: "Ein Avatar verbraucht also 1752 kWh pro Jahr. Zum Vergleich: Ein Mensch
verbraucht im weltweiten Durchschnitt 2436 kWh pro Jahr." Damit verbrauche ein Avatar zwar weniger
Energie als der Durchschnittsbürger, "aber sie sind in der gleichen Liga", so Carr. Aufgrund der
großen Differenzen zwischen industrialisierten und weniger industrialisierten Ländern nähere sich
der Avatar-Verbrauch sogar stark der eines tatsächlichen Erdenbürgers: Ein durchschnittlicher
Brasilianer zum Beispiel verbrauche nur 1884 kWh pro Jahr.
IBMs Argumente, durch Nutzung moderner Kommunikations- und Präsentationstechnik Reisen sowie
damit verbundene Kosten und Umweltbelastungen zu vermeiden, sind durchaus nachvollziehbar. Ob sich
für die zielgruppengerechte Fachinformation über Green-IT-Themen aber wirklich Second Life als
optimale Plattformwahl erweist, ist durchaus fraglich.
LANline/wg