In Unternehmensnetzen transportieren unzählige Anwendungen ihre Daten zwischen PCs, Speichersystemen und Servern hin und her. Solange alle Applikationen schnell genug arbeiten, ist die Welt dort in Ordnung. Doch wehe, wenn plötzlich eine unternehmenskritische Anwendung zu langsam wird – etwa weil der Zugriff darauf über eine WAN-Verbindung erfolgt. Spätestens dann ist ein guter Zeitpunkt, über Bandbreitenmanagement nachzudenken.
WAN-Strecken haben gegenüber lokalen Netzwerkverbindungen vor allem zwei Schwachpunkte: weniger Bandbreite und bei entsprechender Entfernung höhere Latenz. Reagiert eine wichtige Anwendung über das WAN plötzlich nicht mehr so wie gewohnt, ist die erste Reaktion daher meist, die Bandbreite auf der betroffenen Verbindung zu erhöhen. Doch in vielen Fällen ist dies gar nicht notwendig. Denn nimmt unwichtiger Datenverkehr unternehmenskritischen Anwendungen Bandbreite weg, ist das Problem nicht zu wenig, sondern falsch verteilte Bandbreite.
Um Anwendungen individuell die Bandbreite zuzuweisen, die sie verdienen, muss man zunächst wissen, welche Anwendungen es überhaupt gibt und wie viel Bandbreite sie wann jeweils beanspruchen. Für diese Aufgabe gibt es dedizierte Appliances, die an zentraler Stelle wie etwa am WAN-Gateway im Rechenzentrum transparent in das Netzwerk integriert werden. Mit Hilfe einer detaillierten Analyse aller über das WAN versandten und empfangenen Datenpakete können diese Geräte dann bis auf OSI-Layer 7 nach Anwendung und Standort aufgeschlüsselte Daten wie maximale und durchschnittliche Nutzungsraten, übertragene Bytes, Verfügbarkeit oder die Adressen mit der höchsten Sende- und Empfangsleistung ermitteln.
Hat eine Bandbreitenmanagement-Appliance die Parameter des Datenflusses einer Anwendung identifiziert, kann sie dann deren Verkehrsfluss positiv oder negativ beeinflussen. Dies erfolgt beispielsweise mit Hilfe der TCP-Ratensteuerung. Diese Technik bestimmt automatisch die Senderate von IT-Systemen am anderen Ende des Netzwerks und kann so eine bidirektionale Dienstgütesteuerung umsetzen. Mit dieser oft auch als Traffic-Shaping bezeichneten Technik können Unternehmen beispielsweise sicherstellen, dass ihr Terminal-Server- und VoIP-Verkehr im WAN immer ausreichend Bandbreite im WAN erhält, während Webverkehr zu Unterhaltungszwecken zuallererst ausgebremst wird.
Der nächste Schritt zur optimalen Nutzung vorhandener Bandbreite ist die Kompression von Daten vor deren Übertragung. Intelligente Traffic-Shaping-Appliances können hier je nach Datenverkehr den optimalen Algorithmus auswählen und auf diese Weise die effektive Kapazität einer WAN-Verbindung um das Zwei- bis Zehnfache erhöhen.
Weitere Bandbreite lässt sich einsparen, wenn redundante Daten gar nicht erst über die Leitung wandern. So genannte Objekt-Caches am WAN-Gateway können hier beispielsweise dafür sorgen, dass eine oft angefragte Datei nur einmal über das WAN zwischen zwei Standorten übertragen wird. Nachfolgende Anfragen vor Ort bedient die Appliance dann aus dem lokalen Objekt-Cache.
Ändert sich eine Datei oft, greift diese Technik allerdings zu kurz. Daher kommt als Ergänzung das Byte-Caching ins Spiel. Voraussetzung hierfür ist, dass an beiden Enden einer WAN-Verbindung eine entsprechende Appliance installiert ist. Dann werden beispielsweise bei Schreibvorgängen an einer entfernten Datei nur die tatsächlichen Änderungen über das WAN übertragen. Ebenso greift Byte-Caching sehr gut etwa bei Rund-E-Mails an viele Empfänger, bei Webverkehr sowie protokollübergreifend auf Paketebene mit beliebigem Datenverkehr.
Besonders bandbreitenhungrig – und daher auch aus dieser Perspektive besonders beachtenswert – sind Videos. Handelt es sich hierbei um in Webseiten eingebettete Videodateien, lassen sich diese Daten mit Objekt-Caches hervorragend zwischenspeichern. Dasselbe gilt auch für gestreamte Videos, sofern die Bandbreiten-Appliance auch Video-Ströme cachen kann. Bei Live-Übertragungen mit vielen gleichzeitigen Zuschauern – wie etwa bei einem Fußballspiel – kann hingegen das so genannte Stream-Splitting massiv Bandbreite im WAN einsparen. Fordert der erste Zuschauer im Unternehmen den Empfang einer Live-Sendung an, so baut hier ein Proxy in der Gateway-Appliance zunächst eine Verbindung zum sendenden Server auf und sendet die empfangene Übertragung über eine zweite Verbindung an den Empfänger. Kommt ein zweiter Zuschauer hinzu, so öffnet das Gerät lediglich eine zweite lokale Verbindung zum Empfänger und spiegelt darauf den eingehenden Video-Stream.
Dietmar Schnabel, Sales Director DACH bei Blue Coat Systems
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