Olaf Niggemann ist nicht die tragische Figur Willy Loman aus Arthur Millers bekanntem Drama und doch gibt es Ähnlichkeiten zwischen dem fiktiven und realen Handelsvertreter.
Der Fluch des Vertriebs ist eine der vielen Facette des berühmten Dramas »Death of a Salesman« von Arthur Miller aus dem Jahr 1949. In Amerika der Nachkriegszeit zerplatzen Träume vom Erfolg, zerbrechen Menschen an Selbstlüge, flüchten in eine glorreiche, freilich längst vergangene Zeit. Olaf Niggemann ist nicht die tragische Figur Willy Loman und doch gibt es Ähnlichkeiten zwischen dem fiktiven und realen Handelsvertreter.
Der Gründer des in die Insolvenz geschlitterten TK-Distributors Niggemann-Group benennt nüchtern die Folgen seiner Fehlentscheidung (Siemens-Only-Strategie) und schiebt die Misere Siemens in die Schuhe. Er habe vor Jahren ausschließlich auf den Kunden Siemens gesetzt, viel investiert, sich der Loyalität des Herstellers versichert, um dann anhand einer zweifelhaften Excel-Analyse »im vollen Lauf« ins zweite Glied abgeschoben zu werden. 16 Jahre die Siemens-Fahne hoch gehalten und dann von diesem Hersteller zum Subdistributor degradiert, vom neuen Management ignoriert und schließlich in die Insolvenz getrieben, beklagt sich Olaf Niggemann im CRN-Interview. Eine späte Abrechnung eines Ex-Siemens-Partners, die allerdings mehr über den Unternehmer als über den Konzern aussagt.
Natürlich ist es so: Ein Konzern hält nicht dauerhaft an einem mittelständischen Vertriebspartner fest, wenn er gleichzeitig seine eigenen Sparten abstößt (SEN, Gigaset, Siemens Mobile), sich eigener Mitarbeiter per Betriebsübergang entledigt (Sinitec), sein Portfolio bereinigt, Vertriebswege ändert. Doch: Darf man als Chef einer Firma mit 60 Angestellten allen Ernstes auf den »menschlichen Aspekt« von Konzernmitarbeitern bauen, wo ein Weltunternehmen jederzeit eine Matrix zur Grundlage von Restrukturierungen bemüht? Muss man überrascht sein, bei seinem einzigen Kunden als unbequemer Partner aufzutreten und sich dann über persönliche Animositäten beklagen?
Wenn Naivität, Unerfahrenheit und Gutgläubigkeit zusammenfallen, spricht man von Blauäugigkeit. Das war der Handelsvertreter Willy Loman in Arthur Millers Drama nicht, und Olaf Niggemann ist es auch nicht. Beide aber können oder wollen nicht wirklich unverstellt auf die Realität blicken. Trauerarbeit hilft da wenig.