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Recht zeitig bemühen

Recht zeitig bemühen Niemand mag bei der Eheschließung an die Scheidung denken. Beim Abschluss eines Outsourcings-Vertrags sollten allerdings Regeln für die Beendigung der Partnerschaft getroffen werden, sonst setzen Unternehmen ihre Existenz aufs Spiel.

Autor:Markus Bereszewski • 8.6.2007 • ca. 3:55 Min

Wer rechtzeitig seine Hausaufgaben erledigt kann viel Ärger mit dem Dienstleister vermeiden.
Wer rechtzeitig seine Hausaufgaben erledigt kann viel Ärger mit dem Dienstleister vermeiden.

Die Beendigung eines IT-Outsourcing-Vertrages stellt für den Kunden ein nicht unerhebliches Risiko dar, da er die ausgelagerten Leistungen entweder wieder selbst erbringen muss oder aber die Leistungen an einen neuen Anbieter vergibt. Ohne angemessene Unterstützung des bisherigen Dienstleisters ist ein solches Migrationprojekt von vorneherein zum Scheitern verurteilt. In jedem IT-Outsourcing-Vertrag sollten daher Regelungen enthalten sein, die im Einzelnen festlegen, auf welche Art und Weise der Anbieter eine Migration der Leistungen nach Vertragsbeendigung zu unterstützen hat. Nur dann lässt sich sicherstellen, dass die IT-Leistungen unterbrechungsfrei und in der erforderlichen Zuverlässigkeit und Qualität auch für den Zeitraum nach der Vertragsbeendigung zur Verfügung stehen. Der Kunde ist auf diese Unterstützung des Anbieters angewiesen, da infolge des Outsourcings beim Kunden in der Regel ein Know-how-Verlust eingetreten ist. Insofern ist es mit der Beauftragung eines neuen Anbieters oder der Rückführung der Leistungen in das eigene Unternehmen in der Regel nicht getan. Vielmehr bedarf es einer geregelten Überleitung/Migra­tion der IT-Leistungen sowie eines Know-how-Transfers von dem alten auf den neuen Anbieter beziehungsweise auf den Kunden. Ohne eine enge Zusammenarbeit zwischen diesen Parteien kann eine Überführung der IT-Leistungen nicht funktionieren. Um diese Zusammenarbeit sowie die damit verbundenen Prozesse vorzugeben, empfiehlt es sich, folgende Regelungen in einen IT-Outsourcing-Vertrag aufzunehmen.

Herausgabe von Unterlagen und Daten Zunächst sollte eine klare Regelung aufgenommen werden, wonach der Anbieter sämtliche Unterlagen und Daten, die er im Zusammenhang mit der Vertragserfüllung vom Kunden erhalten hat, an diesen bei Vertragsbeendigung herauszugeben hat. Dies betrifft insbesondere auch ein gegebenenfalls vom Anbieter geführtes Betriebsführungshandbuch. Gerade dieses enthält in der Regel wertvolles Betriebsführungs-Know-how, das dem neuen Anbieter beziehungsweise dem Kunden im Rahmen der Fortführung der Leistungen hilfreich sein kann. Hinsichtlich der zu übergebenden Datenbestände sollte vorab festgelegt werden, dass diese in einem industrieüblichen Format herauszugeben sind, da andernfalls eine aufwändige Konvertierung in ein gängiges Format erforderlich werden könnte. Desweiteren ist das optionale Recht des Kunden vorzusehen, dass er die dem Anbieter gegebenenfalls zu Beginn des Outsourcings überlassene Hard- und Software zum Restbuchwert zurück erwerben kann. In der Mehrzahl der Fälle wird der Kunde diese Hard- und Software benötigen, um unterbrechungsfrei die ausgelagerten Leistungen entweder selbst oder durch einen neuen Anbieter erbringen zu können. In diesem Zusammenhang ist ferner zu regeln, dass nicht nur die Hard- und Software, sondern auch diesbezügliche Pflege- und Wartungsverträge zu übertragen sind. Schließlich sollte man auch daran denken, dass der Anbieter dem Kunden auch die Nutzungsrechte an seinem geistigen Eigentum, insbesondere an selbst entwickelter Software, in dem Umfang einräumt, wie dies zur Fortführung der Leistungen durch den Kunden selbst oder durch den neuen Anbieter erforderlich ist. Die Rechteübertragung sollte zumindest für einen Übergangszeitraum sichergestellt werden, da eine sofortige Migration auf andere Software in der Regel nicht möglich sein wird. Eine weitere wesentliche Regelung besteht darin, den Anbieter zu verpflichten, alles zu unternehmen, was für einen geordneten Übergang der Leistungen auf den Kunden oder den neuen Dienstleister erforderlich ist. Insbesondere sollte man klar regeln, dass der alte mit dem neuen Anbieter im Rahmen der Migration eng zusammenarbeiten soll. Es liegt in der Natur der Sache, dass der Gekündigte in den wenigsten Fällen freiwillig dazu bereit ist, einen Wettbewerber im Rahmen der Übernahme der Leistungen zu unterstützen. Da zum Zeitpunkt der Vertragserstellung noch nicht absehbar sein wird, welche Unterstützungsleistungen im Einzelnen für die Migration bei Vertragsbeendigung benötigt werden, empfiehlt es sich, zunächst nur eine prozedurale Regelung zu treffen, wonach die Vertragsparteien für den Fall der Vertragsbeendigung ihre im Rahmen der Migration zu erbringenden Leistungen in einer dann abzuschließenden Migrationsvereinbarung konkretisieren. Festgelegt werden sollte außerdem, dass der Anbieter die Migrationsleistungen auf Basis seiner gültigen allgemeinen Preisliste zu erbringen hat. In der Praxis ist es nicht ungewöhnlich, dass für die Migration der IT-Leistungen erheblich mehr Zeit benötigt wird, als dies ursprünglich von den Parteien geplant war. In diesen Fällen muss der Kunde zwingend die Möglichkeit haben, die Leistungen für einen Übergangszeitraum weiter vom bisherigen Anbieter zu beziehen. Andernfalls hätte dies katastrophale Folgen für den Kunden, da dieser weder vom alten noch vom neuen Dienstleister seine möglicherweise geschäftskritischen IT-Leistungen beziehen könnte. Daher sollte man vertraglich regeln, dass auf Wunsch des Kunden der bisherige Provider für einen angemessenen Zeitraum die IT-Leistungen weiter zu erbringen hat. In der Praxis wird dieser Zeitraum in der Regel auf 6 bis 12 Monate festgelegt. Zu regeln ist auch, dass die Erbringung der Leistungen während des Übergangszeitraums auf Basis der Konditionen des gekündigten Vertrages zu erfolgen hat. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die Vertragsbeendigung, insbesondere im Zusammenhang mit der Rückübertragung verschiedener Vermögensgegenstände oder auch einzelner Schlüsselmitarbeiter, zu einem Betriebsübergang am Ende der Auslagerung führen kann. Dies hätte zur Folge, dass der Kunde nicht nur die von ihm gewünschten Schlüsselmitarbeiter, sondern sämtliche für ihn tätigen Mitarbeiter des Anbieters zu übernehmen hat (§ 613 a BGB). Aus Sicht des Kunden sollte man vertraglich vereinbaren, dass der Anbieter den Kunden von allen hieraus resultierenden Kosten, insbesondere hinsichtlich der Kosten, die sich gegebenenfalls aus der Beendigung von Arbeitsverhältnissen ergeben, freistellen wird. In diesem Zusammenhang sind insbesondere auch der Übergang von Betriebsrentenansprüchen sowie die Übertragung der hierfür gebildeten Rückstellungen zu regeln. Gerade im Zusammenhang mit den Risiken eines solchen Betriebsübergangs ist dringend zu empfehlen, die rechtlichen Konsequenzen vorab sauber vertraglich festzulegen.

Peter Huppertz, LL.M., Rechtsanwalt und Fachanwalt für Informationstechnologierecht