Michael Maria Bommer, General Manager Dach bei Nuance, erklärt im funkschau-Interview, was Call-Steering-Applikationen leisten können und worauf Unternehmen bei der Einführung von Sprachapplikationen achten sollten.
Viele Sprachapplikationen bestehen heute immer noch aus unübersichtlichen Menüstrukturen, in die sich ein Anrufer stets wieder hineindenken muss. Zudem bilden Unternehmen häufig ihre Produkt- oder Organisationsstruktur und nicht die Kundensicht im IVR-Menü (Interactive Voice Response) ab. Daher erreichen Kunden häufig ihr Ziel nicht in kurzer Zeit und sind daher zu Recht unzufrieden und frustriert.
Mit Call Steering, also der automatischen Bestimmung des Anrufgrunds und gezielter Weiterleitung, soll dies der Vergangenheit angehören.
funkschau: Welche Möglichkeiten bietet Call Steering im Callcenter?
Michael Bommer: Call-Steering-Applikationen lassen eine völlig frei formulierte Spracheingabe zu. Nach einer offenen Frage der Art „Wie kann ich Ihnen helfen?“ oder „Was kann ich für Sie tun?“ kann der Anrufer seine Anfrage so formulieren, wie er es wünscht. Danach werden die Anrufer – wie bei einem Berater – sofort weitergeleitet. Das kann eine Stelle innerhalb der Sprachapplikation sein, eine andere Sprachanwendung, ein Berater im Unternehmen oder ein Callcenter-Agent. Bei Missverständnissen beziehungsweise der Eingabe von mehreren Stichworten wird beim Anrufer gegebenenfalls nachgefragt.
funkschau: Viele Nutzer von Sprachapplikationen sind an vorgegebene Menüstrukturen gewöhnt. Was passiert, wenn Anrufer nicht auf eine offene Frage antworten?
Bommer: Für Anrufer, denen es schwer fällt, auf offene Fragen zu reagieren, kann man Menüoptionen vorbereiten (so genannte Fallback-Menüs) und diese nach einiger Zeit immer mehr verringern, bis Kunden den Sprachdialog so gut kennen, dass sie diese Hilfestellung nicht mehr benötigen. Die Menüstrukturen stellen nur eine Unterstützung für unerfahrene Kunden dar, haben aber keinen Einfluss auf die Weiterleitungsziele innerhalb der Sprachapplikation. Vielnutzer gelangen trotzdem schnell an das gewünschte Ziel, unerfahrene Anrufer genießen hingegen die Sicherheit, im Sprachdialog geführt zu werden.
funkschau: Anrufer haben den Vorteil, ihre Wünsche in eigene Worte zu fassen. Welche Vorteile bringt Call Steering neben einer erhöhten Kundenzufriedenheit den Unternehmen?
Bommer: Da gibt es einige Argumente, die für Call-Steering-Applikationen sprechen: Interessant für Unternehmen ist, neben der von ihnen angesprochenen Kundenzufriedenheit, nur eine Nummer für alle telefonischen Dienstleistungen anzubieten, was Kosten senkt, da nicht verschiedene Hotlines betrieben werden müssen. Daraus folgt ein weiterer wichtiger Vorteil: die Berichterstattung (Reporting) einer einzelnen Nummer, die das Beobachten (Monitoring) der Kundenzufriedenheit beziehungsweise des Dienstes erlaubt. Erwähnen sollte man auch ein höheres Automatisierungspotenzial, denn weniger Anrufer „verlaufen“ sich im IVRMenü, sowie die Reduzierung von Quervermittlungen im nachgelagerten Callcenter. Querverweise kommen hinter einem traditionellen Menüsystem häufiger vor, weil Anrufer oft wegen Navigationsproblemen am falschen Ausgang der IVR ankommen und sich aus Verzweiflung trotzdem verbinden lassen. Es gibt noch weitere Vorteile wie einen schnellen Return on Investment.
funkschau: Was ist Ihnen in all den Call- Steering-Projekten in der Vergangenheit aufgefallen? Gibt es Erfahrungen, die Sie Unternehmen mit auf den Weg geben wollen?
Bommer: Ja, stimmt. In unseren Projekten haben wir über die Jahre vieles dazugelernt. Hier nur einige Hinweise, die wir bei der Implementierung von Call Steering beachten: Kunden sollten wissen, dass sie sich in einem automatisierten Sprachdialog befinden, und nicht denken, dass sie bereits mit einem Callcenter-Agenten verbunden sind. Es sollten wenige bis keine Marketingansagen beziehungsweise Hinweise auf Sonderaktionen bei der Begrüßung erfolgen. Man muss vor allem den Anrufer unterstützen, seinen Wunsch klar zu äußern. So kann man, wenn der Kunde nicht sofort beim ersten Versuch weitergeleitet wird, die Antwort (Nachfrage) des Call-Steering-Systems um Beispiele erweitern.
funkschau: Gibt es denn Projekte, wo Call Steering bereits angewandt wurde?
Bommer: Ein schönes aktuelles Beispiel ist Telefónica Móviles España, der Mobilfunkanbieter von Telefónica im spanischen Markt. Das Unternehmen hat mehr als 21 Million Kunden und ein vielfältiges Angebot an Dienstleistungen und Applikationen aus der Mobilfunktechnologie, wie beispielsweise UMTS. Die Call-Steering- Applikation von Telefónica Móviles España nimmt monatlich über 20 Millionen Gespräche entgegen, also eine ziemlich hohe Anzahl. Der Dienst wird rund um die Uhr angeboten, wobei die Gesprächsdauer und der Abbruch von Telefonaten gesenkt wurden. Wichtig ist zu erwähnen, dass die Kundenzufriedenheit um zehn Prozent gestiegen ist. Die Zahl ergibt sich aus Auswertungen von etwa 200.000 automatisiert durchgeführten Befragungen. Das sind ziemlich beeindruckende Zahlen.