Der Standard TIA (Telecommunications Industry Association) definiert Laser-spezifizierte Multimode-Glasfasern mit verschärften Anforderungen hinsichtlich Differential Mode Delay (DMD), was mit einer höheren Systembandbreite der Faser korrespondiert. Die Idee ist nicht neu, Draka hat bereits 2003 eine Produktlösung aus dieser Klasse vorgestellt.
Von Markus Kien
Nun ist diese Leistungsklasse von Multimode-Glasfaser von einer unabhängigen Normungsinstanz definiert und damit „wählbar" geworden für Systemkonzepte in offenen Architekturen - so, wie sie im „Ethernet-Gremium" IEEE 802.3 generell gefordert werden. Sie gilt als Stand der Technik und wird damit für alle existierenden und neu zu entwickelnden optischen Übertragungsverfahren - Ethernet, Fiber Channel oder auch Inifiniband - einsetzbar. Ein Interview mit Carsten Fehr, Marketing Manager, Draka Communications.
funkschau: Welche Probleme löst der neue OM4-Standard im Vergleich zu seinem Vorgänger OM3?
Carsten Fehr: Eine höhere Systembandbreite der Glasfaser hat für den Anwender zwei Vorteile. Da ist erstens die größere Reichweite bei existierenden Anwendungen. OM4 ermöglicht beispielsweise den Einsatz von 10GBase-SR über eine Distanz von bis zu 550 Meter statt einer Reichweite von 300 Meter bei OM3. Das kann sofort bei heutigen Anwendungen realisiert werden und erfordert keine weiteren Begleitmaßnahmen.
Der zweite Vorteil beim Wechsel auf schnellere Übertragungsprotokolle ist der Erhalt der vorhandenen Verkabelungsstrukturen mit den verschiedenen Unterverteilungsebenen. Hierbei könnte also auf die nächste Ethernet-Generation - etwa 40GBase-SR - gewechselt werden, ohne einen kompletten Neubau der Kommunikations-Infrastruktur vollziehen zu müssen.
funkschau: Würden Sie die Technik bei OM4 bitte kurz beschreiben!
Fehr: Die Bandbreite einer Multimode-Glasfaser wird ganz wesentlich vom Gleichlauf der Moden (Lichtstrahlen) bestimmt, was nur durch exakte Einhaltung eines parabolischen Brechungsindexprofils erreicht wird. Das Gegenteil, die Modendispersion muss also begrenzt werden. Mit der Normung der Laserbandbreite für OM3 im Jahr 2001 wurde mit dem Differential Mode Delay (DMD) eine Kenngröße definiert, die den Gleichlauf der Moden bei 850 nm sehr eng spezifiziert. Dieser für OM3 mit beispielsweise 0,33 ps/m spezifizierte Wert ist nun für OM4 auf 0,14 ps/m weiter eingeschränkt.
Dieser Wert begegnet einem nicht oft in der Natur. Zur Veranschaulichung: Auf der für die kommende Anwendung 40 Gigabit-Ethernet spezifizierten Länge von 125 Meter haben die Lichtstrahlen in einer OM4-Faser maximal einen Laufzeitunterschied von 17 ps. In dieser Zeit durchquert die Internationale Raumstation ISS immerhin eine Strecke von 100 nm, was der Stärke von Blattgold entspricht. Dieser Vergleich soll zeigen, dass die Anforderungen der
Systemtechnik alles andere als gewöhnlich sind, und die Fasertechnologie in ihrer Präzision voll gefordert ist. Genauigkeit ist Trumpf und die patentierte PCVD-Technologie (Plasma activated Chemical Vapor Deposition) von Draka ist damit ganz in ihrem Element.
funkschau: Welche Besonderheiten gibt es bei der Technik?
Fehr: Auch wenn es trivial klingt, als Besonderheit kann durchaus gelten, dass eine OM4-Faser alles kann, was auch eine OM3-, OM2- oder OM1-Faser beherrscht, nur eben sehr viel mehr. Damit wird das Prinzip der anwendungsneutralen Verkabelungsinfrastruktur in die nächste Systemgeneration fortsetzbar. So entfällt die Bindung von Infrastruktur-Investitionen an die Implementierung von schnelleren Netzwerkstandards. Der IT-Verantwortliche kann mit rückwärtskompatibler OM4-Verkabelung heute vollkompatible Netze realisieren beziehungsweise erweitern und zu jedem späteren Zeitpunkt auf die nächste Generation Ethernet wechseln. Die Bedeutung einer strukturierten Verkabelung wird auch durch energieeffiziente Betriebskonzepte weiter steigen.
funkschau: Wie ist Draka in die Standardisierung eingebunden?
Fehr: Draka engagiert sich nicht nur im Rahmen der Produktnormung im TR42 von TIA und SC86A von IEC (International Electrotechnical Commission), wo die Faser in allen Einzelheiten spezifiziert wurde beziehungsweise wird, sondern auch auf Systemebene bei IEEE802.3 (Institute of Electrical and Electronics Engineers). Dort werden die Systemspezifikationen als Ganzes definiert und technologische Innovationen in der Elektronik mit den Möglichkeiten der Laser- und Transceiver-Technik und eben der Fasertechnologie analysiert. Draka versteht sich hier nicht nur als Experte in Fragen der Fasertechnik sondern auch als Ideengeber für die Zielentwicklung kommender Standardisierungsprojekte. Wir sehen beispielsweise interessante Möglichkeiten, auf Basis der neuen 25GB/s VCSEL (Vertical Cavity Surface Emitting Laser) mit der 4-spurigen Infrastruktur für 40-GBase- SR4 auch 100-Gigabit-Ethernet zu bedienen.
funkschau: Wann ist Ihrer Meinung nach mit ersten Produkten, basierend auf OM4, zu rechnen?
Fehr: Grundsätzlich ist jedes heute schon existierende Netzwerkinterface mit Multimode Schnittstelle ein OM4-basierendes Produkt, unter Ausnutzung der dank der Faser zum Teil erheblich erweiterten Reichweiten. Das erste originäre Systemprodukt wird die Implementierung von 40-GBase-SR4 mit zunächst 125 Meter Reichweite sein, zu dessen Realisierung die OM4 zwingend erforderlich ist. Nach der Fertigstellung des Standards Mitte 2010 ist binnen zwölf Monaten mit ersten kommerziellen Produkten zu rechnen.