Softwareindustrie am Wendepunkt
Große Teile der Softwarebranche brauchen angesichts sinkender Wachstums- und Gewinnmargen fragen eine neue tragfähige Langzeitstrategie. Dabei können sie gut von anderen Branchen lernen, die diesen Prozess bereits hinter sich haben, wie Dr. Georg Kraus argumentiert.

Die Softwareindustrie ist eine sehr junge Industrie – kaum mehr als 30 Jahre sind vergangen, seit die ersten Softwareunternehmen entstanden. Das sollte man sich immer wieder vor Augen führen, wenn man über ihre künftige Entwicklung spricht. Das heißt: Die Softwareindustrie kommt erst allmählich in die »reife« Entwicklungsphase, in der die klassischen Industriezweige – wie zum Beispiel die Elektro- und Automobil-Industrie – sich schon lange befinden.
Dasselbe gilt für ihre Märkte. Sie weisen nicht mehr die hohen Wachstumsraten der »Gründerjahre« auf. Zwar wächst die Nachfrage nach Software weiterhin, doch zugleich etablieren sich neue Mitbewerber im Markt, die ihre Heimat nicht in den traditionellen Softwareentwicklerregionen USA, Europäische Union und Japan haben. Das heißt: Die Zahl der Anbieter wächst, während zugleich das prozentuale Wachstum des Marktes sinkt. Und das bedeutet wiederum: Der Softwaremarkt weist allmählich Kennzeichen gesättigter Märkte auf.
Für die etablierten Softwareunternehmen in den westlichen Industrienationen bedeutet dies:
- Es wird für sie schwieriger zu wachsen – außer durch Unternehmenszukäufe.
- Ihre Gewinnmargen sinken – auch weil aus Kundensicht, anders als in der Pionierphase, zunehmend echte Innovationen fehlen.
Und: Der Markt wird zu einem Käufermarkt. Den Verkäufern stehen also zunehmend selbstbewusste Kunden gegenüber, die sich ihrer Wahlmöglichkeiten bewusst sind und den Verkäufern klipp und klar sagen: Ich will den Nutzen x zum Preis y haben. Und die Verkäufer beziehungsweise ihre Unternehmen? Sie müssen auf die Kundenwünsche beziehungsweise -forderungen eingehen. Denn sie können anders als in der Vergangenheit nicht mehr die Haltung einnehmen »Was interessiert mich dieser Kunde? Es gibt genügend andere«. Denn die Märkte sind zumindest im B-to-B-Bereich weitgehend verteilt. Und echte Neukunden? Die gibt es nicht! Nur Wettbewerberkunden!