Revolte gegen das Software-Establishment
Revolte gegen das Software-Establishment: Salesforce.com ist angetreten, den Vertrieb und die Nutzung von Software zu revolutionieren. Als Reaktion auf die Erfolge des On-Demand-Pioniers bieten selbst Branchengrößen wie Microsoft und SAP inzwischen Mietversionen ihrer CRM-Systeme an. Trotzdem sehen Experten in dem Konzept nur eine Ergänzung, aber keine Option für strategische Unternehmenslösungen.
- Revolte gegen das Software-Establishment
- Revolte gegen das Software-Establishment (Fortsetzung)
- Revolte gegen das Software-Establishment (Fortsetzung)
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Marc Benioff gilt als Marketing- und PRGenie. In punkto öffentlichkeitswirksamer Auftritte steht der großspurige Salesforce. com-Gründer seinem einstigen Chef und Lehrmeister Larry Ellison kaum nach. Als egozentrischer Firmenlenker ist er inzwischen fast schon genauso berühmt – oder berüchtigt – wie der CEO von Oracle. Dass nach dem Scheitern des Application Service Providings (ASP) zu Beginn des Jahrtausends heute wieder heftig über die Sache diskutiert wird, lässt sich zwar nicht allein Benioff zuschreiben. Den größten Anteil daran haben er und Salesforce. com aber ohne jeden Zweifel.
Freilich hat sich die Terminologie verändert und die Schlagworte lauten heute »Software as a Service« oder »On Demand«. Trotz einiger technischer Unterschiede zum ASP-Modell handelt es sich um das gleiche Prinzip: Anwender nutzen Applikationen über das Internet und benötigen dazu lediglich einen Browser. Die Software wird im Rechenzentrum des Anbieters oder eines Hosting-Dienstleisters betrieben. Abgerechnet wird nach einem Mietmodell, das sich an der tatsächlichen Nutzung durch den Kunden orientiert.
Die Vorteile für Unternehmen liegen auf der Hand. Sie ersparen sich die Anfangsinvestitionen in Hardware und Lizenzen. Da keine Technologie implementiert werden muss, können die Nutzer relativ schnell loslegen. Außerdem brauchen sich die Kunden nicht selbst um die Wartung zu kümmern und müssen daher weder eigenes IT-Personal noch Dienstleister beschäftigen. Trotzdem steht den Nutzern immer die aktuelle Version der Programme bereit.
Auf Basis dieses Modells bietet On-Demand- Pionier Salesforce.com (Claim: »Success on demand«) seine CRM-Lösung an. Inzwischen hat das Geschäft des 1999 gegründeten Start-Ups eine gewisse kritische Masse erreicht. Im abgelaufenen Fiskaljahr (31. Januar 2006) stieg der Umsatz um 76 Prozent auf 310 Millionen Dollar. Für das laufende Jahr rechnet das Unternehmen mit einem Sprung auf 470 Millionen bis 475 Millionen Dollar. Nachahmer finden die Kalifornier nicht nur unter Newcomern wie Rightnow Technologies oder Netsuite, die ebenso auf Applikationen zur Miete spezialisiert sind. Branchengrößen wie Oracle (Siebel), Microsoft oder SAP haben gleichfalls nachgezogen, seit das Modell auch in deren Stammklientel vermehrt auf Interesse stößt. Auch wenn es inzwischen On-Demand-Angebote aus anderen Disziplinen wie Business Intelligence, Personalmanagement oder Collaboration gibt, steht momentan vor allem CRM im Mittelpunkt.
Benioff wäre nicht Benioff, wenn es ihm nur um ein lukratives Geschäftsmodell ginge. Das Saleforce.com-Konzept propagiert er zugleich als zukünftiges Paradigma der Software-Nutzung, das etablierte Branchenvertreter wie rückwärtsgewandte Marktteilnehmer aussehen lässt. So verkündete der Firmengründer bereits vor einigen Jahren »das Ende der Software«. Bis 2010 werde das On-Demand- Geschäft den traditionellen Vertrieb überflügelt haben. Gelegentlich stilisiert er seine Offensive gegen das Software-Establishment als Kampf zwischen Gut und Böse. Unlängst ließ er sich für ein Pressefoto mit einer Figur des »Star Wars«-Helden Yoda ablichten, die den Schreibtisch seines Büros ziert. Hinter solchen Inszenierungen steckt freilich Kalkül.
Seine mitunter schrille Polemik richtet Benioff bevorzugt – eine weitere Gemeinsamkeit mit Larry Ellison – gegen den Walldorfer Weltmarktführer für ERP-Software: »SAP ist ein innovationsfreies Unternehmen «, tönte der Software-Rebell im Februar, als SAP erstmals eine On-Demand-Lösung vorstellte. Nur 19 Prozent der CRMKunden von SAP setzten deren CRM-System auch tatsächlich ein, zitierte Benioff aus Gartner-Analysen. »Wenn weniger als ein Fünftel unserer Kunden unser System nutzten, würden wir das als Scheitern betrachten. Bei SAP nennen sie das einen Business- Plan.« Vor anderthalb Jahren behauptete der Salesforce.com-Chef sogar, nicht einmal die Vertriebsleute von SAP vertrauten der eigenen CRM-Software. Stattdessen arbeiteten einige von ihnen heimlich mit dem Salesforce.com-System: »Die haben einen falschen Firmennamen und lassen das über ihre Kreditkarte laufen.«
Zwischen beiden Unternehmen liegen offenbar Welten. Kein Wunder, dass sich SAPs On-Demand-Strategie in wesentlichen Punkten vom Salesforce.com-Ansatz unterscheidet. So lassen die Walldorfer den Anwendern bei ihrem CRM-Angebot die Möglichkeit offen, ohne größeren Aufwand auf eine Inhouse-Lösung umzusteigen. Tatsächlich sehen die Badener ihre On-Demand-Version wohl als Einstieg für Neukunden, die das System früher oder später doch im eigenen Unternehmen installieren.